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Neue Regeln für Anlageberater: Umkämpfte Standpunkte

Quelle: Fotolia
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Die aktuelle Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des gleichnamigen Ministeriums (BMLEV) geht zurück auf 56 Fragen, die von den Bundestagsabgeordneten aus den Fraktionen zum Thema „Verbraucherschutz und Finanzmärkte“ gestellt wurden, die sich unter anderem mit dem Vertrieb offener und geschlossener Fonds im Hinblick auf den Verbraucherschutz beschäftigen. Der Fragenkatalog wurde im Dezember 2008 an Bankenverbände, Verbraucherzentralen, die Stiftung Warentest und Sachverständige zur Beantwortung übermittelt. Nicht eingeladen Die Vertreter der unabhängigen Finanzdienstleister standen nicht auf der Empfängerliste und saßen daher heute lediglich auf der Besuchertribüne. Auch Vertreter der Fondsbranche oder der Versicherungswirtschaft wurden nicht eingeladen. Der AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen, der Votum-Verband der unabhängigen Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa und der Verband Geschlossene Fonds VGF gaben dennoch zuvor unaufgefordert ihre Stellungnahmen ab. Diese sind auf der Homepage des Bundestags (Link am Ende des Artikels) einzusehen. „Die heutige Runde geht an die Verbraucherschützer“, zieht Frank Rottenbacher, Vorstand des AfW, gegenüber DAS INVESTMENT.com ein Fazit. Sie haben emotionaler argumentiert, und die Vertreter der Banken seien mehrfach nicht faktensicher gewesen. Die Veranstaltung, in der geladene Experten kurze Eingangsstatements referierten und im Anschluss von den anwesenden Bundestagsfraktionen befragt werden konnten, sei mehr eine Art Stimmungserhebung als eine konkrete Diskussion gewesen. „Der unabhängige Berater kam eigentlich nur am Rande vor und dabei schwang dann meist immer noch ein schemenhaftes Pauschalbild eines Drückers an der Haustür mit“, bedauert Rottenbacher. Neue Regulierungsrunde Klar ist: „Die große Koalition möchte auch den Vertrieb von Kapitalanlagen und Finanzierungen regulieren“, beschreibt Rottenbacher die derzeitige politische Diskussion. Es stehe zu erwarten, dass an Anlage- und Finanzierungsvermittler zukünftig ähnliche Anforderungen gestellt werden, wie dies im Bereich der Versicherungsvermittlung bereits eingeführt sei. Dies betreffe Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, Dokumentations- und Informationspflichten, Register und Qualifikationsanforderungen. Die im Vorfeld gestellten, mitunter einem Brainstorming ähnelnden, offenen Fragen der Politiker umfassen die komplexe Vergleichbarkeit von Produktinformationen, Kostentransparenz, Beratung und Verbraucheraufklärung, die Regulierung von Produkten und Finanzvermittlern, Aufsicht und Kontrollmechanismen, Einlagensicherung, rechtliche Rahmenbedingungen (Zertifizierung, Haftung) sowie die Unabhängigkeit und Seriosität von Finanzberatung an sich. Breite Front gegen Beweislastumkehr Zur Sprache in der Anhörung kam unter anderem die von den Verbraucherschützern gewünschte Umkehr der Beweislast zuungunsten der Berater. Diese wird von den Bankenvertretern abgelehnt. „Eine umfassende Umkehr der Beweislast wäre ein erheblicher Eingriff in die deutsche Rechtssystematik. Zudem vermuten die Gerichte schon heute zugunsten des Kunden bei einer nachgewiesenen Falschberatung einen Schaden beim Anleger, so dass die Bank das Gegenteil zu beweisen hat“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme der Kreditwirtschaft. Auch die Verbände der freien Finanzdienstleister sind dagegen. Votum weist darauf hin, dass es auch für andere beratende Berufe wie Steuerberater oder Rechtsanwälte keine generelle Beweislastumkehr gebe. Eine Sonderregelung für Anlageberater sei systemwidrig: Dadurch „entsteht der unerträgliche Zustand einer kollektiven Vorverurteilung und quasi Kriminalisierung einer gesamten Berufsgruppe“. Der VGF schlägt in seiner Stellungnahme vor, die Beweislastumkehr solle nur in Fällen gelten, „in denen kein Protokoll vom Berater erstellt wird oder dem Anleger keine vergleichbare Dokumentation ausgehändigt wird.“ Anpassung der Verjährungsfristen Ein weiterer zentraler Punkt ist die ebenfalls von den Verbraucherschützern propagierte Anpassung der kapitalmarktrechtlichen Verjährungsfrist (maximal drei Jahre) an die allgemeine zivilrechtliche Verjährungsfrist (maximal zehn Jahre). Dies wird von den Banken abgelehnt, von den Verbänden der Finanzdienstleister jedoch unisono begrüßt. „Es ist keinesfalls nachvollziehbar, warum die Vermittlung von Finanzprodukten durch Banken einer teilweise deutlich kürzeren Verjährungsfrist unterliegen, als die Vermittlung durch unabhängige Finanzdienstleister“, so der AfW. Unabhängige Vermittler von Versicherungen und Investmentfonds unterliegen nicht dem Wertpapierhandelsgesetz und haften bereits seit langem nach den geforderten Verjährungsfristen des BGB. Der AfW fordert darüber hinaus, dass auch die Verjährungsfristen für Produktgeber an die normalen BGB-Fristen angepasst werden. Sie seien derzeit deutlich kürzer. Als Beispiel nennt der AfW die Prospekthaftung. Dort betrage die Verjährungsfrist für Produktgeber lediglich 6 Monate, der Vermittler hafte aber gemäß BGB mindestens 3 Jahre. Diese Asymmetrie könne nicht im Sinne des Verbraucherschutzes sein. Systematischer Irrsinn Mittlerweile beschäftigt sich bereits der vierte Bundestagsausschuss mit dem Thema der Regulierung der Finanzmärkte. „Ein systematischer Irrsinn“, konstatiert AfW-Vorstand Rottenbacher. Viel Zeit und Aufwand wurde bisher von vier verschiedenen Bundesministerien auf die Regulierung einzelner Teilbereiche des Finanzmarktes verwendet, von einem ganzheitlichen Ansatz könne leider nach wie vor nicht die Rede sein. So haben die Vermittlerrichtlinie, die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes und die Finanzmarktrichtlinie jeweils nur einen Teil der Branche reguliert –, und deren Ergebnisse werden branchenweit bislang bestenfalls als durchwachsen bezeichnet. Oft wird beklagt, die Flut an Informations- und Dokumentationspflichten würden den Anleger respektive Versicherungskunden oftmals ratlos zurücklassen, er könne mit der Vielzahl an Informationen, die er nun erhalte, wenig anfangen. Fazit: Das unbestreitbare Mehr an Bürokratisierung führt nicht zu einem vergleichbaren Plus an sinnvoller Transparenz für den Anleger. Dies scheint nun auch beim Verbraucherschutz angekommen zu sein. Deren Vertreterin Edda Costello sprach in der Anhörung gar von einer „Informationsideologie“. Vertriebsstrukturen auf dem Prüfstand Das BMLEV hat die Debatte um die Finanzberatung zudem auf einem weiteren Weg befeuert. Im Dezember hatte das Ministerium eine in eineinhalbjähriger Arbeit entstandene Studie zur Beratungsqualität herausgegeben, die erheblichen Reformbedarf beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen fordert. Die Studie empfiehlt unter anderem die Sonderregelungen für Vermittler von Investmentfonds im Hinblick auf die Regulierung im Kreditwesengesetz (KWG) und dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) abzuschaffen und den bislang unregulierten Vertreib geschlossener Fonds ebenfalls zu kontrollieren. Als zentrale Punkte wurden dabei die Verbesserung der Haftungssituation durch eine Umkehr der Beweislast zugunsten der Anleger sowie neue Strukturen des Vertriebs von Finanzprodukten genannt. Einer der Vorschläge empfiehlt beispielsweise das in den Niederlanden umgesetzte Modell, die Abschlussprovision auf maximal 50 Prozent der Vergütung zu deckeln. Damit wären Bestands- und Abschlussprovision gleichgestellt und es stünde nicht mehr nur ein schneller Abschluss im Vordergrund, so die Autoren. Weitere Ideen sind die Honorarberatung in Deutschland mit Informationskampagnen und Zuschüssen oder steuerlichen Anreizen für Verbraucher zu fördern und die kapitalmarktrechtlichen Verjährungsfrist (maximal drei Jahre) an die allgemeine zivilrechtliche Verjährungsfrist (maximal zehn Jahre) anzupassen. Das Bundesverbraucherministerium will am 10. März in Berlin mit Interessenvertretern der Branche zu den Erkenntnissen und Folgerungen der Studie diskutieren. Links: zum Fragenkatalog des Ausschusses zu den Antworten von Verbänden, Sachverständigen und Verbraucherzentralen

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