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Aktualisiert am 28.10.2010 - 15:39 UhrLesedauer: 8 Minuten

Öl: Energie fürs Portfolio

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Die Allgemeinheit möchte von den Rekord-Exporterlösen stärker profitieren. Private Produzenten mussten sich zuletzt in vielen Öllieferländern mit erheblichen staatlichen Eingriffen abfinden bzw. wurden in einigen Fällen, wie z. B. in Venezuela, sogar quasi enteignet. Geopolitische Risiken taten ein Übriges,
sodass sich in der Summe die Ölförderung in den letzten Jahren verteuert hat. Herstellungskosten von 20 US-Dollar sind heute nur noch in wenigen Lieferländern zu unterbieten, deren Vorkommen nicht alleine den globalen Bedarf decken können. Internationale Energiekonzerne, wie BP oder Total, haben für zukünftige Investitionsprojekte mittlerweile bereits eine Kalkulationsbasis von 60 USD je Barrel. Teures Öl: Trend oder Übertreibung?
Auch wenn man allen Vorhersagen kritisch begegnen sollte, erscheint nach Zusammenfassung aller heute bekannten Fakten folgendes Bild plausibel:
An der Situation historisch geringer freier Förderkapazitäten wird sich so schnell nichts ändern. Zwar provozieren höhere Ölpreise Investitionen in neue Erdölfelder, die bisher nicht profitabel erschienen. Mittlerweile wurde bereits damit begonnen, sogenannten Ölsand zu fördern; eine Art von Ölvorkommen, dessen Abbau jahrzehntelang als nicht lohnend galt. Hinzu kommt, dass bereits angezapfte Quellen länger genutzt werden können als zuvor – die letzten „Tropfen“ sind bei der Erdölförderung besonders teuer. Aber auch wenn das Angebot allmählich wächst, nimmt die Nachfrage weiter zu. Da ein Großteil der Ölvorkommen in politisch instabilen Regionen liegt, haben geopolitische Risiken einen großen Einfluss auf den Energiemarkt. Bei nur geringen freien Kapazitäten hätten vorübergehende Förderausfälle erhebliche Folgen für die Versorgungslage und damit auch die Preisentwicklung. Aus dem bisher Gesagten folgt:
1. Öl dürfte in den nächsten Jahren im historischen Vergleich teuer bleiben.
2. Hohe Preisschwankungen dürften am Ölmarkt an der Tagesordnung bleiben. Was bedeutet teures Öl für die Börse? Zur Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen hoher Ölpreise auf Energieaktien erscheint es zweckmäßig, dieses Aktiensegment in zwei Teilbereiche zu unterteilen: Unternehmen, die Öl bzw. Gas suchen und fördern (das „Upstream“-Segment) beziehungsweise
Dienstleistungen zur Erledigung dieser Aufgaben anbieten, und solche Unternehmen, deren Tätigkeit näher am Ölverbraucher steht („Downstream“-Segment, z. B. Raffinierung, Absatz und Transport). Upstream
Für Unternehmen, die ihr Geld vorrangig mit der Förderung von Erdöl und Erdgas verdienen, lässt sich ein enger Zusammenhang zwischen Ölpreisentwicklung und Aktienkurs feststellen. Die Kosten der Erdölförderung hängen nicht unmittelbar vom Ölpreis ab. Steigende Ölpreise vergrößern somit den Abstand zwischen Ertrag und Kosten. Die Gewinne steigen, was die Kurse der jeweiligen Aktiengesellschaften positiv beeinflusst. Downstream
Für Unternehmen, bei denen bereits gefördertes Öl einen durchlaufenden Posten darstellt, ist ein Zusammenhang zwischen Ölpreisentwicklung und Börsenkurs nicht so einfach herzustellen. Die Auswirkungen einer Verteuerung des Inputfaktors Öl auf die Gewinnmargen von z. B. Raffinerien hängen davon ab, ob und in welchem Ausmaß höhere Inputpreise an die Abnehmer verarbeiteter Mineralölprodukte weitergegeben werden können. Im Falle einer starken Konkurrenz zwischen den Raffineriebetreibern wäre es denkbar, dass höhere Ölpreise die Ertragslage von Raffinerien beeinträchtigen. Langfristig ist davon auszugehen, dass die Anbieter in der Lage sind, höhere Inputpreise in vollem Umfang weiterzugeben, was dafür spricht, dass der Ölpreis keinen Einfluss auf die Aktienkursentwicklung dieses Segments haben sollte. Dessen ungeachtet stellt sich die derzeitige Lage für die Verarbeiter von Erdöl und Erdgas recht freundlich dar: Bereits verarbeitete Mineralölprodukte stehen besonders hoch im Kurs und angesichts einer wachsenden Nachfrage nach Benzin stellen die zur Verfügung stehenden Raffineriekapazitäten einen Engpassfaktor dar. Zu lange wurden in diesem Bereich Investitionen hinausgeschoben. In den USA wurde zuletzt 1976 der Neubau einer Raffinerie genehmigt, und von der Planung bis zur Inbetriebnahme solcher Anlagen vergehen in der Regel rund 10 Jahre. Dass die Ausweitung der Verarbeitungskapazitäten in den letzten Jahren nicht mit der Nachfrage Schritt hielt, verdeutlicht Schaubild 7. Mittlerweile lässt sich der US-amerikanische Bedarf an Benzin für Automobile und Flugzeuge nur noch durch den Import von bereits raffiniertem Öl decken. In solch einem Umfeld können Raffineriebetreiber die Preise diktieren und die Gewinnmargen weiten sich aus. Tendenziell gute Nachrichten für die Aktienperformance! Der Autor: Dennis Nacken ist Senior Analyst bei Allianz Global Investors (AGI).

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