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Aktualisiert am 28.01.2020 - 12:12 Uhrin FondsLesedauer: 7 Minuten

Offene Immobilienfonds: Wegen Renovierung geschlossen

Millenium Tower in Bukarest
Millenium Tower in Bukarest
Quelle: Christian Chirita / Wikipedia

150 Feuerwehrleute, 37 Löschfahrzeuge, Feuer in Rekordhöhe. Am 26. Juni, 22 Uhr 25, hatte ein Passant den diensthabenden Angestellten der Sicherheitsfirma im Bukarester Millennium Business Center (MBC) auf eine brennende Leuchtreklame hingewiesen. Nur wenig später brannten die Stockwerke 11 und 14 bis 17 des Hochhauses, das dem offenen Immobilienfonds Degi International gehört. Dreieinhalb Stunden dauerte es, bis das Feuer im höchsten Gebäude Rumäniens gelöscht war. Für Anleger vorerst kein Problem: Mietausfälle trägt eine Versicherung für bis zu drei Jahre, die Kosten für die nötige Renovierung ebenfalls. Der Brand in Bukarest ist gleichwohl Sinnbild für den derzeitigen Zustand der Branche: Anfang Mai meldete die Nachrichtenagentur Reuters, einige deutsche Immobilienfonds „bekämpfen ihre eigenen Feuer, seit panische deutsche Anleger aus den Fonds geflohen sind“. Wie heftig die Brände sind, wie lange es dauern wird, sie zu löschen, und wer am Ende zahlt, ist bislang anders als beim Hochhaus der Degi noch weitgehend offen. Denn bereits zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren offenbart sich die größte Schwachstelle der vor 50 Jahren gestarteten Fondsklasse: der Spagat zwischen täglichem Handel der Fondsanteile und einer wenig liquiden Anlageklasse wie Immobilien. Wenn Anleger massenweise ihr Geld zurückhaben wollen, bekommen die Fonds ein Problem Wenn Anleger wie zuletzt im Oktober 2008 massenweise ihr Geld zurückhaben wollen, bekommen die Fonds ein Problem. Gerade in einem schlechten Marktumfeld wie im Herbst vergangenen Jahres können sie ihre Immobilien nicht schnell genug verkaufen, um ihre Anleger auszuzahlen. Reicht die Liquidität im Portfolio nicht, ist die zwangsläufige – und gesetzlich verankerte – Folge: Sie machen ihre Fonds zu, keiner kommt mehr raus, und das für bis zu zwei Jahre. Insgesamt zwölf Fonds mit rund 40 Prozent des in offenen Immobilienfonds investierten Kapitals waren in der Spitze betroffen, heute sind es noch drei. Und einige Fonds könnten neuerlich dicht machen, wenn sich die Hoffnungen auf neues Anlegergeld nicht erfüllen. „Wahrscheinlich hätten alle offenen Immobilienfonds geschlossen werden müssen, wenn sie nicht durch konzerneigene Einheiten oder Fonds gestützt worden wären“, sagt Maik Rissel. Der Leiter des Immobilien-Portfoliomanagements bei Marcard, Stein & Co. ist unter anderem Anlageberater des Immobiliendachfonds DJE Real Estate und hat die Schließungen „zähneknirschend akzeptiert, um Notverkäufe in einem schlechten Marktumfeld zu verhindern“. Künftig aber, fordert Rissel, müsse es wirkungsvolle Maßnahmen geben, um solche Schließungen zu verhindern. Das sehen auch der Manager des Immobiliendachfonds Smart Invest Liquid Real Estate, Max Schott, und DWS-Produktexperte Axel Müller (DWS Immoflex) so, obwohl sie anders als Rissel an einer Schließung der eigenen Fonds zumindest bislang vorbeigekommen sind.
„Die Story des offenen Immobilienfonds sollte neu geschrieben werden“, sagt Rissel und moniert, dass die Fondsgesellschaften immer noch mit der Erfolgsgeschichte der vergangenen 50 Jahre werben. „Die offenen Fonds haben durch die Kommunikation der alten Story, dass es mit der Fondsperformance stets nur aufwärts geht, Erwartungshaltungen bei Anlegern, Vertrieben und Medien geweckt, die sie in Wahrheit nicht mehr einhalten können.“ In der Tat passen tägliche Verfügbarkeit und eine nahezu schwankungsfreie Wertentwicklung nur dann zusammen, wenn es um risikolose Geldmarktinvestments geht. Jedes Renditeplus muss erkauft werden: durch Risiko, eine Liquiditätsprämie oder eine nicht jederzeit marktgerechte Bewertung der Vermögensgegenstände. Der Versuch, derart grundlegende Kapitalanlageregeln zumindest teilweise außer Kraft zu setzen, wurde den Fonds schließlich zum Verhängnis. Dabei hängen die Faktoren eng miteinander zusammen: Anleger wollten verkaufen, weil sie nicht mehr glaubten, dass der Preis der Fondsanteile den Wert der Fondsimmobilien korrekt abgebildet hat – und konnten das zunächst auch. Eine klare Logik: Wer damit rechnet, dass die Immobilienbewertungen früher oder später korrigiert werden, sichert sich den aktuellen höheren Preis. So lange die Fondsgesellschaften ihn zahlen. Und weil immer mehr andere das Gleiche versucht haben, kamen sie schließlich nicht mehr raus. Die massive Abwertung des Portfolios des P2 Value von Morgan Stanley um über 10 Prozent im Juli dieses Jahres hat Anleger dabei neuerlich verunsichert: Sind möglicherweise auch die Gebäude anderer Fonds zu hoch bewertet? Korrekturen hat noch keine Gesellschaft in nennenswerter Größenordnung vorgenommen, dabei sind an den Immobilienmärkten die Preise extrem gefallen. Morgan Stanley sei ein Sonderfall, argumentieren Fondsanalysten und -anbieter einhellig. Ein hoher Asienanteil und extrem viele in Zeiten des Booms teuer gekaufte Immobilien im Portfolio hätten die Abwertung nötig gemacht. Trauen Anleger den Argumenten nicht, könnten sie trotzdem Geld aus den derzeit offenen Fonds abziehen – und sie zwingen, wieder zu schließen. Zwei Lösungen sind denkbar, um eine solche Entwicklung jetzt und künftig zu verhindern. Entweder bewerten Fondsgesellschaften ihre Immobilien so, dass Anleger nicht aus Sorge über zu hohe Bewertungen verkaufen, oder Fondsgesellschaften lassen den Verkauf nicht zu jeder Zeit zu. Einige Experten empfehlen, die Fondsgebäude häufiger zu bewerten Tatsächlich empfehlen einige Experten, die Fondsgebäude häufiger zu bewerten. „Je aktueller eine Bewertung ist, desto fairer ist der Preis“, sagt etwa Matthias Thomas, Leiter des Real Estate Management Intitute an der European Business School. Er glaubt, dass die bloß jährliche Bewertung durch Sachverständige zumindest zur aktuell schwierigen Situation der Fonds beigetragen hat: „Im Schnitt sind die Bewertungen sechs Monate alt. Anleger erwarten in Zeiten fallender Preise möglicherweise nicht zu Unrecht, dass das zeitlich verzögert auch auf die Bewertungen der Fonds­immobilien durchschlägt.“ Das Argument, bei langfristig vermieteten Immobilien ändere sich der Verkehrswert langsam, hält er für Unsinn. Auch Dachfondsmanager Eckhard Sauren warnt: „Immobilien sind keine schwankungsarme Anlageklasse. Das zeigt beispielsweise die Entwicklung am Markt für Londoner Büroimmobilien im vergangenen Jahr.“ Stärkere Schwankungen zu erlauben muss das Problem der deutschen Fonds gleichwohl nicht lösen: Auch in Großbritannien wurden 2008 etliche Immobilienfonds geschlossen – weil Anleger trotz oder gerade wegen hoher Wertverluste in Massen aussteigen wollten. Eine solche Schließung lässt sich nur dann verhindern, wenn der Fondspreis über dem Wert der Immobilien liegen kann und über Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Das ist bei Real Estate Investment Trusts (Reits) der Fall, die dem langfristigen Charakter eines Immobilieninvestments aber nicht unbedingt gerecht werden.
 
Barbara Knoflach, Managerin des SEB Immoinvest, ist überzeugt: Monatliche Bewertungen, wie sie in Großbritannien üblich seien, bildeten nur „den Zerschlagungswert eines Fonds“ ab – den Preis, den ein Manager erzielen könnte, müsste er alle Immobilien am folgenden Tag verkaufen (siehe auch Interview Seite 20). „Das ist für ein Portfolio, das aus illiquiden Vermögensgegenständen wie Immobilien besteht, nicht angemessen.“Umstritten bleibt , ob es angemessen sein kann, Immobilien mit Werten in den Büchern stehen zu haben, die schon seit Jahresfrist niemand mehr bezahlen würde. Richtig ist zwar, dass das nicht für alle Immobilien der Fonds gilt: Einzelne Verkäufe von Rreef, Axa, SEB und Degi zeigen, dass sich selbst heute der Verkehrswert oder sogar mehr für einzelne Fondsimmobilien erzielen lässt. Richtig ist aber auch, dass das vor allem für kleine bis mittelgroße Objekte gilt und vermutlich nicht für das gesamte Portfolio. Zumindest müsste Anlegern daher der langfristige Ansatz deutlicher gemacht werden als bisher: Es ist an den Anbietern, den Anlegern die Illusion eines Geldmarktersatzes zu nehmen. BVI will Kündigungsfristen für institutionelle Anleger Die von den deutschen Fondsgesellschaften und deren Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) angestrebte Lösung sieht genau das vor: Zumindest institutionelle Anleger sollen nicht mehr so einfach aus den Fonds herauskommen. Ein bereits im Frühjahr 2006 präsentiertes und in diesem Frühjahr nur geringfügig überarbeitetes BVI-Papier sieht eine zwölfmonatige Kündigungsfrist für jeden vor, der mehr als eine Million Euro investiert. Zudem soll die Mindestliquidität der Fonds von 5 auf 10 Prozent angehoben werden – eine Maßnahme allerdings, die nur dann etwas bringt, wenn diese Liquidität im Zweifelsfall angetastet werden kann. Das ist schon bei den heutigen 5 Prozent Mindestliquidität umstritten: Darf sie, eine durchaus verbreitete Auffassung, nicht für Rücknahmen verwendet werden, wenn nicht sicher ist, dass unmittelbar darauf Zuflüsse folgen, so bringt sie so gut wie gar nichts. Liquidität, die nicht verwendet werden darf, ist keine Liquidität, sondern nur zu geringem Zins dauerhaft gebundenes Kapital. Drittens, fordert der BVI, und das ist neu, sollen Rückgabewünsche mit einer Verzögerung von 90 Tagen bedient werden können, wenn innerhalb von 30 Tagen bereits 5 Prozent des Fondsvolumens abgezogen wurden. Das wäre die einzige Neuregelung, die auch Privatanleger beträfe – und durchaus auch ihren Sinn haben könnte. Denn die Krise wurde nicht allein durch Institutionelle verursacht. Kanam-Pressesprecher Michael Birnbaum etwa „weiß genau“, dass es Privatanleger waren, die im vergangenen Herbst Geld aus dem Kanam Grundinvest abgezogen haben, während die meisten anderen Gesellschaften Institutionelle für ihre Liquiditätsprobleme verantwortlich machen. Auch von ihnen setzen allerdings nur wenige klare Regeln. Kanam behält sich in einem Schreiben an den Vertrieb vor, bei großen Investments Rückgabevereinbarungen festzulegen. Die Deutsche-Bank-Tochter Rreef hat institutionelle Klassen für ihre Grundbesitz-Fonds eingeführt, denen Anleger mindestens 24 Monate lang treu bleiben müssen: durch eine Mindesthaltedauer von zwölf Monaten kombiniert mit einer dann einsetzenden, ebenso langen Kündigungsfrist. SEB legt Anfang Dezember eine neue Klasse ihres Immoinvest mit zwölfmonatiger Kündigungsfrist auf. Die übrigen Anbieter warten auf den Gesetzgeber. Nur wenn die Regeln gesetzlich festgeschrieben seien, so die Argumentation, die auch der BVI teilt, ließen sich Wettbewerbsnachteile vermeiden. Wer eine Kündigungsfrist habe, dränge Inves­toren zur Konkurrenz mit täglichem Handel. Dabei ist der vermeintliche Nachteil ein Vorteil: Wer Anlegern klarmachen kann, dass er aus der aktuellen Krise gelernt hat, sollte von ihnen einen Pluspunkt bekommen. 

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