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Economic Outlook September Ist „alles Notwendige“ noch genug für eine Erholung in Europa?

Andrew Balls, CIO globale Anleihen und Leiter des europäischen Portfoliomanagements bei Pimco
Andrew Balls, CIO globale Anleihen und Leiter des europäischen Portfoliomanagements bei Pimco
Wie beurteilt Pimco die Aussichten für die Eurozone?

Andrew Balls:
Über den zyklischen Horizont betrachtet erwarten wir in unserem Basisszenario für die Region 0,75 bis 1,25 Prozent reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP), und die Inflation sehen wir ebenfalls im Bereich von 0,75 bis 1,25 Prozent. Diese Prognosen liegen unter den Konsensschätzungen und deuten auf eine nur sehr mäßige Verbesserung im Vergleich zu den 0,5 Prozent Wachstum im ersten Halbjahr 2014 und dem weiter bestehenden Risiko einer „Lowflation“ (niedrigen Inflation) hin.

Neben den strukturellen Wachstumshemmnissen spiegeln die aktuellen Erwartungen ein sehr schwaches Nachfragewachstum in der Eurozone wider. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit ihren Bemühungen bislang zwar einen Kollaps verhindert, doch die Wirtschaft der Eurozone steckt weiterhin in einer Liquiditätsfalle. Schlimmer noch, aufgrund der Fragmentierung innerhalb der Eurozone hakt der geldpolitische Transmissionsmechanismus in den Peripherieländern besonders stark.

Immerhin wird die Fiskalpolitik die Aktivität in der Eurozone nicht so stark belasten wie in den vergangenen Jahren; doch die Länder sind entweder nicht fähig oder nicht willens, das Wachstum mithilfe der Fiskalpolitik zu unterstützen. Das heißt, sie wird auch keine bedeutende positive Wirkung haben. Positiv ist dagegen, dass sich die Kreditvergabe in der Region nach fast drei rückläufigen Jahren nun wenigstens stabilisiert – allerdings besteht nicht sehr viel Grund zu Optimismus, was die Belebung des Nachfragewachstums in der Eurozone insgesamt betrifft.

Wie sehen Sie das Spannungsfeld Ukraine-Russland?

Angesichts der bereits fragilen Erholung in der Eurozone wird der anhaltende geopolitische Konflikt in der Ukraine einen markanten Einfluss auf das Wachstum in der Eurozone haben, der sogar noch größer zu werden droht, falls die Spannungen mit Russland eskalieren sollten. In unserem Basisszenario erwarten wir, dass der Ukraine-Konflikt wohl Auswirkungen auf die Eurozone haben wird, die das Wachstum dort um rund 0,3 Prozent drücken dürften, vor allem durch den Handel mit Russland.

Absolut betrachtet scheint die Belastung für das Wachstum zwar nicht gewaltig zu sein, im Verhältnis zum erwarteten unterdurchschnittlichen Wachstum von rund 1,25 Prozent für die Eurozone ist sie jedoch recht hoch.

Die Inflation in der Eurozone liegt seit Jahresbeginn sehr nahe an der Marke von 0 Prozent (0,4 Prozent mit Stand vom August laut aktuellen EZB-Daten, September 2014), und die Kerninflation – ohne Lebensmittel- und Energiepreise – betrug nur 0,9 Prozent. Der Einfluss von Basiseffekten würde ohne einen weiteren Rückgang der Lebensmittel- und Energiepreise dazu führen, dass sich die Gesamtrate in den nächsten zwölf Monaten der Kernrate annähert.

Doch angesichts der aktuell geringen Inflation, der Schwäche der Konjunktur in der Eurozone und des Umstands, dass die Inflation in den zurückliegenden Monaten wiederholt nach unten überrascht hat, besteht ein erhebliches Risiko, dass die Kerninflation in Richtung der Gesamtinflation sinkt, was das Abrutschen in eine Deflation wahrscheinlicher macht. Da sich die Inflation soweit unter der Zielmarke der EZB von knapp 2 Prozent bewegt, besteht in jedem Fall die klare, akute Gefahr, dass die Inflationserwartungen noch weiter sinken.

Wie unterscheiden sich die Aussichten für die europäischen Kern- und Peripherieländer?

Der klare Unterschied zwischen den Kern- und den Peripherieländern der Eurozone, den wir in den zurückliegenden Jahren beobachten konnten, ist nicht mehr so deutlich. Das liegt zum Teil daran, dass die Aktivität in Deutschland in den vergangenen Quartalen sowohl beim Wachstum als auch in puncto Inflation enttäuscht hat, und – um positivere Gründe zu nennen – auch an der Wachstumsbelebung in Spanien.

Was die vier großen Volkswirtschaften der Eurozone betrifft, erwarten wir, dass Spanien die höchste Wachstumsrate von rund 1,75 Prozent in den nächsten zwölf Monaten verzeichnen wird, gefolgt von Deutschland mit 1,5 Prozent sowie Frankreich und Italien mit nur 0,5 Prozent beziehungsweise 0,25 Prozent Wachstum.

Für Deutschland erwarten wir rund 1,5 Prozent Inflation, für Frankreich 1 Prozent, für Italien 0,5 Prozent und für Spanien 0,25 Prozent. Einige Länder der Eurozone ergreifen Maßnahmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Da die Inflation in der Eurozone aber so niedrig ist, bleibt dies ein schmerzvoller Prozess. Spanien weist zwar eine alarmierend niedrige Inflation auf, doch die Wirtschaft macht wenigstens in Sachen Wachstum Fortschritte. Dagegen bleibt die italienische Wirtschaft, der es nicht gelingt, Wachstum zu erzielen, kurz- und langfristig das Sorgenkind.