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EZB-Ausblick Anleihenkäufe durch die Notenbank: Der Teufel steckt im (QE)-Detail

Andrew Bosomworth, Leiter Portfoliomanagement bei Pimco
Andrew Bosomworth, Leiter Portfoliomanagement bei Pimco
Wenn der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), das oberste Beschlussorgan der EZB, morgen zu seiner Sitzung zusammenkommt, wird es um eine einzige zentrale Frage gehen: Wie werden die Details aussehen, wenn das „Quantitative Easing“ (QE) genannte Anleihenkaufprogramm demnächst umgesetzt wird? Das „ob“ und „wann“ steht schon gar nicht mehr zur Debatte.

Sogar Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel scheint einzulenken. Beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse am vergangenen Montag hatte sie das in Anwesenheit von EZB-Präsident Mario Draghi schon angedeutet. Wörtlich sagte sie dort: „Es muss verhindert werden, dass durch das Handeln der EZB der Druck auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit nachlässt.“ Also „ja“ zu dem Programm der EZB, sofern die Staaten weiter zu Reformeifer angehalten bleiben.

Unser Basis-Szenario ist weitgehend deckungsgleich mit den Markterwartungen (siehe Grafik).



Wir gehen davon aus, dass die EZB ein Aufkaufprogramm für Anleihen mit einem Volumen zwischen 500 und 1.000 Milliarden Euro auflegen wird. Es dürfte sich auf Staatsanleihen konzentrieren, bei der Verteilung wird der Kapital-Schlüssel der EZB als Richtwert dienen, und es wird voraussichtlich die ein oder andere Form eines Risikoausgleichs geben – für den Fall, dass die erworbenen Anleihen Verluste produzieren oder total ausfallen.

Wir erwarten, dass QE ähnliche Effekte auf die Eurozone haben wird wie es andere QE-Programme anderer Zentralbanken in der Vergangenheit hatten. Am wichtigsten dabei: Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft werden davon abhängen, wie die Regierungen der Eurozone reagieren und antworten. Indem die Kapital-Kosten für Investitionen gesenkt werden, kann QE die Regierungen der Eurozone in ihrem Bestreben unterstützen, das Wachstum anzukurbeln – zum Beispiel durch wachstumsfördernde Reformen oder Investitionen in produktive Infrastruktureinrichtungen.

Reaktion des Marktes

Indem neu geschaffene Mindestreserven gegen Staatsanleihen eingetauscht werden, wird QE die Risiko-Prämien anderer Asset-Klassen und Finanzinstrumente wie Hypothekendarlehen, Unternehmensanleihen und Aktien schrumpfen und gleichzeitig den Außenwert des Euros sinken lassen. Viele dieser finanziellen Effekte dürften jedoch schon eingepreist sein. Die Reaktion des Marktes wird deshalb höchstwahrscheinlich davon abhängen, wie die drei voneinander abhängigen Stellschrauben des QE bedient werden: Namentlich sind das Risikoausgleich, Volumen und Aufteilungs-Schlüssel.

Das Risiko, das sich aus umfänglichen Aufkäufen von Staatsanleihen durch die EZB für die Steuerzahler in der Eurozone ergibt, ist vergleichbar mit der Emission eines sehr großen Eurobonds durch mehrere Mitgliedsstaaten der Eurozone mit folglich auch mehrschichtigen Verbindlichkeiten. Weil es aber unter den Mitgliedern der Eurozone keinen Konsens über die Ausgabe von Eurobonds gibt, betonen Kritiker der EZB, dass QE gleichbedeutend ist mit der Ausgabe von Eurobonds – quasi durch die Hintertür – und durch eine nicht von den EU-Bürgern gewählte Behörde – und deshalb eben falsch sei.

Das Problem dabei: Wie sollen etwaige Verluste aufgeteilt werden, die sich aus den geldpolitischen Operationen der EZB ergeben könnten? Deshalb werden derzeit drei Optionen diskutiert: ein vollständiger, teilweiser oder eben gar nicht stattfindender Risikoausgleich unter den Notenbanken (NZB) im Falle eventueller Verluste aus den unter QE erworbenen Anleihen. Findet gar kein Risikoausgleich statt, bedeutet das folgendes: Wenn Regierung A zahlungsunfähig ist, dann muss auch ausschließlich die NZB von Land A die Verluste tragen.

Grenzen der Geldpolitik

Bei einem vollständigen Risikoausgleich hingegen würden die Verluste entsprechend dem Kapital-Schlüssel aufgeteilt. Nimmt man das wörtlich, dann könnte die Option ohne Risikoausgleich die Effizienz von QE verringern, weil sie ein Signal der Uneinigkeit aussendet. Die Botschaft würde lauten: Es gibt eine Grenze für das, was die Geldpolitik in einer Währungsunion zu leisten imstande ist.

Allerdings gibt es Gründe zur Annahme, dass diese Bedenken überzogen sind.
  •  Rückt EZB-Präsident Draghi vom vollen Risikoausgleich ab, könnte er dafür im Gegenzug möglicherweise einiges an Zugeständnissen erwarten. Zum Beispiel wäre die öffentliche Zustimmung zur EZB-Politik von allen Regierungen der Eurozonen-Mitglieder besser gewährleistet.
  •  Ein anderer Vorteil: EZB-Ratsmitglieder, die QE skeptisch gegenüberstehen, könnten eher gewillt sein, größere Anleihen-Volumina zu erwerben, wenn die Risiken begrenzt sind. Wir schätzen, dass 700 bis 800 Milliarden Euro an Aufkäufen notwendig sind, um die EZB-Bilanz auf drei Billionen Euro auszuweiten. Hat nämlich dieser Prozess einmal begonnen, dann wird QE die Nachfrage nach Reserven via die existierenden Rückkauf-Fazilitäten begrenzen.
  • Ein drittes Spezifikum des Risikoausgleichs könnte der größere Spielraum bei der Aufteilung der Anleihen-Käufe sein. Es ist zum Beispiel wenig sinnvoll, deutsche Staatsanleihen zu erwerben, wenn die Renditen dieser Papiere mit Laufzeiten bis fünf Jahren bereits negativ sind.
  • Das vierte Charakteristikum des Risikoausgleichs ist möglicherweise jenes, auf das es wirklich ankommt. Es geht dabei um eine Frage, die EZB-Präsident Draghi hoffentlich bei der für Donnerstag anberaumten Pressekonferenz aufklären wird. Sie lautet: Bezieht sich der „Risikoausgleich” lediglich auf die Haben-Seite der Bilanz einer nationalen Zentralbank? Oder bezieht sich dieser auch auf die Verbindlichkeiten? Mit anderen Worten: Sind Euro-System-Reserven über Staatsgrenzen hinweg fungibel?
Begrenzter Risikoausgleich? Bezieht sich die Option des vollen Risikoausgleichs nur auf die Aktiva in der Bilanz, dann ist das ganze Thema nur so eine Art Ablenkungsmanöver. Ist es anders gemeint, dann stellt das unserer Meinung nach jedoch durchaus ein Problem dar. Wenn nämlich der Risikoausgleich die Aktiva und die Passiva einer nationalen Notenbank-Bilanz umfasst, wie zum Beispiel Ansprüche von Geschäftsbanken auf Euro-Reserven, dann hat ein Euro im Land A nicht denselben Wert wie ein Euro im Land B. Sollten die Euro-Reserven-Verbindlichkeiten der nationalen Notenbanken nicht über Grenzen hinweg fungibel sein, dann würde das die Fragmentierung befeuern und das gesamte QE-Programm potenziell gegenstandslos machen.

Es würde außerdem der Eindruck erweckt, dass „die Definition und die Leitlinien einer gemeinsamen Währungs- und Wechselkurspolitik“ für die Eurozone – vereinbart in Artikel 119 des Vertrages über die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union (der Vertrag) – hierzu im Widerspruch stehen. Wir glauben deshalb, dass die EZB – sollte sie sich für eine Begrenzung des Risikoausgleichs entscheiden – diesen nur für die Aktiva der NZBs einführen wird, nicht jedoch für deren reservepflichtige Verbindlichkeiten. Das folgende hypothetische Beispiel soll das verdeutlichen.

Angenommen, die EZB begrenzt die potenziellen Ausfall-Verluste der Staatsanleihen, die sie aufkauft in einer Weise, dass jede NZB nur die Risiken ihrer eigenen Nation trägt – also die Option ohne Risikoausgleich. Nehmen wir weiter an, dass die NZB in Land A die Staatsanleihen dieses Landes A von Banken aufkauft, die ebenfalls in Land A registriert sind. Die NZB von A besitzt nun die Anleihen des Staates A und die Banken in Land A besitzen eine Forderung in Euros gegen die NZB von A, die Reserve genannt wird. Zuletzt nehmen wir noch an, dass die Regierung von A die Zahlungsunfähigkeit verkünden muss, was dazu führt, dass die NZB von A nicht mehr in der Lage ist, ihre Reserve-Verbindlichkeiten gegenüber den Banken von A zu bedienen.

Folgen bewusst machen


Ignorieren wir zudem für einen Moment, das Zentralbanken auch mit negativem Eigenkapital operieren können. Zumindest so lange, wie die Banken des Landes A ihre Forderungen gegen den Rest des Eurosystems – die anderen NZBs und die EZB selbst – durchsetzen können. Solange Euro-Reserven also über die Staatsgrenzen hinweg innerhalb der Eurozone fungibel sind, vermögen auch die Banken des Landes A zahlungsfähig zu bleiben. Sind die Reserven hingegen nicht über die Grenzen hinweg fungibel, dann könnte die Zahlungsunfähigkeit der Regierung des Landes A eine Kettenreaktion von Banken-Pleiten in der gesamten Eurozone auslösen. Die im Vertrag festgeschriebene „einheitliche“ Währungspolitik bestimmt aber, dass ein Euro, der sich im Eigentum eines Eurosystems eines Landes befindet, exakt der gleiche wie in einem anderen Land ist. TARGET2-Bestände werden zum Beispiel so behandelt.

Deshalb sollten sich morgen all jene, die den Risikoausgleich begrenzen wollen, der unbeabsichtigten Folgen ihrer Wünsche bewusst sein. Und Anleger sollten darauf achten, wo genau der Teufel im (QE)-Detail steckt.

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