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Aktualisiert am 27.01.2020 - 11:42 Uhrin FondsLesedauer: 4 Minuten

Portrait: Ein Hamburger Jung

Yasin Qureshi
Yasin Qureshi, Varengold

Die entscheidende Schlacht verliert das Piratenschiff von Playmobil vor 24 Jahren. Yasin Sebastian Qureshi bekommt 1984, mit elf Jahren, einen Commodore 64. Der Computer, kurz C 64 oder des Aussehens wegen „der Brotkasten“, ist das Hightech-Spielzeug der 80er Jahre. Er bereitet Millionen von Kindern auf die digitalen Dekaden vor, und für Qureshi ist der PC der Beginn einer Leidenschaft und die Basis seiner Karriere. Qureshi ist der jüngste Gründer einer deutschen Bank. Mit nur 25 Jahren erhält er 1998 eine Banklizenz. Heute ist er Vorstand der Varengold Bank, leitet einen der erfolgreichsten Hedge-Dachfonds, den es auf dem deutschen Markt gibt, und ist besessen von Zahlen: „Sie sind ein Versuch, die erheblich komplexere Realität zu verstehen.“ Qureshi ist ein typischer Hamburger Jung. Bei einem Treffen in einem italienischen Bistro am Hamburger Hafen fehlt ihm jede Attitüde eines arrivierten Hedge-Fonds-Managers oder klassischen Bankers. Er ist schlaksig, groß, schüchtern und verschmitzt, ein norddeutscher Michel mit indischen Wurzeln. Ein paar Stockwerke höher, im lichtdurchfluteten Büro der Bank, werden Handelshistorien einzelner Fonds, die als Investment für den Hedge-Dachfonds infrage kommen, überprüft. Rückrechnungen von Einzeltransaktionen können schnell zum Problemwerden. Das Kalkulationsprogramm Excel lässt nur rund 65.500 Datenzeilen zu. Ein Ärgernis für die diplomierten Zahlenfresser. „Der Herr Diehl, der kann sich da schon mal mächtig aufregen“, sagt Qureshi. Der Herr Diehl, Leiter des quantitativen Portfoliomanagements, isst gerade eine zweite Vorspeise und lächelt. Während sich die Mitarbeiter untereinander duzen, schätzt die Führungsebene „das professionelle hanseatische Sie“. „Menschliche Psyche ist nicht rational“ Qureshi ist ein Kind der Achtziger, Jahrgang 73 – indischer Vater, daher Yasin, deutsche Mutter, daher Sebastian. Er wächst in Hamburg-Barmbek auf. Barmbek ist nicht der feine Salon der Hansestadt, eher der aufgeräumte Werkraum; ein ehrliches Viertel, viel Backstein, viele Arbeiter – und ganz viel HSV: „Da bin ich undiplomatisch, hart und direkt.“ Am Commodore wird er 1984 zum Eroberer von Basic, Bits und Bytes, und Piratenschiffe legen nur noch virtuell in den Spieleklassikern „Hanse“ und „Kaiser“ ab. Er ist ein erster Nerd im Zeitalter der Datasette und liebt das Programmieren, die Formeln und entdeckt als Teenager den Terminmarkt. Die selbst geschriebenen PC-Programme lassen die künstliche Computerintelligenz handeln: „Die menschliche Psyche ist zum rationalen Handeln auf den Finanzmärkten nicht imstande“, sagt Qureshi. Nach dem Abitur beginnt er 1992 ein BWL-Studium in Hamburg. Diese „Orientierungsphase“ endet 1994. Qureshi: „Die Praxis ist das einzig lohnende Studium.“ Es folgen Praktika bei unterschiedlichen Brokern, und Qureshi findet in der Finanzwelt die Weiterentwicklung der Jugendzimmer- Analysen: Managed-Futures-Strategien. Nach dem Besuch der Hamburger „Privatakademie für Wirtschaftsseminare“ verabschiedet er sich endgültig und ohne Abschluss aus dem Akademikeralltag. Am 10. Juli 1995, mit 22 Jahren, gründet er zusammen mit Steffen Fix die Varengold Vermittlungs- und Handelsgesellschaft als GmbH. Sie wollen Investoren Termingeschäfte und Managed Futures näher bringen, und auf einer Internetplattformsollen die Aktivitäten und Strategien der weltweit besten professionellen Trader veröffentlicht werden. Doch es wird ein Start mit Hindernissen: Kapitalgeber halten sich zurück, der Businessplan kommt bei Banken nicht an. „Wir haben einen Konsumentenkredit für eine neue Küche vorgegaukelt, nur um an Startkapital zu kommen“, sagt Qureshi. 10.000 Mark bringt die Notlüge. Damals arbeitet der junge Firmengründer wie besessen: analysiert, programmiert, kauft und verkauft. 1998 kommt der Absturz: verschleppte Lungenentzündung, Notarzt. „Ich habe von 8 Uhr morgens bis zur Schließung der US-Märkte gehandelt und anschließend das Geschehen nachbereitet.“ Zwischen Portfoliomanagement und Playmobil Im gleichen Jahr erhält Varengold die Kreditinstitutserlaubnis der Aufsichtsbehörde. 2003 erfolgt die erweiterte Erlaubnis als Wertpapierhandelsbank. Varengold ist nun eine Investmentbank, verwaltet Portfolios institutioneller Kunden und ist im Fondsmanagement aktiv. Über 200 Manager besuchen Qureshi und sein Team im Jahr. „Von Baseballkappen tragenden Mathe-Junkies im Hinterhofbüro bis hin zu Managern von Tradingbüros, auf deren Rechner die Nasa neidisch sein kann.“ Doch in der Welt des großen Geldes kann es auch kleinkariert zugehen: Heute sind zwei Mitarbeiter abgestellt, um Daten und Transaktionen an die Finanzaufsichtsbehörde zu melden; ein Korsett, findet Qureshi: „Würde ich die hanseatischen Tugenden nicht so schätzen und wäre Hamburg nicht die schönste Stadt der Welt, ich hätte das Geschäft gerne schon oft woandershin verlagert.“ Doch die restriktiven Kontrollen hatten in der Vergangenheit auch Vorteile: Durch strenge Eigenkapitalrichtlinien behielt die Bank besonders um die Jahrtausendwende, in den Wirren des Start-up-Wahnsinns  Bodenhaftung und rutschte nicht ins Zockermilieu. Nach zwei Stunden ist das Mittagessen zu Ende, bis zum Abend wird Qureshi noch einige Managed-Futures-Transaktionen auf ihre Validität überprüfen, dazu Wahrscheinlichkeitsrechnung und ein paar Analysen. Und auch zu Hause wird weiter gespielt: dann wieder Playmobil mit dem Sohn.

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