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Pro & Contra Aktien Europa: Tanker im sicheren Hafen oder Schlauchboot auf hoher See?

Philippe Lecoq, Manager des Edmond de Rothschild Europe Value & Yield (links), argumentiert gegen Carsten Vennemann, Manager des Multi-Asset Global 5
Philippe Lecoq, Manager des Edmond de Rothschild Europe Value & Yield (links), argumentiert gegen Carsten Vennemann, Manager des Multi-Asset Global 5

Der Brexit als Anfang vom Ende der Europäischen Union und des Euro? Ende Juni machten derartige Stimmen rasch die Runde. Das so nicht erwartete Abstimmungsergebnis sorgte für viel Wirbel an den Börsen, obwohl sich doch eigentlich jeder Marktteilnehmer schon Monate vorher mit möglichen Folgen eines Austritts Großbritanniens aus der EU gedanklich beschäftigt hat.

Natürlich wird im ersten Schockzustand gerne die eine oder andere Weltuntergangstheorie heraufbeschworen. Wie so oft relativieren sich dann aber mit etwas Abstand die Ereignisse. So auch im Falle des Brexit. Die konjunkturellen Frühindikatoren, die den Zeitraum nach dem Referendum abdecken, scheinen diese Gelassenheit zu bestätigen. Per Saldo hat sich das Geschäftsklima in der Eurozone kaum verändert.

Auch die Finanzmärkte sind schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen. Die meisten globalen Aktienindizes notieren aktuell auf höherem Niveau als vor dem Votum. So ist das europäische Börsenbarometer Euro Stoxx 50 seit dem steilen Absturz am 24. Juni bereits wieder um zeitweise über 10 Prozent nach oben geklettert. Während von den Aktienkursen also Entwarnung kommt, stehen die Zeichen bei Betrachtung der Absatzzahlen schon eher auf Sturm.

Das Brexit-Referendum hat dazu geführt, dass europäische Anleger massenweise aus Aktienfonds flüchten. Statistiken von Morningstar offenbaren, dass sie im Juni Anteilscheine im Wert von 21,3 Milliarden Euro zurückgegeben haben. Eine ähnlich massive Fluchtbewegung hatte es zuletzt auf dem Höhepunkt der Euro-Krise im Herbst 2011 gegeben.

Die größte Flucht findet bei europäischen Standardwerte-Aktienfonds statt, aus denen nach Angaben von Morningstar seit Jahresanfang bereits mehr als 8 Milliarden Euro abgezogen wurden. Viele Anleger greifen stattdessen lieber zu Schwellenländerfonds, die zuvor jahrelang weg vom Investoren-Fenster waren.

Brexit hin oder her – Fakt ist, dass die Konjunktur in Europa in weiten Teilen Anlass zum Optimismus geben kann. Wobei Großbritannien sicherlich als Sonderfall betrachtet werden muss und es durchaus wahrscheinlich ist, dass die Wirtschaft auf der Insel in eine Rezession rutscht. Darüber, inwieweit das britische Goodbye für den Rest Europas beziehungsweise die Eurozone wirtschaftliche Folgen haben wird, lässt sich derzeit nur spekulieren.

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Obwohl Großbritannien für fast ein Fünftel des aktuellen Handels- und Dienstleistungsvolumens in der EU steht, vermuten viele Experten aber keine größeren negativen Auswirkungen. Für Kontinentaleuropa bleiben aber trotzdem genügend Baustellen übrig, die für die Aktienmärkte Gefahrenpotenziale darstellen. Allen voran die Unruhen in der Türkei und deren wackeliges Flüchtlingsabkommen mit der EU sowie die erneute Bankenkrise in Italien.

So ist es auch der Bankensektor, der nach Ansicht von Carsten Vennemann das größte Hindernis für einen nachhaltigen Konjunkturaufschwung in Europa darstellt. Auch aufgrund der vielfach hinter den Erwartungen zurück bleibenden Umsatzentwicklung in der Industrie sieht der Manager des Multi-Asset Global 5 kurzfristig kaum Impulse für die Wirtschaft und die Aktienmärkte in Europa.

Anders Philippe Lecoq – der Manager des Edmond de Rothschild Europe Value & Yield schaut lieber auf die positiven Aspekte. Zum Beispiel auf die Tatsache, dass der Bankensektor wieder verstärkt die Nachfrage nach Krediten bedient und tiefgreifende Reformen in der Finanzbranche erfolgreich umgesetzt werden konnten. Sein Credo: Wer selektiv vorgeht, kann auch künftig mit europäischen Titeln aussichtsreicher Branchen Kursgewinne verbuchen.

Quelle: Bloomberg, Stichtag: 4. Oktober 2016

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