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Pro & Contra Britische Staatsanleihen: Für Witwen und Waisen oder Zockerpapiere?

Tim Haywood, Manager des JB Absolute Return Bond Fund, argumentiert gegen Regina Borromeo, Managerin des Legg Mason Brandywine Global Income Optimiser
Tim Haywood, Manager des JB Absolute Return Bond Fund, argumentiert gegen Regina Borromeo, Managerin des Legg Mason Brandywine Global Income Optimiser

„Ich habe den Sachsen das Angeln beigebracht, seitdem heißen sie Angelsachsen“, lautet ein berühmtes Filmzitat aus der Kult-Komödie Die Ritter der Kokosnuss. Unter anderem mit solchen Absurditäten verhalf die Komiker-Truppe Monty Python dem britischen Humor in den 70er Jahren zu Weltruhm.

Weniger absurd erscheint hingegen, dass die Bank of England ihren Geschäftsbanken nach wie vor einen – wenn auch sehr geringen – Schlüsselzins für die Versorgung mit Notenbankgeld zahlt. Als Reaktion auf das Brexit-Votum haben die Währungshüter in London mit der Senkung des Basiszinses im August auf 0,25 Prozent dennoch einen historischen Tiefstand hergestellt. Mehr schwarzer Humor kommt aus Frankfurt: Dort hat die Europäische Zentralbank (EZB) bereits im März den Leitzins im Euroraum abgeschafft und damit das Ende der Kapitalmarktverzinsung eingeläutet.

Und auch bei den quantitativen Maßnahmen wie dem Aufkauf von Staatsanleihen sind Mario Draghi und seine Kollegen den Briten um Einiges voraus. Für 80 Milliarden Euro kauft die EZB jeden Monat Staats- und Unternehmensanleihen. Da wirken die 60 Milliarden Pfund, die die Bank of England seit August für sechs Monate in den Ankauf von britischen Staatspapieren investiert, schon fast wie ein Klacks. Die gewünschte Wirkung, Kreditvergabe und Inflation und damit auch die Konjunktur anzuheizen, hat die ultralockere Geldpolitik dies- und jenseits des Ärmelkanals bislang aber noch nicht erzielt.

Für Anleger bedeutet die auf den Kopf gestellte Finanzwelt vor allem eines: Sie müssen sich an ein Leben ohne Zins gewöhnen und daran, mitunter sogar draufzuzahlen, wenn sie dem Staat Geld leihen. Zumindest, wenn sie staatliche Rentenpapiere bis zum Laufzeitende halten. In der Eurozone liegen bereits über die Hälfte der Renditen unter der Nullmarke. Und bei Bundesanleihen müssen Investoren jetzt schon ihr Geld in Laufzeiten von über 15 Jahren anlegen, um überhaupt etwas zu verdienen.

Ganz so trostlos sieht es hingegen am britischen Anleihemarkt noch nicht aus. Dort fielen die Renditen langfristiger Staatsanleihen, der sogenannten Gilts, nach dem Brexit-Votum zwar auf neue Rekordtiefstände von 0,5 Prozent bei zehnjährigen sowie 1,2 Prozent bei 30-jährigen Papieren. Zwischenzeitlich konnten sie aber wieder Boden gut machen. Aktuell rentieren Zehn-Jahres-Gilts bei etwa einem Prozent sowie 30-Jahres-Gilts bei 1,7 Prozent.

Sollte sich der aktuelle Renditeanstieg fortsetzen, müssen sich Anleger auf weitere Kursverluste einstellen, denn der Kurs einer Anleihe entwickelt sich in der Regel gegenläufig zu ihrer Rendite. Dennoch werden wohl vor allem Privatanleger an Staatsanleihen als vermeintlich sichere Häfen festhalten. Und auch die Notenbanken stehen grundsätzlich weiter als Käufer parat. Während im Euroraum bereits vieles auf eine Austrocknung des Anleihemarktes hindeutet, scheint es auf der britischen Insel noch nicht so weit zu sein.

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So schaut Regina Borromeo optimistisch auf die weitere Kursentwicklung bei Gilts – insbesondere kurzfristig aufgrund des Anleihe-Kaufprogramms der britischen Notenbank. Überhaupt greift die Managerin des Legg Mason Brandywine Global Income Optimiser aus Absicherungszwecken im Bereich riskanterer Rentensegmente derzeit gerne zu britischen Staatsanleihen.

Tim Haywood, Manager des JB Absolute Return Bond Fund; sieht mit Blick auf das Interesse an Gilts eher dunklere Wolken am Horizont. Denn die Rating-Herabstufungen und die Schwächung des Pfund Sterling im Zuge des beschlossenen Brexits könnte dem GAM-Manager zufolge insbesondere die zukünftige Nachfrage ausländischer Investoren drücken. Außerdem biete die Inflationsentwicklung Überraschungspotenzial und zwinge die Notenbanken möglicherweise zu einer Reduzierung ihrer quantitativen Maßnahmen.

Quelle: Bloomberg, Stichtag: 9. November 2016

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