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Pro & Contra Euro-Unternehmensanleihen: Strohhalm in der Zinsdürre oder Risiko-Cocktail mit Suchtfaktor?

Marie-Anne Allier, Managerin des Amundi Bond Euro Aggregate (links), argumentiert gegen Jorgen Kjaersgaard, Manager des AB European Income Portfolio
Marie-Anne Allier, Managerin des Amundi Bond Euro Aggregate (links), argumentiert gegen Jorgen Kjaersgaard, Manager des AB European Income Portfolio

Mario Draghi rudert zurück. Am 8. Dezember 2016 kündigte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) an, den Umfang der monatlichen Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen ab März 2017 von 80 auf 60 Milliarden Euro zu reduzieren. Wenngleich es sich dabei offiziell noch nicht um ein Tapering handeln soll, ist eine Richtungsänderung in der Geldpolitik der EZB dennoch bereits erkennbar.

Dabei stehen Unternehmensanleihen noch gar nicht so lange auf der Einkaufsliste der Frankfurter Währungshüter. Erst im März 2016 erweiterten sie das Anleihekaufprogramm im Rahmen der quantitativen Lockerung um Unternehmensanleihen, während zuvor ausschließlich Anleihen staatlicher Emittenten erworben wurden.

Unternehmensanleihen für über 50 Milliarden Euro sind von Mitte bis Ende vergangenen Jahres in die Bücher der EZB gewandert. Hinzu kamen nicht nur über 6 Milliarden Euro, die private und institutionelle Anleger im Jahr 2016 über ETFs in Unternehmensanleihen investierten, sondern auch die Käufe im Rahmen von aktiv gemanagten Fonds und Vermögensverwaltungsmandaten.

Mit seinem Vorhaben, die Kapitalmarktzinsen weiter nach unten zu drücken, um europäischen Unternehmen die Finanzierung zu erleichtern und damit der Wirtschaft zusätzliche Impulse zu verleihen, hatte Draghi zunächst Erfolg. Mit den merklich gesunkenen Renditen am Anleihemarkt fielen auch die Marktzinsen. Die hohe Nachfrage führte allerdings dazu, dass im Herbst vergangenen Jahres bereits jede fünfte von der EZB erworbene Euro-Unternehmensanleihe eine negative Rendite auswies.

Im extrem niedrigen Zinsumfeld schafften als äußerst stabil eingestufte europäische Großkonzerne wie Henkel oder Sanofi sogar das bis dahin Unvorstellbare, nämlich die Platzierung von neuen Anleihen zu einem negativen Emissionszins. Das heißt, Anleger, die diese Anleihen bei der Erstausgabe zeichneten und bis zur Endfälligkeit halten, zahlen dem Unternehmen für das geliehene Geld definitiv noch etwas drauf.

Alles in allem konnten Anleger 2016 aber mit Firmenbonds aus der Eurozone stattliche Erträge einfahren. Unternehmensanleihen mit einem Investment-Grade-Rating brachten dank der erzielten Kursgewinne im Schnitt 5 Prozent, während die risikoreicheren Hochzinsleihen von Emittenten mit einer schlechteren Bonitätseinstufung sogar durchschnittlich um die 9 Prozent brachten.

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Die Ungewissheit über den weiteren zinspolitischen Kurs der US-Notenbank Fed läutete im Spätsommer 2016 allerdings ein vorläufiges Ende des Höhenfluges an den Rentenmärkten ein. In den darauffolgenden Wochen kletterten die Renditen in den meisten Rentensegmenten merklich, was für Anleger gleichzeitig Kursverluste bedeutete. So mancher Experte wertet dies als ein gesundes Zeichen – auch für die weitere Entwicklung von Euro-Unternehmensanleihen.

Da die EZB an ihrer lockeren Grundausrichtung vorerst wohl wenig ändern wird, heißt das auch, dass sie weiter Corporates kaufen wird. Marie-Anne Allier, Managerin des Amundi Bond Euro Aggregate, glaubt zudem, dass die bereits von der EZB erworbenen Papiere bei einer Anpassung der Geldpolitik durch diese nicht sofort wieder in den Markt geworfen werden. Bei der Abwägung von Chancen und Risiken kommt sie zu dem Schluss, dass Firmenbonds der Eurozone vorerst eine unverzichtbare Alternative bei der Suche nach Rendite bleiben werden.

Grundsätzlich positiv Euro-Unternehmensanleihen gegenüber eingestellt ist auch Jorgen Kjaersgaard, Manager des AB European Income Portfolio. Kritisch sieht er allerdings die Auswirkungen, die entstehen können, wenn Anleger bei der Renditejagd zu hohe Risiken eingehen oder sich umgekehrt gänzlich vom Anlagemarkt fernhalten. Die Gefahren im Markt für Unternehmensanleihen lassen sich dem Manager zufolge aber in den Griff bekommen, wenn flexiblere Ansätze zum Einsatz kommen und damit Chancen und Risiken zum Ausgleich bringen.

Quelle: Bloomberg, Stichtag: 1. Februar 2017

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