LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in GarantiefondsLesedauer: 9 Minuten

Pro & Contra Aktien Großbritannien: Verblasste Kronjuwelen oder bald keinen Penny mehr wert?

Seite 2 / 3




Luca Simoncelli, Manager des Uni-Global Cross Asset Navigator


Für viele Anleger galt Großbritannien lange Jahre als sichere Bank. Das Vereinigte Königreich steht für Marktwirtschaft und Freihandel, für hohe Rechtsicherheit und ein vergleichsweise transparentes Steuersystem. Dazu kommen noch die wachsende Bevölkerungszahl und die grundsätzlich optimistische Grundeinstellung der Briten. Insgesamt also gute Voraussetzungen für ein Aktien-Investment.

Auch aktuell schlägt sich die britische Wirtschaft mehr als gut. Kaum ein anderes Land in der Eurozone wächst so stabil wie Großbritannien: Nach Angaben des britischen Statistikamtes stieg das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2015 um 2,3 Prozent, nach 2,9 Prozent in 2014 und 2,2 Prozent Wachstum in 2013. Für das laufende und das nächste Jahr erwarten die Experten der britischen Handelskammer BCC je eine Steigerung von 2,6 Prozent. Zum Vergleich: Für Deutschland erwartet der Internationale Währungsfonds deutlich geringere Steigerungsraten von jeweils 1,7 Prozent in den Jahren 2016 und 2017.

In kaum einem anderen Land der Welt ist es für Unternehmen so einfach, ihren Geschäften nachzugehen wie in Großbritannien. Im aktuellen Doing Business Ranking 2016 liegt das Königreich auf Rang 6 – und damit noch vor den USA und den skandinavischen Ländern. Weitere Pluspunkte: Der Immobilienmarkt auf der Insel boomt, das Konsumklima ist gut und die Inflation weder zu hoch noch zu niedrig. Also: Deutliche bessere Aussichten als auf vielen anderen Märkten weltweit.

Zugegeben: Wer derzeit in britische Aktien investieren will, braucht schon ein bisschen Mut. Viele Anleger sind trotz der soliden Fundamentaldaten wenig zuversichtlich und begründen dies unter anderem mit dem drohenden Brexit. Am meisten steht dabei für Großbritannien selbst auf dem Spiel.

Grund dafür ist das sogenannte Twin Deficit. Hauptsächlich besteht dies aus dem Leistungsbilanzdefizit, das mit mehr als 5 Prozent der Wirtschaftsleitung sehr hoch ist. Da die Briten mehr Güter und Dienstleistungen importieren als sie exportieren, sind sie besonders auf das Vertrauen ausländischer Investoren angewiesen. Hinzu kommt noch das Haushaltsdefizit, das mit fast 4 Prozent der Wirtschaftsleistung ebenfalls deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegt.

An der Londoner Aktienbörse würden wohl eher die Nebenwerte unter einem Brexit leiden: Sie sind oft stärker vom Heimatmarkt abhängig als die Großkonzerne. Auch einige große Börsenwerte wären sicherlich betroffen. Grundsätzlich gilt jedoch: Je größer, desto besser – britische Unternehmen, die global breiter aufgestellt sind, bieten Anlegern auch weiterhin gute Chancen. Denn aktuellen Umfragen zufolge sinkt die Zahl der Brexit-Befürworter, während die Zahl derer, die in der EU bleiben wollen, steigt.

Nach unserer Einschätzung liegt die Wahrscheinlichkeit eines Austritts derzeit bei nur etwa 30 Prozent. Treten die Briten tatsächlich aus der EU aus, wäre mit einer Abwertung des Pfunds und deutlichen Kapitalabflüssen zu rechnen. Besonders belasten würde ein Brexit wahrscheinlich angelsächsische Finanzwerte. Gerade für den Finanzsektor bedeutet die britische EU-Mitgliedschaft viel. Neben New York ist die City of London wohl der derzeit wichtigste Finanzplatz weltweit.

Ein Rückzug der Finanzindustrie aus London wäre ein schwerer Schlag, denn Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister tragen rund 12 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung bei. Mit etwa 66 Milliarden Pfund im Jahr liefern sie mehr Steuern an den Staat als jede andere Branche auf der Insel. Es geht also um die Wurst.

So oder so – wir bei Unigestion bleiben pragmatisch. Im Hinblick auf die Interessen Großbritanniens macht es langfristig kaum einen Unterschied, ob das Land in der EU bleibt oder nicht. Sowohl Briten als auch Kontinentaleuropäer dürften darauf drängen, im Falle eines Brexit schnell neue Handelsabkommen zu vereinbaren.

Tipps der Redaktion