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Pro & Contra Börse China: Bulle mit Ausdauer oder Drache ohne Puste?

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Fabrice Jacob, Manager des LFP JKC Asia Value


Die Kombination aus starker Führung und einem politischen Ein-Parteien-System wird China dabei helfen, Probleme zu vermeiden, wie sie in Indien und Indonesien zu beobachten sind. In beiden Ländern tun sich erst kürzlich gewählte Regierungschefs schwer, ihre visionären Reformen umzusetzen.

China hat klar seinen Willen bekundet, den Renminbi zur fünften Währung im Programm für Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufsteigen zu lassen. Daran wird IWF-Chefin Christine Lagarde Bedingungen knüpfen, die Öffnung der Kapitalbilanz Chinas und eine uneingeschränkte Konvertierbarkeit der Währung betreffend. Seit Jahresbeginn gab es keine einzige Woche, in der nicht Finanzreformen angekündigt wurden. Sie alle haben ein einziges Ziel: ein offenes Finanzsystem.

Zu den Reformplänen gehören unter anderem die Einrichtung eines Einlagensicherungssystems, liberalisierte Zinssätze, Lizenzvergaben für das Einlagengeschäft an Nicht-Finanz-Internetfirmen, ein Programm der wechselseitigen Anerkennung von Investmentfonds zwischen Hongkong und Festlandchina sowie ein neuer Markt für Kommunalanleihen. Darüber hinaus wurde durch das Shanghai-Hong-Kong-Stock-Connect-Abkommen der Markt für A-Aktien für jedermann zugänglich.

Dies sind lediglich die markantesten aus einer langen Liste an Finanzreformen, die allesamt in den vergangenen sechs Monaten angekündigt wurden und damit die Aufmerksamkeit auf alle chinesischen Aktienmärkte legen. Sie machen heute ungefähr 18 Prozent der globalen Marktkapitalisierung aus. Das Handelsvolumen, das im April in Hongkong, Shanghai und Shenzhen umgesetzt wurde, belief sich auf das 3,6-fache des an der New York Stock Exchange und der Technologiebörse Nasdaq zusammen gehandelten Volumens.

Da ausländische Investoren den Kauf von A-Aktien bislang als zu hürdenreich empfunden haben, ist China in globalen Portfolios und Indizes stark untergewichtet. Das soll sich jedoch schnell ändern: FTSE Russell und MSCI arbeiten bereits an einer Aufnahme der A-Aktien in ihre Indizes. FTSE Russell hat gerade erst 5 Prozent der A-Aktien seinem Schwellenländerindex hinzugefügt – eine Vorgabe, der US-ETF-Riese Vanguard mit seinen Produkten gleich Folge leistete. Der Trend dürfte zügig weiter nach oben zeigen – so lange, bis China letztlich bis zu 50 Prozent an jedem beliebigen Schwellenländerindex ausmacht.

Die Öffnung der Leistungsbilanz Chinas bedeutet ebenfalls, dass die Festlands- und Offshore-Märkte, also das A- und H-Aktien-Segment, sich einander annähern und der Abschlag der zur Jahresmitte noch rund 30 Prozent niedriger gehandelten H-Aktien verschwinden wird.

Viele Investoren sorgen sich, dass diese Entwicklung den chinesischen Aktienmarkt unverhältnismäßig stark steigen lassen wird. Allerdings ist es wichtig, zwischen den Märkten zu unterscheiden, da ihre Wertentwicklung stark auseinander geht. Wir sprechen an diesem Punkt nicht mehr von einem einzigen chinesischen Markt, sondern von vier verschiedenen Märkten.

Der Markt für A-Aktien in Shanghai, der hauptsächlich von großen staatseigenen Unternehmen angetrieben wird, notiert bei einem diesjährigen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19, während der Technologie- und Mid-Cap-lastige Shenzhen-Markt bei einem KGV von 43 liegt. Der Chinext-Markt, der sich auf kleine Börsenneulinge mit kurzer Erfolgsbilanz konzentriert, notiert bei einem KGV von 56, was der Definition einer echten Blase schon sehr nahe kommt. Im Vergleich dazu haben H-Aktien lediglich ein KGV von 9. Diese Unterschiede finden selten Erwähnung, wenn es um den chinesischen Aktienmarkt geht. Das ist auch ein Grund, warum wir heute nach wie vor von sehr viel Aufwärtspotenzial auf dem Hongkong-Markt ausgehen.

Über die finanziellen Aspekte der zurzeit stattfindenden Reformen hinaus gibt es ein spürbares Gefühl von Optimismus im Land. Es wird durch die Dynamik der Wirtschaft unterstützt, die wiederum von einem starken Dienstleistungssektor herrührt. Selbstverständlich könnte China im weiteren Verlauf einige Rückschläge erleben – etwa, wenn der Renminbi doch nicht Teil des SDR-Programms des IWF werden sollte. Allerdings ist das von Präsident Xi Jinping gesetzte Ziel sehr klar und die Geschwindigkeit, mit der China darauf zusteuert, gigantisch.

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