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Rente und Rendite: Senioren gehen auf Risiko

Jürgen Herter
Jürgen Herter
Eine Frage, bei der immer ein Hauch von Gefahr mitschwingt: Welcher Risiko-Typ sind Sie? Was sich anhört, als ginge es auf eine Abenteuer-Safari, entpuppt sich als grundlegende Einschätzung am Beginn einer jeden seriösen Finanzplanung. Denn Risiko ist nicht gleich Risiko. Während der eine Anleger nur Unsicherheit und Verlust sieht, wittern andere die große Chance auf Gewinn. Das hat etwas mit der grundlegenden Reaktion jedes einzelnen Menschen auf Herausforderungen zu tun, und – so denken viele – mit seinem Alter.

Doch die finanzielle Risikobereitschaft privater Anleger nimmt mit fortschreitendem Alter nicht grundsätzlich ab. Bei einer repräsentativen Umfrage der Walser Privatbank und TNS Emnid schätzten 54 Prozent der Befragten zwischen 40 und 49 Jahren ihre eigene Risikobereitschaft als sehr niedrig oder niedrig ein. Bei den 50- bis 59-Jährigen waren es 57 Prozent.

Wer jetzt glaubt, ab der nächsten Altersdekade steige diese Zahl signifikant, irrt sich gewaltig. Bei den Anlegern über 60 Jahren beurteilen nur 52 Prozent ihre Risikobereitschaft als sehr niedrig oder niedrig. In dieser Altersgruppe nimmt der Anteil der durchschnittlich Risikobereiten dagegen zu. Ihre Werte liegen bei 42 Prozent, während es bei den Jüngeren nur 37 beziehungsweise 36 Prozent sind.

Lediglich hohe bis sehr hohe Risiken wollen die sogenannten Ü-60-Anleger kaum mehr eingehen. Hier sind zwei Prozent dazu bereit, in der Altersgruppe unter 50 Jahren sind es immerhin noch sechs Prozent.

Geburtsjahrgang ist kein sinnvolles Kriterium  


Das eindeutige Studienergebnis: Ältere Menschen wollen ihr Erspartes nicht grundsätzlich risikoärmer anlegen. Im Gegenteil. Doch in der gängigen Beratungspraxis wird Anlegern gerade wegen ihres Alters oft automatisch eine Umschichtung in risikoärmere Anlagen empfohlen. Eine Sackgasse, die Anlegern echte Chancen raubt. Wie bei jeder Finanzplanung gilt auch hier, dass Anlageziele und Anlagehorizont sowie die persönliche Risikoneigung die alles entscheidenden Kriterien sind.

Wer im Alter finanziell gut abgesichert ist, ist oftmals durchaus bereit, bei einem Teil des Vermögens vorübergehend größere Wertschwankungen in Kauf zu nehmen – unter der Voraussetzung, die Renditechancen sind entsprechend hoch. Allerdings kommt es für betagte Anleger nicht infrage, eine Baisse an der Börse einfach auszusitzen. Schließlich ist die Zeit für den geruhsamen Lebensabend begrenzt. So sollten Senioren beispielsweise mit Schiffsbeteiligungen in geschlossenen Fonds oder steueroptimierten Finanzprodukten vorsichtig sein.

Fehlende Planung


Noch einmal anders sieht es aus, wenn der Ruhestand vom erarbeiteten Kapital finanziert werden muss. Dann ist noch genauere Finanzplanung bereits ab Anfang/Mitte 50 geboten. Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen oft auseinander. Schon bei der Konzeption kümmern sich zu wenige rechtzeitig um Vermögensumschichtungen. Stattdessen haben sie im Lauf ihres Lebens Sparbriefe, Fondsbeteiligungen und Immobilien wahllos angesammelt. Fehlt am Ende der Durchblick, kann der Lebensabend leicht zur Finanzfalle werden. Da treffen Wertschwankungen aber vor dem Hintergrund der Euro- und Staatsschuldenkrise besonders schwer.

Die aktuell negative Realverzinsung bei festverzinslichen Wertpapieren zwingt Anleger, über eine breitere Vermögensstreuung nachzudenken und dabei auch in stärker schwankende Anlagen zu gehen. Häufig wird jedoch ihre Bereitschaft zu möglichen Verlusten, um Gewinne zu erwirtschaften, nicht richtig herausgearbeitet. Das kann beim langfristigen Vermögensaufbau fatale Folgen haben. Vor allem dann, wenn Kurse plötzlich einbrechen, Buchverluste entstehen und Anleger zum ungünstigsten Zeitpunkt aussteigen müssen.

Besser ist es, sich rechtzeitig von immobilen Wertgegenständen und für das Alter unsinnigen Finanzprodukten zu trennen und das Kapital in Anlagen zu investieren, die verzinst werden und regelmäßige Erträge abwerfen. Wer hier seine persönliche Risikoveranlagung genau kennt, ist bei der individuellen Planung und auch beim Gespräch mit dem Bankberater klar im Vorteil.


Zum Autor: Jürgen Herter ist Leiter Private Banking bei der Walser Privatbank. Sein Institut arbeitet mit dem „Finametrica-RiskProfiler“, einem Risiko-Einstufungsverfahren auf Basis wissenschaftlicher Studien.

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