Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers
Die neue Weltordnung 2.0
Robert Greil ist Chefstratege bei Merck Finck Privatbankiers. Foto: Merck Finck Privatbankiers
Amerika zieht sich zurück, Europa altert und China und Indien nutzen weiter die Gelegenheit, ihre wirtschaftliche Macht zu erweitern und größeren geopolitischen Einfluss auszuüben. Wie die neue Weltordnung 2.0 aussieht und welche Folgen sich für Märkte ergeben.
Im Jahr 2001, als der Begriff BRIC von einem Goldman-Sachs-Banker geprägt wurde, waren die Aussichten für Brasilien und Russland noch ähnlich günstig wie jetzt für Indien und China. Es hat sich aber gezeigt, dass die Mitgliedschaft in diesem Club keine Erfolgsgarantie ist. Brasiliens Wirtschaftswachstum lag im vergangenen Jahr bei lediglich 1 Prozent. Es war seit 2014 das erste Wachstumsjahr, während Russlands stark vom Energiesektor abhängige Volkswirtschaft unter den Ölpreisen, Sanktionen und einer Mischung aus Vetternwirtschaft und Korruption litt und immer noch leidet.
Globale Wirtschaftsmacht verlagert sich von West nach Ost
Das russische...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Im Jahr 2001, als der Begriff BRIC von einem Goldman-Sachs-Banker geprägt wurde, waren die Aussichten für Brasilien und Russland noch ähnlich günstig wie jetzt für Indien und China. Es hat sich aber gezeigt, dass die Mitgliedschaft in diesem Club keine Erfolgsgarantie ist. Brasiliens Wirtschaftswachstum lag im vergangenen Jahr bei lediglich 1 Prozent. Es war seit 2014 das erste Wachstumsjahr, während Russlands stark vom Energiesektor abhängige Volkswirtschaft unter den Ölpreisen, Sanktionen und einer Mischung aus Vetternwirtschaft und Korruption litt und immer noch leidet.
Globale Wirtschaftsmacht verlagert sich von West nach Ost
Das russische Bevölkerungswachstum beträgt nahezu null, und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung betragen nur ein Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Trotz aller Macht, die das Land durch sein eine Million Mann starkes Militär inklusive Atomwaffenarsenal und seinen konfrontationsfreudigen Präsidenten Wladimir Putin ausübt, muss sich Russland für das Zeitalter nach Öl und Gas neu erfinden. Anderenfalls läuft es Gefahr, obsolet zu werden.
Europa steht am Scheideweg. Der alte Kontinent muss mit dem Brexit und dem Verlust eines seiner größten Mitgliedsländer fertig werden. Dennoch sind seine Fundamentaldaten bei positiven Wachstumsperspektiven gut. Wenn es führenden Politikern wie Angela Merkel und Emmanuel Macron gelingt, Reformen durchzusetzen und die europäische Integration voranzutreiben und Italien den europäischen Weg weiter mit geht, wird das Vertrauen groß bleiben.
Großbritannien bereitet sich auf den Austritt aus der Europäischen Union vor und sieht sich einer Vielzahl neuer Handelsbarrieren gegenüber, die das Wachstum bremsen könnten. Auch die USA sind mit einer zunehmenden Zahl solcher Barrieren konfrontiert, die nahezu alle vom Land selbst errichtet wurden und werden. Die USA profitieren zwar zurzeit von Trumps Steuersenkungen, die den bereits sehr lange andauernden Zyklus des Wirtschaftswachstums verlängern. Aber dies geht auf Kosten einer steigenden Verschuldung.
Da sich das Leistungsbilanz- und das Haushaltsdefizit des Landes verschlechtern, müssen immer schneller noch mehr Staatsanleihen ausgegeben werden. Fast die Hälfte der US-Schuldtitel ist heute in der Hand ausländischer Anleger – allen voran in China und Japan. Werden solche Anleger weiterhin US-Anleihen horten, ohne zugleich von einem langfristig wohl schwächeren US-Dollar oder höheren Renditen zu profitieren? Dies bleibt abzuwarten, auch wenn die Trump-Regierung eine gewisse Bereitschaft signalisiert hat, eine schwächere Währung zu akzeptieren.
Die Märkte werden sich längerfristig an einen möglicherweise nicht mehr so starken US-Dollar oder höhere US-Zinsen anpassen, ebenso wie an die unaufhaltsame Verlagerung der globalen Wirtschaftsmacht von West nach Ost. Die Zusammensetzung von Anleihen- und Aktienindizes wird sich ebenfalls verändern – was Investoren zu einer drastischen Erweiterung ihrer Horizonte bei der Suche nach Anlagechancen zwingt, um von der neuen Weltordnung zu profitieren.
Genau hier treffen China und Donald Trumps „Make America Great Again“-Philosophie mit voller Wucht aufeinander. Wie immer dieser Kampf um die globale Technologieführerschaft ausgehen wird: Die Wirtschaftsmacht „Greater China“ oder China selbst werden weiter mächtig Gas geben. Dieser Aufstieg scheint auf Dauer kaum zu bremsen zu sein – wohl auch nicht durch Trumps „America First“-Politik.
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