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Robert Halver „Ultimative Erpressung für Export-Deutschland“

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Nachdem es von Amerika sitzengelassen wurde, könnte Europa zwar neue Freundschaftsanfragen stellen, z.B. an Russland. Doch die mehrjährig vom Westen verschmähte „Regionalmacht“ hat längst wieder an geostrategischer Statur gewonnen und ziert sich deutlich. Angesichts der Risse im transatlantischen Gebälk wird Stratege Putin eher versuchen, Europa noch mehr gegen die USA auszuspielen und auch umgekehrt. Denn ob Trump Putin mag oder nicht, ändert sich täglich wie das Stammessen in der Betriebskantine. Wie auch immer, Rache ist auch in Russland süß. Jetzt zahlen wir den Preis dafür, dass Berlin sein jahrzehntelang gutes Verhältnis mit Russland vernachlässigte.  

Als handelspolitische Alternative zu Amerika spricht zunächst viel für vertiefte Abkommen mit Kanada, Japan oder China. Doch mit knapp 40 Millionen Einwohnern ist Kanada kein adäquater Exportersatzmarkt für die USA mit gut 320. Japan ist auch Exportnation und wird es sich im Pazifikraum nicht mit den USA als Handelspartner und Militärbeistand verscherzen. Und für jede Handels-Gefälligkeit Chinas werden wir einen Kotau machen müssen. Nein, zurzeit hat die EU keine guten Handels-Karten.

Handelsprotektionismus ist die ultimative Erpressung für Export-Deutschland

Vor diesem Hintergrund ist Deutschlands dramatische Exportabhängigkeit gefährlich. Zu Beginn des Jahres machten Exporte annähernd 48 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung aus. In den USA sind es weniger als 20.

Deutschland ist von Importstaaten abhängig. Das ist Realität, keine Fake News. Massives Entgegenkommen auf diversen politischen Feldern könnte der deutsche Preis sein, damit man weiter bei uns einkauft. Ein nicht nur von Amerika betriebener Handelsprotektionismus könnte jederzeit eine deutsche Exportkrise einleiten. Export kann zukünftig immer weniger Deutschlands wirtschaftliche Sorgenpause sein. Zur Erinnerung, der letzte Exporteinbruch als Folge der Schuldenkrise hat die deutsche Wirtschaftsleistung schmelzen lassen wie Eis in der Sommersonne.

Export-Not sollte Berlin erfinderisch machen

Damit wird der Export immer weniger Deutschlands wirtschaftliche Sorgenpause sein. Berlin muss handeln. Der viel zu starke deutsche Außenbeitrag muss zunehmend zugunsten der Binnenkonjunktur korrigiert werden. Dazu sollte die Kaufkraft der Bevölkerung über Steuersenkungen erhöht werden. Nicht zuletzt muss der deutsche Industriestandort über bislang ausgebliebene Reformen so attraktiv gestaltet werden, dass (internationale) Unternehmen bei uns mehr investieren und damit hochwertige Arbeitsplätze schaffen. Die aktuell vielen prekären Beschäftigungsverhältnisse sind eben nur quantitativ schön. Damit würde sich der deutsche Handelsüberschuss verringern und unseren „Handelsgegnern“ die Munition ausgehen, gegen uns zu schießen. 

Angesichts sinkender Außenhandelsstimmung muss Berlin erkennen, dass wir aus dem langen Export-süßen Dornröschenschlaf wachgeküsst werden. Doch macht dies kein schmucker Prinz, sondern ein King of America mit stark handelsprotektionistischem Mundgeruch. Wagen wir endlich die wirtschaftliche Konterrevolution. Das nenne ich alternativlose Politik.

Autor Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in Frankfurt.

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