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in Emerging Markets AktienLesedauer: 10 Minuten

Roundtable Emerging Markets „Es muss Phasen zum Durchschnaufen geben“

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Röhrig: Das sehen wir genauso. Für uns ist das Herzstück die fundamentale Bewertung der Unternehmen, aber dann kommen die Qualität und die Corporate Governance als sehr wichtige Faktoren dazu. Wir fragen uns etwa: wie sind die Eigentumsverhältnisse in den Unternehmen, wie geht man mit Minderheitsaktionären um, wie ist die Transparenz, wie hoch ist vielleicht auch ein staatlicher Einfluss?

Thilo Wolf BNY
Thilo Wolf, BNY Mellon IM, 
Foto: Lutz Sternstein

Wolf: ESG ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema, doch neu ist es für uns nicht. Die Manager von unserer Global-Emerging-Markets-Aktien- als auch Anleihestrategien berücksichtigen schon seit langer Zeit so genannte ESG-Faktoren in ihrem Investmentprozess. Unsere Fondsboutique Newton ist in UK einer der Pioniere auf diesem Gebiet. Und ich glaube, dass in keiner anderen Anlageklasse ESG so wichtig ist wie im Bereich Emerging Markets. Mit einem ESG-Filter kommt man hier zu komplett anderen Investmentresultaten. Das liegt unter anderem an der Corporate Governance. Wir haben hier teilweise großen direkten oder indirekten staatlichen Einfluss, der nicht immer zum Wohle der Investoren ist.

Meyer: Wir bilden ESG-Faktoren seit Anfang der 2000er Jahre bei uns im Hause ab. Das gilt für die Aktien-, aber auch für die Anleiheseite. Für die Emerging Markets haben wir ein Modell weiterentwickelt, das wir bereits für die Industrieländer nutzen. Für die Industrieländer gehen wir dabei nach dem Best-in-Class-Ansatz vor. Bei den Emerging Markets ist die Welt vielschichtiger: Es gibt sehr junge Staaten, aber auch sehr reife, die in ihrer Entwicklung entsprechend weiter fortgeschritten sind. Es gibt arme Staaten, und es gibt wohlhabende Staaten wie Singapur oder Südkorea. Wir investieren nicht in Staaten, die autoritär oder nicht demokratisch geführt werden. Das heißt: China und Russland beispielsweise bleiben außen vor.

Herr Röhrig, wäre es für Sie vorstellbar, dass Sie auf chinesische Titel verzichten?

Uwe Röhrig UBS
Uwe Röhrig, UBS AM, 
Foto: Lutz Sternstein

Röhrig: Nein, wir legen kein Länder-Rating zugrunde, sondern uns kommt es auf die einzelnen Unternehmen an. Wir halten attraktive chinesische Unternehmen im Portfolio, um Chancen für Anleger wahrzunehmen – diese müssen aber auch eine gute Qualität und Corporate Governance haben. Zurzeit halten wir so auch drei russische Aktien, die gut in das Portfolio unseres Emerging-Markets-Flagship-Fonds passen.

Aber es geht um Einzelanalyse und Einzeltitelauswahl.

Wolf: Genau. Dies ist ein elementarer Bestandteil des Risikomanagements. Auf der Emerging-Markets-Debt-Seite hat man natürlich immer Angst vor dem Default einzelner Emittenten. Und die nächste Frage ist: Kommt es zum Default, wie hoch ist die Recovery Rate? Da gibt es Länder, die die Möglichkeit bieten, ähnlich wie Chapter 11 in den USA, also in eine geordnete Insolvenz mit Reorganisation zu gehen – mit der Chance, dass sich auch eine betroffene Anleihe irgendwann wieder erholt. Und es gibt andere Länder, die diese Möglichkeit nicht einräumen. So sollte man die Emerging Markets ganz unabhängig von der Asset-Klasse nicht mit einem passiven Instrument spielen. Die Schwellenländer sind die Domäne der Anbieter von aktiven Strategien: Hier haben sie die Möglichkeit, voll und ganz ihre Vorteile herauszustellen.

Martin Dilg AB
Martin Dilg, AB, Foto: Lutz Sternstein

Dilg: Das Ziel unseres Multi-Asset-Fonds ist, aktienähnliche Erträge erwirtschaften, aber mit nur zwei Dritteln der üblichen Volatilität. Das ist nur mit risikoadjustierten Bausteinen zu schaffen – und sicherlich nicht mit Indexinvestments.

Meyer: Wenn wir es genau bedenken, sollte der Privatanleger eigentlich langfristig risikotoleranter sein als der institutionelle Investor. Warum wählen viele Institutionelle nur Hard-Currency-Engagements im Bereich Emerging Markets? Weil sie diese vom Risikomanagement her besser steuern können als Lokalwährungsanleihen. Das geht aber auf Kosten der erzielbaren Rendite.