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Roundtable-Gespräch: „Wir brauchen nicht mehr nachhaltige Investments, sondern bessere"

Quelle: Getty Images
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„Die Branche der nachhaltigen Geldanlage ist zwar hierzulande endlich aus dem Dornröschenschlaf erwacht, zu ganz großen Sprüngen reicht das Interesse der Investoren aber immer noch nicht aus“, fasst Björn Drescher, Chef des Fondsdienstleisters Drescher & Cie., das Ergebnis des Roundtable-Gespräches auf dem diesjährigen Sustainability Congress zusammen.

Die Gesprächsrunde zeugte vom wachsenden Selbstbewusstsein einer Branche, die schon frühzeitig auf jene Herausforderungen hingewiesen hat, denen sich die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten stellen muss, und die sich mittlerweile vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse bestätigt sieht. Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang eine Wende in der Energiepolitik angesprochen, eine geringere Umweltbelastung  sowie die Wahrung des sozialen Friedens.

Dabei erfährt das Marktsegment in diesen Tagen einen jener Schübe, die typischerweise immer dann zu beobachten sind, wenn Katastrophen oder politische Ereignisse die Themen in das Blickfeld des öffentlichen Interesses rücken. So berichteten die Produktanbieter von Scharen von Finanzdienstleistern, die sich seit Fukushima dem Themenkreis "nachhaltiger Investments" öffnen und entsprechende Produkte zur Vermittlung suchen. Treiber sind dabei immer häufiger die Kunden, die ihren Banken und Beratern Druck machen, indem sie nachhaltige Kapitalanlagen nachfragen.

Trendverhalten mündet nicht in Rekordumsätze

Dieses Trendverhalten mündet derzeit zwar noch nicht in Rekordumsätzen, lässt aber erwarten, dass das Marktsegment nachhaltiger Fonds und Beteiligungen sowohl mit Blick auf die Zahl der Anbieter und Produkte, als auch hinsichtlich der verwalteten Volumina schon bald erheblich anwachsen könnte. Besonders beliebt, wen könnte es verwundern, sind Anlageformen, die dem Themenkreis "erneuerbare Energien" zuzurechnen sind. Bleibt zu hoffen, dass das Interesse nach einem Boom nicht ähnlich schnell nachlässt wie im Jahr 2007, als die Branche im Zuge der Klimawandelstudien der Uno und des Nobelpreises für Al Gore zunächst rasant wuchs und anschließend, als andere Ereignisse die Thematik überlagerten, wieder in den Dornröschenschlaf verfiel.

Über Zustand und Zukunftsaussichten der nachhaltigen Investmentbranche diskutierten Ralph Prudent, Geschäftsführer Ökoworld Lux, Ökorenta-Vorstand Tjark Goldenstein, Nachhaltigkeitesexperte Andreas Knörzer von Sarasin, Kollege Christoph Butz von Pictet Funds, Journalist Jörg Weber von Ecoreporter.de, Thomas Meyer, Leiter des Asset Managements von KBC Asset Management und Lacuna-Vorstand Thomas Hartauer.

Bildstrecke: Sustainability Congress 2011


Als Zwischenfazit kann konstatiert werden: „Nachhaltige Geldanlagen sind mehr als ein Modetrend“, wie es Christoph Butz, Nachhaltigkeitsexperte bei der Schweizer Privatbank Pictet & Cie formulierte. Vielen Investoren geht es seines Erachtens darum, ihr Anlageverhalten mit den persönlichen Wertvorstellungen in Einklang zu bringen. Und die Vergangenheit habe gezeigt, dass Anleger  dabei keine unnötigen Risiken oder Ertragseinbußen in Kauf nehmen mussten. Butz erwartet, dass das Thema in der Geldanlage weiter an Bedeutung gewinnt, wenngleich es zu diesem Zeitpunkt hierzulande immer noch in der Nische rangiert. „Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Menschen und der tatsächlichen Umsetzung in den Portfolios”, sagte Butz. Laut einer aktuellen Erhebung des europäischen Dachverbandes Eurosif beträgt der Anteil nachhaltig orientierter Geldanlagen in Deutschland nur 13 Milliarden Euro, europaweit sind es 1,5 Billionen Euro.

Vieles spielt sich unter der Oberfläche ab

Andreas Knörzer Leiter des Sustainable Management im Hause Sarasin und auch Butz verwiesen als Vertreter von Schweizer Privatbanken zugleich darauf, dass sich viel im Mandatsbereich vermögender und institutioneller Investoren abspielt, quasi „unter der Oberfläche, wie bei einem Eisberg“. Pictet Funds, so Butz, verwalte zum Beispiel weniger als 10 Prozent bei den Best-in-Class-Nachhaltigkeitsfonds in Publikumsfonds, der große Teil von 90 Prozent werde in Form von Mandaten für institutionelle Investoren verwaltet. „Wir sind aber sicher immer noch nicht da, wo wir hin wollen.“

Betrachtet man das nachhaltige Produktuniversum, fällt auf, dass es mittlerweile die meisten Asset-Klassen abdeckt. Lediglich bei Rohstoffen müssen nach wie vor Einschränkungen hingenommen werden. Zwar sind die Rohstoffe als solche wie Andreas Knörzer von Sarasin erklärte unter Sustainability-Gesichtspunkten unbedenklich, problematisch bleibt aber die teilweise extrem umweltbelastende Förderung der Rohstoffe. Auch bei den Schwellenländerfonds müssen noch Zugeständnisse gemacht werden. Von der Notwendigkeit des Umweltschutzes überzeugt, stellen sich Länder wie China zwar an die Spitze der "Clean-Technology", bleiben aber hinsichtlich sozialer Aspekte wie beispielsweise der Einhaltung der Menschenrechte entscheidende Verbesserungen ihrer Missstände schuldig.

Derivate sind nicht mehr generell Teufelszeug

Bewegung kommt dagegen an anderer Stelle in die Sache: Wurde der Einsatz derivativer Instrumente früher von Sustainability-Hardlinern noch generell verteufelt und abgelehnt, werden derartige Strategien im Rahmen der Portfolioabsicherung mittlerweile tendenziell eher akzeptiert, was dem Wunsch der Anleger entgegenkommt, vermögensverwaltende Sustainability-Fonds zu konstruieren, die den Investoren das Makettiming und die Allokation abnehmen. An "Pferdewetten" ( Zitat Ralph Prudent von Ökoworld Lux) werde man sich dessen ungeachtet auch in Zukunft nicht beteiligen. Wenn die Branche entsprechende Asset-Klassen übergreifende und risikoadjustierte Produktantworten bisher schuldig geblieben ist, scheint uns das weniger am mangelnden Interesse der Verbraucher zu liegen, als vielmehr an der geringen Bereitschaft der Asset Manager, sich auf das Abenteuer "aktives Management" einzulassen. Bisweilen könnte es sogar am Unvermögen vieler Anbieter scheitern, standardisierte Massenprodukte dieser Art erfolgreich zu managen.

An dieser Stelle darf man gespannt sein, ob die in den Markt für Sustainability-Investments drängenden unabhängigen Vermögensverwalter eine gewisse Dynamik in das Segment bringen. Wie Tjark Goldenstein pointierte, kommt es dabei allerdings weniger auf die Erweiterung des Produktuniversums an, als vielmehr auf eine qualitative Verbesserung. „Wir brauchen nicht mehr nachhaltige Investments, sondern bessere!"

Fazit der Diskussionsrunde: Wer, wie es der Zukunftsforscher Matthias Horx anlässlich des Sustainability Congress 2011 formulierte, eher die Chancen als die Risiken in den vor uns liegenden Herausforderungen sieht, findet interessante Investitionsmöglichkeiten in Hülle und Fülle. Meistern können wir den Weg zu einer nachhaltigeren Welt allerdings nur, wenn wir alle einen Sinneswandel vollziehen und lernen, grenzübergreifend, umzudenken. Die Politik kann in diesem Zusammenhang zwar die Rahmenbedingungen vorgeben, stößt jedoch immer häufiger an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Umso mehr, als die erforderlichen teilweise unpopulären Entscheidungen mit Blick auf die Kürze der Legislaturperioden nur schwer getroffen werden können.

>> www.drescher-cie.de

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