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„Rückkehr zu normalen Zinssätzen“? „Kein Entkommen aus der Politik des billigen Geldes"

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Schuldner im Schleudern

Doch nicht nur das. Steigende Zinsen werden so manchen Schuldner, der sich auf niedrige Zinsen eingestellt hat, ins Schleudern bringen. Beispielsweise bemerken Unternehmen, dass sich ihre Gewinnerwartungen bei steigenden Zinsen nicht erfüllen, dass die Einzahlungen ihrer Investitionsprojekte hinter den Erwartungen zurückbleiben. Sie sind gezwungen, unrentable Investitionen zu beenden und zu liquidieren. Dadurch steigt der Verkaufsdruck auf den Märkten für Produktionsfaktoren (wie Firmenteile, Maschinen etc.).

Der Abschreibungsbedarf bei Unternehmensbeteiligungen steigt, und auch das belastet die Bilanzen der Banken. Besonders problematisch wird es, wenn es zu tatsächlichen Zahlungsausfällen kommt, wenn Schuldner also nicht termingerecht ihre Zins- und Tilgungszahlungen leisten. Banken haben dann nicht nur mit Bilanzlöchern, sondern auch mit handfesten Solvenzproblemen zu kämpfen. Das untergräbt das Vertrauen in den Bankenapparat und kann eine neuerliche Kreditkrise auslösen.

Zinsen künstlich niedrig

Vor dem Hintergrund dieser Probleme setzen die Zentralbanken darauf, die extrem niedrigen Zinsen nur ganz langsam, zeitlich lang gestreckt, anzuheben. Kann das gelingen, ohne die Volkswirtschaften in eine Rezession zu stoßen? Vermutlich nicht. Die jahrelange Politik der extrem niedrigen Zinsen hat eine Produktions- und Beschäftigungsstruktur geschaffen, die nur aufrechterhalten werden kann, wenn die Zinsen künstlich niedrig bleiben. Eine Abkehr von den Niedrigzinsen wird Produktions- und Beschäftigungsausfälle nach sich ziehen.

Ob die Zinsen angehoben werden oder nicht, hängt also in entscheidendem Maße davon ab, ob die Volkswirtschaften die ökonomischen und vor allem auch politischen Konsequenzen, die eine Rückkehr zu „normalen“ Zinshöhen hätte, tragen wollen. Blickt man auf die Wirtschaftspolitiken der letzten Jahrzehnte, so liegt der Verdacht nahe, dass es dafür wenig Bereitschaft gibt. Die Volkswirtschaften sind zu Dauerschuld-Wirtschaften geworden. Ihr konjunktureller Schwung hängt mehr denn je davon ab, dass die Kredit- und Geldmengen immer weiter anschwellen.

Finanzkraft der Staaten

Vor allem die Finanzkraft der Staaten steht und fällt mit dem Zugang zu günstigen Krediten. Zum einen brauchen sie immer mehr Kredit zu immer niedrigeren Zinsen, damit ihr laufender Haushalt nicht überlastet wird. Zum anderen muss die Konjunktur weiterlaufen, weil nur so die Steuereinnahmen zu erzielen sind, um die mehr oder weniger fixen Transferzahlungen bedienen zu können. Eine Wachstumsverlangsamung, ganz zu schweigen von einer Rezession, ist Gift für die Staaten und die von ihm begünstigten Gruppen.

Wenn die Zentralbanken unter diesen Bedingungen operieren, ist die Folge offensichtlich: Das Inflationsziel rückt in die zweite Reihe, das Ziel, die Konjunkturen in Gang und die Staaten und Banken zahlungsfähig zu halten, genießt oberste Priorität. Soll also die Konjunktur, die die Politik der niedrigen Zinsen in Gang gesetzt hat, weiterlaufen, rückt die Möglichkeit, zu „normalen“ Zinshöhen zurückzukehren, in weite Ferne. Die Spielräume der Zentralbanken, die Kurzfristzinsen anzuheben, werden vermutlich schon sehr bald erschöpft sein.

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