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Aktualisiert am 31.10.2010 - 01:17 UhrLesedauer: 10 Minuten

Russel Napier: „Zeit, das Portfolio auf eine Inflation vorzubereiten“

Russell Napier
Russell Napier
Frage: In den letzten 18 Monaten ist eine Menge passiert. In den USA und in Europa gibt es Befürchtungen bezüglich einer Deflation. Teilen Sie diese Furcht?

Russell Napier
: Wenn Sie auf die Anleihenrenditen schauen, ist es offensichtlich, dass einige Leute an eine Deflation glauben. Ich tue das nicht, und dafür kann ich Ihnen mehrere Gründe nennen. Zunächst einmal: Inflation ist überall und zu allen Zeiten ein monetäres Phänomen. Die Zentralbanken haben viel Geld geschöpft. Das Problem ist allerdings, dass der Großteil des Geldes, das im Umlauf ist, nicht von den Zentralbanken, sondern von den Geschäftsbanken geschöpft wurde.

Daher geht die Angst um, dass das Geld, das die Zentralbanken schöpfen, sich nicht auf die Bilanzen der Banken auswirken wird und die umfassenden Geldmengenaggregate schrumpfen werden. Dieser Effekt hat laut Milton Friedman zur Großen Depression geführt. Für die Deflationisten ist dies das Hauptargument. Ich möchte da grundlegend widersprechen. Viele Zahlen, die aus den USA kommen – ob heute, vergangene Woche oder vergangenen Monat – zeigen, dass in den USA wieder mehr Schulden aufgenommen werden. Sowohl der Privatsektor als auch der öffentliche Sektor nehmen wieder mehr Schulden auf. Angesichts dessen ist eine Deflation unwahrscheinlich.

Ein Anhaltspunkt dafür ist, dass die von den US-Banken ausgegebenen Kredite in den vergangenen sechs Wochen um über 100 Milliarden US-Dollar angewachsen sind – das entspricht einem annualisierten Plus von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Jede Woche kommen neue Bankdaten aus den USA, und daran kann man sehen, dass die Kreditvergabe nicht schrumpft, sondern stagniert.

Aber die Banken sind fleißig dabei, Wertpapiere zu kaufen und ihre Bilanz zu verlängern. Die USA haben ein kompliziertes Kreditwesen, denn die meisten Kredite werden außerhalb des Bankensektors vergeben. Außerdem expandiert der Markt für Commercial Papers wieder. Meiner Meinung nach steckt in den Daten so viel Inflation wie nie zuvor seit dem Jahr 2008. Aus all diesen Gründen glaube ich, dass wir unser Portfolio eher auf eine Inflation vorbereiten sollten.

Frage
: Viele Länder sind hoch verschuldet. Wenn die Zentralbanken Inflation wollen, müssen sie die Schulden weiter erhöhen. Ist das eine gesunde Entwicklung?

Napier
: Die Zentralbanken wollen Preisstabilität, aber Preisstabilität ist nicht gleich Deflation. Die Zentralbanken werden alles tun, was in ihrer Macht steht, um Deflation zu verhindern. Der einzige Weg, wie sie eine Deflation stoppen können, führt über mehr Kredite und Geldmengenwachstum. Sie haben keine Alternative. Natürlich streben sie keine zu hohen Inflationsraten an. Wir werden sehen, ob ihnen das gelingt.

Die Banken haben Pläne, um dem System Geld wieder zu entziehen und hohe Inflationsraten zu verhindern. Aber wie ich schon gesagt habe, spricht vieles für eine Inflation. Milton Friedman hat einmal gesagt: „Die Zentralbanken müssen das Geldmengenwachstum sicherstellen.“ Und dies lässt sich nun mal über Kreditwachstum erreichen. Ich denke, das langfristige Ziel muss es sein, dass die Höhe des Kreditwachstums unter der Höhe des Wirtschaftswachstums bleibt.

Das ist sehr wichtig für jeden, der in den nächsten 10 oder 15 Jahren investieren will. Das ist ein völlig anderes Ziel. Im Westen sind die Kredite mitunter dreimal schneller als das nominale Bruttoinlandsprodukt gewachsen. Der Weg, wie der Westen die Schuldenlast senken kann, ist, dass das Kreditwachstum niedriger ausfällt als das Wachstum des nominalen BIP. Auf diese Weise wird die Kreditquote relativ zum BIP langfristig sinken.

Frage
: Die Zentralbanken und die Regierungen im Westen hätten gern Inflation. Müssen sie abwerten, um dieses Ziel in den nächsten ein oder zwei Jahren zu erreichen?
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