LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
, in MeinungenLesedauer: 10 Minuten

Schlagwort mit Fragezeichen Die „finanzielle Freiheit“ ist ein Mythos

Seite 4 / 5

FF ist ein von seinen Aposteln bis zur Unkenntlichkeit verstümmelter Begriff, der alles und sein Gegenteil heißen kann. Den gutgläubigen Lesern von FF-Büchern und -Blogs werden dabei explizit oder implizit fünf Trugbilder untergejubelt:

  • Investmentrenditen, die niemand je erreichen wird;
  • Die statistisch geringen Erfolgschancen von Existenzgründung und der Stress, der mit ihnen verbunden ist, werden rosarot übertüncht;
  • Entbehrung und Geiz werden zur "Unabhängigkeit" aufgehübscht;
  • die ferne Zukunft wird als wichtiger bewertet als die Gegenwart; und
  • Arbeit als Angestellter wird als Gefängnis dargestellt, aus dem man entkommen muss.

Das Funktionieren der jeweiligen FF-Formel wird – wenig überraschend – von seinen Jüngern auf eher dürftige Weise belegt – ausnahmslos durch "Anecdotal Evidence", also selektiv ausgewählte Einzelfallgeschichtchen. Und selbst diese Einzelfälle sind so gut wie nie verifizierbar. Statistische Fakten und wissenschaftliche Untermauerung? Fehlanzeige.

Schlussfazit

  • Um nennenswertes passives Einkommen zu erzeugen, muss man schon vorher reich sein.
  • Wer nicht schon reich ist, es aber werden will, wird das mit größter Wahrscheinlichkeit nicht erreichen, indem er an den Kapitalmärkten spekuliert – er muss stattdessen ein Unternehmen gründen.
  • Eine Existenzgründung ist einerseits mühsam und andererseits risikoreich. In vielen Branchen erfordert sie zudem beträchtliches Startkapital. Mit viel Glück und harter Arbeit folgt auf die Gründung für eine kleine Minderheit nach vielen Jahren etwas, das man wohlwollend "finanzielle Freiheit" nennen kann, aber nicht muss.
  • Wer mit seiner derzeitigen Arbeit unzufrieden ist und/oder sich gestresst fühlt, jedoch nicht schon reich ist und nicht den schweren Weg der Existenzgründung gehen will, sollte sich – ganz banal und oldfashioned – einen anderen Job suchen oder graduell weniger arbeiten, zum Beispiel über eine Teilzeitbeschäftigung oder indem er jedes Jahr einen Monat unbezahlten Urlaub nimmt.
  • Wer sich über die Route Sparsamkeit "finanziell frei" machen möchte, muss akzeptieren, dass damit eine substanzielle Schrumpfung seines Lebensstandards verknüpft ist – sofort und in der Zukunft. Ein ungeplanter Nebeneffekt könnte die Verkleinerung des Freundes- und Bekanntenkreises sein.

Natürlich ist "finanzielle Freiheit" nicht per se schlecht. Niemand hat etwas einzuwenden gegen Vermögensbildung, sei es via Fondsinvestments, via Existenzgründung oder via Sparsamkeit. Wenn jedoch diese so libertär und unschuldig daherkommende Begrifflichkeit zu einem völlig willkürlichen und sich vielfach widersprechenden Gummikonzept zerschlissen und dazu noch mit offensichtlicher Investmentpornographie verquirlt wird, ist nicht nur niemandem gedient, sondern es wird Schaden angerichtet. Die etablierte Finanzbranche hat in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten keine Ruhmesbilanz produziert. Es wäre wünschenswert, wenn Ratgeberbuchautoren und Finanzblogger ihren eigenen Anspruch höher ansetzen würden.

Tipps der Redaktion