LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Aktualisiert am 28.01.2020 - 17:11 Uhrin FinanzberatungLesedauer: 6 Minuten

Serie: Ilse Aigners 10 Thesen zur Finanzberatung im Expertencheck – Teil II: Beratungsprozess und Beratungspflicht

Seite 2 / 3

These 3: BERATUNGSPROZESS

Die These des BMELV: Die Finanzberatung soll grundsätzlich in einem strukturierten Beratungsprozess erfolgen, der die finanzielle Situation des Verbrauchers und seine finanziellen Ziele berücksichtigt. Der Umfang der Ermittlung richtet sich danach, ob eine umfassende Finanzplanung erfolgt oder nur bestimmte Segmente (Versicherungen, Kredite, Geldanlage) nachgefragt werden. Der Umfang hängt davon ab, was der Kunde will und ob es sich um eine Erstberatung oder um eine Folgeberatung im Rahmen einer kontinuierlichen Betreuung handelt.

Zu These 3 nimmt Stellung: Rainer Juretzek, Geschäftsführer Europäische Akademie für Finanzplanung (EAFP):

Die These Nr. 3 lehnt sich inhaltlich an die 1995 von der Deutschen Gesellschaft für Finanzplanung e.V. (DFP) entwickelten Grundsätze ordnungsmäßiger Finanzplanung und den 5 Phasen der Finanzberatung/Finanzplanung an, die den qualifizierten Finanzberatungsprozess beschreiben. Davon abgesehen steht die Forderung nach bedarfsgerechter Beratung sowohl in der Vermittlerrichtlinie als auch in der Finanzmarktrichtlinie Mifid.

Es kann um nachprüfbare Qualität in der Finanzberatung – und insbesondere für die freien Finanzdienstleister Reputation zu verschaffen, gar nicht anders sein, als einen nachvollziehbaren transparenten Beratungsprozess zu etablieren, der die persönliche Situation und die Ziele des Kunden ermittelt und in der Umsetzung von Produktempfehlungen berücksichtigt.

Diese Forderung muss man als sehr realitätsnah einschätzen, zumal auch die Möglichkeit eröffnet wird, im Einzelfall, abhängig vom Umfang und der Fragestellung, auf die Einhaltung eines starren Prozesses zu verzichten.

Bei einer gesetzlichen Regelung wäre darauf zu achten, dass nicht jede Detailregelung seitens des Gesetzgebers erarbeitet wird, sondern dass hier Freiräume für die Finanzdienstleistungsbranche entstehen, dies selbst (subsidiär) zu regeln. Hierzu müsste eine entsprechende Organisation mit öffentlich-rechtlicher Anerkennung geschaffen werden.

Die einzigen Knackpunkte in einer Umsetzung sind die handelnden Finanzdienstleister selbst. Diese gewöhnen sich nur schwer daran– wie dies andere Berufe schon seit langem tun müssen – einen strukturierten Arbeitsprozess ihrer Beratung zugrunde zu legen. Die Basis ist das notwendige Fachwissen, erworben durch einschlägige Aus- und Weiterbildung und ausreichende praktische Erfahrungen. Für echte „Professionals“ in der Branche ist eine solche Vorgehensweise ohnehin selbstverständlich.

Daraus leitet sich ab, dass die Auswirkungen auf die Branche schon erheblich sein werden. Die Finanzdienstleister werden sich ab dem nächsten Jahr auch an die neuen Regeln zur Beratungsdokumentationspflicht im Bereich der Geldanlagen gewöhnen müssen. Um hier nicht in eine der „Haftungsfallen“ zu laufen, werden sich Finanzdienstleister einen nachvollziehbaren Beratungsprozess aneignen müssen. In Bezug auf die Reputation der Branche kann dass nur positive Effekte haben.

Im Zusammenhang mit der These 7 (Informationspflicht), muss auch darüber nachgedacht werden, wie der Berufsstand zukünftig zu definieren beziehungsweise abzugrenzen und auch die Vergütungsfrage zu regeln ist: Auf der einen Seite der Finanzberater (Honorarbasis), der anlegergerechte Beratung leistet. Auf der anderen Seite der Finanzvermittler (Provisionsbasis), der für anlagegerechte Beratung steht.

Die Frage stellt sich hier, ob eine Vermischung von Beratung und Vermittlung aus Transparenzgründen und aufgrund der in beiden Tätigkeiten erforderlichen stetigen Aktualisierung der Wissensbasis, auf Dauer durchgehalten werden kann.


Stellung nimmt Norman Wirth, Wirth Rechtsanwälte

Tipps der Redaktion