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Serie zum Brexit-Votum, Teil 1 3 maßgebliche Faktoren für den Verbleib und Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union

Philippe Uzan, Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management
Philippe Uzan, Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management
Das europäische Projekt ist ebenso sehr durch seine Schwierigkeiten wie durch die Ideen, Prinzipien und Zielsetzungen seiner Gründer geprägt worden. Hinter der Erweiterung der Europäischen Union (EU) auf 28 Mitgliedstaaten standen gute Absichten. Sie hat aber unvermeidlich zu Komplikationen geführt. Die EU ist nicht dafür gemacht, Krisen zu bewältigen. Und doch hat sie es bisher noch immer geschafft, eine Lösung zu finden — auch wenn dies manchmal fast in letzter Minute nach schwierigen Verhandlungen geschah und immer der Eindruck von Improvisation und Unvollständigkeit vermittelt wurde. Jedes neue Problem setzt regelmäßig eine Diskussion über ein mögliches Auseinanderfallen der EU in Gang. Nach der Euro- und Griechenland-Krise und zuletzt der Flüchtlingskrise, die zu einer Aussetzung des Schengen-Abkommens geführt hat, gibt ein möglicher EU-Austritt Großbritanniens nach dem bevorstehenden Referendum am 23. Juni jetzt erneut Anlass, sich über das Worst-Case-Szenario Gedanken zu machen. Vor allem deshalb, weil es in der Brexit-Debatte nicht allein um rationale Argumente geht: Emotionale und politische Aspekte können ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen. Infolgedessen haben die Argumente für einen Verbleib Großbritanniens in der EU nicht dieselbe Kraft. Die aktuelle Situation unterscheidet sich grundlegend vom britischen Referendum in 1975, als zwei Drittel der Wähler für einen Verbleib in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) stimmten. Es stimmt, dass 1974 in finanzieller Hinsicht ein katastrophales Jahr für Großbritannien war und die EU inzwischen an Attraktivität verloren hat. Die Faktoren, die den Ausgang des Referendums beeinflussen werden: Der Einfluss Großbritanniens in Europa und der übrigen Welt Ein beliebtes Argument von Euroskeptikern wie den Vertretern der UKIP-Partei ist, dass die Souveränität Großbritanniens durch die Brüsseler „Diktatur” ausgehöhlt wird. Sieht man aber einmal von administrativen Mängeln in Brüssel ab, könnte die Souveränität Großbritanniens erheblichen Schaden nehmen, wenn das Land die EU verlässt. Man kann leicht die Nachteile der EU-Mitgliedschaft geißeln. Außerhalb der Gemeinschaft zu stehen, wäre aber ebenfalls höchst problematisch. Tatsächlich dürfte Großbritannien bei einem EU-Austritt kaum an Souveränität gewinnen. Die derzeitige Stellung des Landes – in der EU, aber außerhalb der Eurozone (und des Schengen-Abkommens) – gibt London erheblichen Einfluss in Brüssel und lässt bedeutenden Spielraum. Außerdem ist diese Stellung gerade erst gestärkt worden. Die besondere Beziehung Großbritanniens zu den USA ist schwächer geworden. Und was davon geblieben ist, begünstigt im Wesentlichen die Vereinigten Staaten. Für sie ist Großbritannien in zweifacher Hinsicht wichtig: als EU-Mitglied und weil ein Brexit Europa schaden würde. Die USA brauchen ein starkes Europa, und Washington hält es nicht für ratsam, in einer wieder sensitiven Region einen Schock auszulösen. Tatsächlich ist der Einfluss Großbritanniens in der Welt für viele Wähler kein maßgebliches Argument. Sie werden ihre Entscheidung eher von unmittelbar relevanten und lokalen Fragen wie der Wirtschaft oder dem Thema Zuwanderung abhängig machen.

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