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Sind Indexfonds des Anlegers Lösung? „Die ETF-Industrie macht es eher noch schlimmer“

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Es sieht so aus, als seien mit der Erfindung der ETFs alle Probleme gelöst. Man spart sich den blöden und überbezahlten Fondsmanager und bekommt endlich die Wertentwicklung, die man verdient. An dieser Idee ist viel Wahres dran, so wie in der Fotografie viel echte Kunst steckt. Aber es wäre die erste gute Idee, welche die Finanzindustrie nicht für ihre ganz eigenen Zwecke eingesetzt hätte. Die Theorie hält nur, was sie verspricht, wenn man mit einem sehr langen Zeithorizont und hoher Risikotoleranz gesegnet ist, ausschließlich in den MSCI World investiert und dies jahrelang durchhält (das heißt der Richtigkeit der Theorie unbedingt vertraut). Und diese Voraussetzung ist in den seltensten Fällen gegeben.

Der durchschnittliche Privatanleger liegt nämlich nicht 1,5 Prozent pro Jahr schlechter als der Index, sondern sehr viel mehr. Für die USA gibt es dazu hier die besten Daten, aufbereitet von der Research-Firma Dalbar. Danach hat der US-Aktienmarkt in den letzten 30 Jahren um 11,6 Prozent pro Jahr zugelegt, der Durchschnittsinvestor in Aktienfonds hingegen nur 3,8 Prozent. Mit Anleihen hat er lediglich 0,7 Prozent per annum verdient, deutlich weniger als die Inflationsrate von 2,7 Prozent und die Performance des Anleihenindex von 7,4 Prozent.

Klar ist, dass das schlechte Abschneiden der Privatinvestoren sich nur zu einem geringen Teil auf die Fonds schieben lässt, in die sie investieren. Von den knapp 8 Prozent, die sie etwa bei den Aktien liegen lassen, geht etwa 1 Prozent auf Kosten der Fondsmanager, aber die restlichen 7 Prozent bleiben dadurch noch immer ein Rätsel. Das Rätsel löst sich auf, wenn man sich vergegenwärtigt, welches die sechs größten Fehler sind, welche bei Investitionen in Aktien oder Anleihen gemacht werden (dasselbe gilt wohl auch für Immobilien oder Kunst oder Wagniskapital, aber da kenne ich mich nicht aus):

1. Zum falschen Zeitpunkt kaufen,

2. Zum falschen Zeitpunkt wieder verkaufen,

3. Bewertungen ignorieren,

4. Kein Verständnis für das zugrundeliegende Geschäftsmodell haben,

5. Dem Spieltrieb nachgeben und Moden folgen (heiße Tipps für heiße Sektoren bzw. Namen),

6. Zu wenig diversifizieren.


Die Daten von Dalbar zeigen darüber hinaus, dass die Divergenz zwischen der Wertentwicklung der Indices und der Investorenportfolios am größten ist, wenn die Märkte zum Extrem neigen. Fonds werden massiv gekauft, wenn die Wertentwicklung der letzten Jahre sehr gut war und die Angst, etwas zu verpassen, sich breit macht. Das ist dann meistens der Höhepunkt im Zyklus der Börse. Und sie verkaufen, wenn die Aussichten finster sind und die Verluste der letzten ein bis drei Jahre hoch sind. Auf diese Weise machen sie den Abschwung fast vollständig mit, während sie dem Aufschwung nur staunend von Weitem zusehen. Und dann schimpfen sie, dass die Börse ein Kasino ist und der Fondsmanager ein Idiot.

Nun ist nicht zu sehen, wie der Einsatz von ETFs dem Durchschnittsanleger in Fonds wesentlich weiter helfen kann. Gewiss ist es gut, wenn durch Indexfonds die unfähigen und nur dem Namen nach aktiven unter den Fondsmanagern (das betrifft etwa die Hälfte) verschwinden. Aber das Grundproblem bleibt oder wird sogar noch verschärft: Wie wird der Anleger vor sich selbst beschützt, sind doch seine Leidenschaften und spontanen Ideen das eigentliche Problem? Die ETF-Industrie macht es eher noch schlimmer. Sie suggeriert, dass das Hauptproblem des Investierens durch den Einsatz ihrer Produkte gelöst ist. [1]

Und da sich offensichtlich viele Menschen finden, die das glauben, gibt es heute allein in den USA 1.439 ETFs (Stand: März 2015), in Europa fast ebenso viele. Das ist recht viel für ein Produkt, das aus einer Theorie entstanden ist, wonach man eigentlich nur einen Indexfonds benötigt, der den Markt möglichst breit abbildet, also den MSCI World Index. Die ETF-Branche verkauft neben dem einen sinnvollen Produkt vermutlich etwa 1.400 unsinnige Produkte: Indexfonds auf Branchen, Länder, Regionen, Immobilien, Rohstoffe, gehebelte Indexfonds, doppelt gehebelte Indexfonds – der finanziellen Phantasie ist hier keine Grenze gesetzt und die Finanzbranche ist glücklich, jedem Spieler etwas Passendes zu liefern.
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