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Staatsschuldenkrise? Welche Krise?

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Zuspitzende Situation nach der Lehman-Krise

Zu behaupten, die Ursache der gegenwärtigen Euro-Systemkrise liege in der allgemein unverantwortlichen staatlichen Haushaltsführung im Jahrzehnt vor der sogenannten Staatsschuldenkrise, ist realitätsfern und widerspricht der Empirie.

Grund für den plötzlichen Verfall der öffentlichen Haushalte ab 2008 war vielmehr das fatale Zusammenspiel aus weltweiter Finanzkrise, der sich daran anschließenden weltweiten Rezession und der wirtschaftlichen Verzerrungen innerhalb der Europäischen Währungsunion (EWU) und nicht etwa der fiskalpolitische Kurs bis 2008.

Die Tatsache, dass die Märkte nicht mehr auf die langfristige Solvenz der Länder an der Euro-Peripherie vertrauen, beruht auf dem Mangel an innereuropäischer Flexibilität bei der fiskalpolitischen Lastenteilung, unzureichenden Liquiditätshilfen für Mitgliedstaaten sowie dem Unvermögen, nominelle Wechselkursanpassungen zum Ausgleich wettbewerblicher Ungleichgewichte zu nutzen.

Vertrauen ist da

Die Marktreaktion auf die deutliche Verschlechterung der Staatshaushalte in den Industrieländern zeigt, dass viele Investoren den staatlichen Kreditnehmern nach wie vor ihr Kapital anvertrauen. Außerhalb der EWU-Peripherie sind die Staatsanleiherenditen in den vergangenen zwei Jahren trotz des starken Anstiegs der Haushaltsdefizite sowie der öffentlichen Schuldenquoten in zahlreichen Ländern deutlich gefallen.

So konnten sechs europäische Regierungen erst kürzlich Mittel mit einer Laufzeit von zwei Jahren zu negativen Zinsen aufnehmen. In manchen Ländern sind die langfristigen Anleihezinsen auf den niedrigsten Stand aller Zeiten gefallen: So liegen die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen bei 1,2 Prozent und für US Treasuries sowie UK Gilts gleicher Laufzeit bei unter 1,5 Prozent.

Interessanterweise sind Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit in den USA und Großbritannien höher als in Spanien. Trotzdem werden diese beiden Länder vom Markt nicht als nahezu insolvent wahrgenommen.

Es sollte daher jedem klar sein, dass die entwickelte Welt sich nicht so sehr einer Staatsschuldenkrise gegenübersieht, als vielmehr einem massiven Entschuldungsprozess im Privatsektor, der die Endnachfrage drückt und dadurch infolge einer negativen Wachstumsdynamik zu höheren Defiziten der öffentlichen Hand führt. Gleichzeitig drückt dieser Prozess auf die Zinsen, da fast alle Wirtschaftsakteure, ob privat oder staatlich, ihre enormen Sparüberschüsse anlegen wollen.

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