LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in Recht & SteuernLesedauer: 4 Minuten

Steuer-Experte: Straffreie Selbstanzeigen könnten 2013 abgeschafft werden

Hans-Lothar Merten
Hans-Lothar Merten
DAS INVESTMENT.com: Mit „Steueroasen Ausgabe 2012“ haben Sie Ihr Standardwerk bereits zum 17. Mal aktualisiert und auf den Markt gebracht. Was ändert sich 2012 für Anleger?

Hans-Lothar Merten: Die Steueroasen, wie man sie früher gekannt hat, gibt es nicht mehr. Während man diesen Begriff früher mit Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung gleichsetzte, gewinnen heute ganz andere Aspekte an Bedeutung. Aktuell versteht man unter einer Steueroase Länder, die Unternehmen und Privatpersonen einfache und günstige Steuerbedingungen bieten. Dazu zählt zum Beispiel die sogenannte Flat-Tax – eine Einheitssteuer, die in den neuen EU-Staaten vom Baltikum bis Kroatien gängig ist.

DAS INVESTMENT.com: Und Steuerhinterziehung ist kein Thema mehr?

Merten: Es wird immer schwieriger für Steuersünder. Angesichts der hohen Staatsverschuldung brauchen die EU-Länder jeden Cent. Und sie werden sich das Geld auch und vor allem von den Steuersündern holen. Dazu werden sie die Steueroasen an die Kandare nehmen. Das haben sie zwar bereits früher versucht, konnten sich aber nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen. Seit der Finanzkrise 2008 ziehen die EU-Staaten jedoch an einem Strang.

DAS INVESTMENT.com: Nachdem die Schweiz im August ein neues Steuerabkommen mit Deutschland geschlossen hat, hat sie ihren Status als Paradies für Steuerflüchtige verloren. Was empfehlen Sie Steuersündern, die ihr Geld auf einem Schweizer Konto haben?

Merten: Bei der anonymen Abgeltungssteuer mitzumachen! Damit kommen sie noch besser weg, als bei einer Selbstanzeige, bei der sie die Steuern für die vergangenen zehn Jahre nachzahlen müssten. Darüber hinaus ist der Verwaltungsaufwand für den einzelnen Steuersünder sehr gering.

DAS INVESTMENT.com: Und wer trotzdem nicht zahlen will?

Merten:
Der könnte natürlich bis zum 31. Mai 2013 sein Geld abziehen und zum Beispiel ein Konto irgendwo in der Karibik eröffnen. Eine gute Idee wäre das allerdings nicht. Denn die Banken müssen die Kundendaten zehn Jahre lang aufzubewahren. Auch wenn der Kunde sein Konto auflöst, sind seine Daten also bei der Bank gespeichert. Und die Bank ist verpflichtet, alle Kunden, die sich weigern, die Abgeltungssteuer anonym abzuführen, den deutschen Steuerbehörden namentlich zu nennen. Auch wer mit Hilfe von Stiftungen versucht, um die Steuer herumzukommen, wird scheitern. Denn die Banken müssen auch dort den Berechtigten melden.

DAS INVESTMENT.com: Nun ist die Schweiz nicht das einzige Steuerparadies auf der Welt. Die Steuersünder werden doch sicherlich andere Ausweichmöglichkeiten finden, oder?

Merten: Ja, aber es werden immer weniger. In Singapur zum Beispiel ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Finanzinstitute mit den deutschen Behörden zusammenarbeiten. Denn dort wird gerade ein Doppelbesteuerungsabkommen verhandelt. Außerdem sollte man sich gut überlegen, wohin man mit seinem Geld geht. Denn Singapur ist nicht die Schweiz.

DAS INVESTMENT.com: Inwiefern?

Merten: In der Schweiz wird der Kunde von einem deutschsprachigen Berater betreut. Wenn irgendwelche Probleme auftauchen, setzt man sich ins Auto und ist in zwei bis drei Stunden bei der Bank. In Singapur hingegen kennt der deutsche Kunde niemanden persönlich. Sollten Probleme auftauchen, wäre es schwer bis unmöglich, einen Ansprechpartner ausfindig zu machen. Denn bei Geldanlagen in weiter entfernten Regionen arbeiten die Banken mit Zwischenhändlern – und oft sogar mit mehreren. So können an einem Konto eines Deutschen in Singapur bis zu drei Zwischenhändler beteiligt sein. Das verursacht zudem auch entsprechend hohe Kosten.

DAS INVESTMENT.com:
Wenn es also immer schwieriger wird, Steuern zu hinterziehen, werden straffreie Selbstanzeigen, wie sie derzeit in Deutschland praktiziert werden, in Zukunft überhaupt noch Sinn machen?

Merten:
Nein. Ich gehe ganz fest davon aus, dass sie langfristig abgeschafft werden. Bereits 2013, wenn die Zahlungen aus der Schweiz kommen, könnte es schon soweit sein. Denn wenn der Fiskus so oder so von den hinterzogenen Steuern erfahren wird, warum sollte er den Betrügern ein Geschenk machen?