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Strategiegespräch mit Stephan Schinnenburg von der Ergo „Der Berater muss präsenter sein“

Stephan Schinnenburg ist seit April 2014 bei der Ergo Beratung und Vertrieb AG für den Maklervertrieb zuständig. (Foto: Jochen Rolfes)
Stephan Schinnenburg ist seit April 2014 bei der Ergo Beratung und Vertrieb AG für den Maklervertrieb zuständig. (Foto: Jochen Rolfes)
DAS INVESTMENT.com: Sie sind vor fast einem Jahr vom unabhängigen Analyse- und Ratinghaus Morgen & Morgen zur Ergo Versicherungsgruppe gewechselt. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Stephan Schinnenburg:
Mich hat es besonders gereizt, zu einem Vollsortimenter zu gehen, der mit starken Marken positioniert ist. Was mich auch schwer beeindruckt hat, war das Bekenntnis von Ergo zum unabhängigen Vermittlermarkt. Dieses Engagement wollen wir weiter stärken. Der unabhängige Vermittler steht in einem Rechtsverhältnis zwischen Risikoträger und Kunden; diese bedeutende Rolle wollen wir mit unseren Prozessen unterstützen.

Welche Prozesse meinen Sie dabei genau?

Wir haben überprüft, ob unsere Courtagevereinbarungen den Marktstandards entsprechen. Wo das nicht der Fall war, haben wir nachjustiert. Ein schönes Beispiel dafür ist etwa die private Krankenversicherung. Da haben wir für die sogenannte Kindernachversicherung bisher nur dann die volle Provision gezahlt, wenn der Versicherungsmakler nachweisen konnte, dass er am Vermittlungsprozess beteiligt war. Das war ein unüblicher Passus, den wir geändert haben. In der Krankenversicherung vergüten wir jetzt also die Nachversicherung eines Kindes ohne Nachweis. Auch bei übertragenen Beständen haben wir nachgearbeitet. Da zahlen wir nun eine Bestandspflegeprovision an den neuen Makler.

Im April 2014 wurde die Ergo Beratung und Vertrieb gegründet. Welche Überlegungen standen dahinter?

Bei der Ergo Versicherungsgruppe war es vorher so, dass jeder Risikoträger seinen eigenen Vertrieb hatte. Bedingt dadurch, dass es mehrere Versicherer bei Ergo gibt, haben wir auch mehrere Vertriebe. Und es war relativ schwierig, diese Vertriebe einheitlich zu steuern. Das Ziel, das hinter der Gründung stand, war also, eine einheitliche Vertriebssteuerung aus einer einzigen Organisation heraus zu gewährleisten – für alle Risikoträger und über alle Vertriebswege hinweg. So können wir sicherstellen, dass wir für alle Sparten immer gleiche vertriebliche Entscheidungen treffen. Wir müssen dem Makler also nicht mehr erklären: In der Lebensversicherung arbeiten wir so, und in der Krankenversicherung ist es wieder ganz anders. Außerdem haben wir mit Gründung der Vertriebsgesellschaft ein einheitliches Beratungskonzept eingeführt, insbesondere für unsere Ausschließlichkeitsorganisationen.

Also gibt es jetzt eine Art Ergo-Beratungsleitfaden?

Es gibt ein ganz klares Beratungskonzept, das all das enthält, was heute in einem Beratungsgespräch stattfinden muss. Und ich glaube, das hilft uns, die Qualität der Beratung beim Kunden zu verbessern. Die Versicherungswirtschaft insgesamt steckt derzeit noch in einem Lernprozess. Wir müssen von einer Produktberatung viel stärker in Richtung Kundenberatung gehen.

War die Umorganisation des Vertriebs auch eine Reaktion auf den Budapest-Skandal? Oder muss Vertrieb in Zeiten anspruchsvollerer Kunden, schwieriger Kapitalmärkte und regulierungswütiger Politiker einfach anders aussehen als früher?

Ergo hatte im März 2012 ein Qualitäts- und Effizienzprogramm gestartet. Im Mittelpunkt stand die Schaffung einer effizienten Vertriebsstruktur, mit der die Komplexität und die Kosten verringert, aber auch die Beratungsqualität verbessert werden. Dazu haben wir alle Vertriebe unter dem Dach der Ergo Beratung und Vertrieb zusammengeführt.

Ein ganz wichtiges Thema für den Vertrieb ist natürlich, wie er bezahlt wird. Da hat das Lebensversicherungsreformgesetz, kurz LVRG, im vergangenen Jahr ordentlich für Druck gesorgt.


Das LVRG hat an keiner Stelle eine klare Aussage zur Höhe der Abschlussprovision gemacht. Es hat nur die Zillmerungsmöglichkeit von 40 auf 25 Promille gekürzt. Wir haben alle rechtlichen Anforderungen, die wir gegenüber den Kunden erfüllen müssen, zum 1. Januar 2015 umgesetzt. Das ist schon mal ganz wichtig. Jetzt müssen wir sehen, wie wir die Provisionen neu festsetzen. Deshalb führen wir gerade sehr intensive Gespräche mit allen, die es betrifft. Das sind immerhin 10.000 Ausschließlichkeitsvermittler und über 12.000 Makler. Mittel- und langfristig wird sich die Provisionsverteilung verändern. Ich glaube, wir werden eine gleichmäßigere Verteilung über die gesamte Laufzeit sehen, und am Ende wird der Vertrag, der bis zum vereinbarten Ende läuft, ein ähnliches Provisionsniveau erreichen wie heute. Während Verträge, die bereits nach kurzer Zeit storniert werden, zu geringeren Provisionen beim Vermittler führen.

Ist die Senkung der Abschlussprovisionen unumgänglich?
Nun, wie sieht es in der Branche denn aus? Wir haben seit Jahren deutlich sinkende Zinsen. Wir haben auf der anderen Seite deutlich reduzierte Kosten bei den Versicherern. Die einzige Kostenposition, die sich nicht verändert, sondern eher steigt, sind die Abschlusskosten. Natürlich sind in den Abschlusskosten nicht nur Provisionen enthalten, aber Fakt ist: In diesem Zinsszenario können wir Kunden in der Lebensversicherung nur noch dann ein attraktives Produkt anbieten, wenn die Abschlusskosten sinken. Wir müssen an das Thema Neuverteilung ran und uns die Frage stellen, ob es richtig ist, dass der Vermittler die gleiche Provision bekommt, egal ob ein Vertrag bis zum Ende durchgehalten oder nach sieben Jahren storniert wird. Ich kann aber auch gleich einen Ausweg skizzieren.

Schießen Sie los.

Wir reden ja primär über Liquidität. Vermittler müssen den Beratungsansatz also dahingehend ändern, dass sie nicht nur zur Altersvorsorge beraten, sondern gleichzeitig auch andere Risiken des Kunden etwa im biometrischen Bereich ansprechen. Durch diese zusätzlichen Gespräche werden sie zusätzliche Abschlüsse generieren, mit denen es gelingt, die Liquidität am Anfang gleich hoch zu halten – und auf längere Sicht sogar höhere Erträge aus der Beratung einzufahren.

Wie wird sich der Versicherungsvertrieb in den kommenden Jahren Ihrer Ansichtnach entwickeln?

Ich bin jetzt seit 35 Jahren in der Branche, und von damals zu heute haben wir riesige Schritte gemacht. Ich glaube, zwei Dinge sind wichtig. Das eine ist, Prozesse deutlich zu verbessern. Hier spielt das Thema Digitalisierung eine wichtige Rolle. Die Regulierung der vergangenen Jahre hat viel Arbeit auf den Vertriebspartner verlagert. Das wird man nicht mehr zurückdrehen können. Jetzt geht es aber darum, ihn hierbei technisch zu unterstützen. Da geht es zum Beispiel um die Frage, wie ich einen Antrag generiere. Wir sind da heute noch oft auf dem Postweg unterwegs, arbeiten aber daran, den Prozess komplett zu digitalisieren.

Welches ist das zweite entscheidende Thema?


Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass eine Versicherung verkauft werden muss. Sie ist kein Produkt, das die Leute von sich aus kaufen möchten. Sie brauchen also einen Menschen ihres Vertrauens, der in der Lage ist, ihre Risiken zu erklären und Lösungen vorzustellen. Die allgemeine Informationsbeschaffung mag sich in Zukunft vielleicht deutlich stärker ins Internet verlagern. Sobald es aber an den Abschluss geht, hat der Berater wieder die Nase vorn. Die Herausforderung dabei ist nur, die Präsenz des Beraters zu erhöhen. Nehmen wir ein klassisches Beispiel: Ich komme abends um 19.30 Uhr nach Hause, mache meine Post auf und habe den Brief eines Versicherers drin, den ich nicht verstehe. Ich will also bei meinem Vermittler anrufen. Einen Großteil der Makler werde ich um die Zeit aber nicht mehr erreichen.

Und wie lässt sich dieses Problem nun lösen?

Es geht um die intelligente Verzahnung der Beratung mit dem Internet. Im Bankenvertrieb haben wir zum Beispiel gute Erfahrungen mit der Video-Beratung gemacht. Sie vereinbaren mit dem Kunden ganz normal einen Termin und beraten ihn dann von Bildschirm zu Bildschirm. Das haben wir in der Hausratversicherung und der privaten Krankenversicherung umgesetzt und das funktioniert gut. Ich sage jetzt nicht, dass das allein die Zukunft ist. Es kommt natürlich auch auf den jeweiligen Kunden an. Letztendlich ist es ein Puzzle aus vielen verschiedenen Bausteinen, die es sauber zu orchestrieren gilt. Das ist sicher eine Stärke, die ein großer Versicherer wie die Ergo hat. Wir bedienen alle Vertriebswege und kennen jeweils ihre Spezifika. Wir können die Erfahrungen, die wir in einem Vertriebsweg machen, also auf andere übertragen. Und das wird uns zum Erfolg führen.

Über Stephan Schinnenburg: Stephan Schinnenburg ist seit April 2014 bei der Ergo Beratung und Vertrieb AG für den Maklervertrieb zuständig. Im August 2014 übernahm er dort außerdem die Verantwortung für den Banken- und Kooperationsvertrieb. Zuvor war Schinnenburg seit 2010 Geschäftsführer des Hofheimer Analysehauses Morgen & Morgen. Der 53-Jährige hat bereits einige Stationen bei Versicherern hinter sich. Vor seiner Tätigkeit bei Morgen & Morgen war Schinnenburg Geschäftsführer für Deutschland bei Hartford Life. Davor machte der gelernte Versicherungskaufmann Station bei der Ideal, Lloyd’s of London, Colonia und Basler.

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