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„Gerät Brasilien ins Wanken?“

Ilan Furman, Fondsmanager von Threadneedle Investments
Ilan Furman, Fondsmanager von Threadneedle Investments
Ilan Furman ist Fondsmanager bei Threadneedle Investments mit dem Schwerpunkt Emerging Markets.

Gerät mit Brasilien ein Bric-Staat ins Wanken? Betrachtet man das rückläufige Wachstum, die höhere Inflation und die Proteste auf den Straßen, dann drängt sich diese Frage auf. Nach den jüngsten Kapitalabflüssen aus Brasilien zu urteilen, warten viele Anleger nicht mit einer wohlüberlegten Antwort. Vor kurzem besuchte ich in Brasilien zwei Wochen lang Unternehmen und sprach mit Wirtschaftsexperten und Regierungsvertretern, um mir ein besseres Bild von den Aussichten für Aktieninvestoren machen zu können.

Lustloses Wachstum

Seit 2010, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Brasilien um 7,5 Prozent zulegte, hat das Wachstum die Erwartungen enttäuscht. Vergangenes Jahr betrug es nur 0,9 Prozent.

Aber nicht nur das absolute Ergebnis des BIP-Wachstums ist ernüchternd, sondern auch der Verlauf der Prognosen. Seit 2011 wird jedes Jahr ein Anstieg um 4 bis 4,5 Prozent vorhergesagt, nur damit diese Zahl dann im Jahresverlauf immer weiter nach unten korrigiert werden muss.

In Gesprächen mit brasilianischen Wirtschaftsexperten erfuhr ich, dass diese Dynamik auf der Ansicht beruht, das potenzielle BIP-Wachstum für Brasilien liege bei 3,5 bis 4 Prozent. Inzwischen gewöhnt man sich allmählich an den Gedanken, dass unter den aktuellen Bedingungen eher ein Potenzial von etwa 2,5 Prozent besteht.

Das BIP-Wachstum wird vor allem durch eine geringe Produktivität belastet, ausgelöst durch gering qualifizierte Arbeitnehmer und schlechte Infrastruktur. Ein gutes Beispiel hierfür ist 2012: In diesem Jahr war die Arbeitslosigkeit auf 4,6 Prozent gesunken, das BIP erhöhte sich dennoch nur um 0,9 Prozent.

2012 versuchte die Regierung noch, das Wachstum durch Konsum und Kredite anzukurbeln. So erhöhte sie unter anderem die Kreditvergabe der öffentlichen Banken und setzte Privatbanken unter Druck, die Kreditzinsen zu senken. Doch in letzter Zeit scheint die Regierung erkannt zu haben, dass Brasilien nur dann wieder nachhaltig wachsen kann, wenn mehr investiert wird.

Infrastruktur im Mittelpunkt

Bei Reisen in Brasilien findet man immer wieder Belege für die vielen verschiedenen Herausforderungen im Infrastrukturbereich. In nur zehn Tagen kam es zu Protesten, langen Verkehrsstaus, Problemen am Flughafen, stornierten Flügen und der spontanen Ausrufung eines Feiertags in einem Bundesstaat.

Die Folgen für uns waren ein abgesagtes Meeting und Änderungen unserer Agenda. Alles schien doppelt bis dreimal so lange zu dauern wie ursprünglich angenommen. Dies zeigt sich auch an den internationalen Rankings. Zum Beispiel belegt die Gesamtinfrastruktur Brasiliens laut dem Weltwirtschaftsforum unter 142 Ländern Platz 104. Die Häfen, Flughäfen und Autobahnen landeten auf den Plätzen 130, 122 und 118.

Die Regierung ist fest entschlossen, Investitionen in dem Land anzukurbeln. Öffentliche Banken stehen bereit, um billige Kredite für Infrastrukturprojekte zu vergeben. Außerdem setzt die Regierung alles daran, ausländische Investoren zu gewinnen, da das Kapital aus dem Inland nicht ausreichen wird.

In Brasilien besteht erhebliches Investitionspotenzial, zum Teil auch deshalb, weil jahrelang zu wenig investiert wurde. In den vergangenen 20 Jahren investierte Brasilien durchschnittlich rund 18 Prozent seines BIP, 4 bis 5 Prozentpunkte weniger als der Durchschnitt der Schwellenländer. Man schätzt, dass Brasilien etwa 22 bis 24 Prozent seines BIP investieren müsste, um nachhaltig mit 3,5 bis 4,0 Prozent zu wachsen.

Der Rahmen für Investition in Brasilien ist nach wie vor sehr kompliziert, bürokratisch und ineffizient. Dadurch wird ein wirkungsvoller Investitionsplan massiv behindert. Doch erfolgreiche und transparente Auktionen für private Konzessionen für Mautstraßen oder Flughäfen in der zweiten Hälfte dieses Jahres könnten die Stimmung der Anleger gegenüber dem Land verbessern.

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