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Türkei „Besser als Industriestaaten und die meisten anderen Schwellenländer“

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Die Ratingagentur Moody’s hat unlängst die Kreditwürdigkeit des Landes herabgestuft. Was ist die Ursache?

Ripfl: Die Hauptgründe für die Abstufung waren ein schwindender Einfluss geldpolitischer Maßnahmen der türkischen Notenbank und das zunehmende Risiko eines externen Schocks. Letzterer insbesondere in Verbindung mit dem großen Zahlungsbilanzdefizit und steigenden Zinssätzen. Andere Grundlagen für das Moody’s-Rating sind geopolitische Risiken, die jüngsten Militäraktivitäten der Türkei in Syrien, die Notwendigkeit von Schuldenumwälzungen und eine stärkere politische Kontrolle im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2019.

Und die Folgen für Wirtschaft und Aktienmarkt?

Ripfl: Bei den beiden vorrangegangenen Downgrade-Entscheidungen von Moody's und Fitch konnten wir am Markt sehr unterschiedliche Reaktionen beobachten. In den Wochen nach der Entscheidung von Fitch im Januar 2017 gab es eine positive, nach der Entscheidung von Moody's im September 2016 eine negative Marktreaktion. Infolge der jüngsten Herabstufung durch Moody's ist diese eher gelassen ausgefallen, da die Märkte eine mögliche Herabstufung bereits eingepreist hatten.

Wie schätzen Sie den Verschuldungsgrad des Landes, der Unternehmen und vor allem der Konsumenten ein?

Ripfl: Die Gesamtverschuldung der Türkei in Relation zum Bruttoinlandsprodukt beträgt etwa 30 Prozent. Im Vergleich zu anderen Ländern ist dieses Niveau angemessen. Das größere Problem der Türkei ist das Leistungsbilanzdefizit, das 2017 einen Stand von 47 Milliarden US-Dollar erreichte. Der türkische Finanzierungsmix ist aktuell noch stärker auf Portfoliozuflüsse angewiesen, da die Kreditaufnahme und ausländische Direktinvestitionen auf einem historischen Tiefstand liegen. Die offenen Devisenpositionen im türkischen Unternehmenssektor belaufen sich auf insgesamt 214 Milliarden US-Dollar. Dieses Fremdwährungs-Ungleichgewicht hat sich schnell von 70 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 auf über 200 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 erhöht.

Welche Effekte hat diese Zunahme?

Ripfl: Das hat ein zunehmendes finanzielles Risiko für die Unternehmen mit kurzen FX-Engagements zur Folge. Die Gesamtzahl der Privatkredite in Prozent des Bip ist von rund 3 Prozent im Jahr 2003 auf ein Rekordniveau von 19 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Aufgrund abnehmenden Verbrauchervertrauens, der Währungsabwertung und regulatorischer Maßnahmen hat sich das Verhältnis in den letzten drei Jahren bei circa 17 Prozent stabilisiert. Trotz dieser raschen Expansion scheint das Schuldenniveau der Haushalte immer noch deutlich unter gleichrangigen Ländern zu liegen.

Wie beurteilen Sie das Vorgehen der türkischen Notenbanker?

Ripfl: Der wichtigste Einflussfaktor für die Zentralbankpolitik in den vergangenen Jahren war – neben den Inflationserwartungen – der Währungsfaktor. Die Inflation hängt in der Türkei stark von den globalen Rohstoffpreisen und der Volatilität der Nahrungsmittelpreise ab. Die Türkische Lira hat seit 2008 stark abgewertet und die Erwartungen der Zentralbanken sind von einer Währungsstabilisierung geprägt. Wenn das globale Liquiditätsumfeld restriktiver wird, könnten auch die niedrigen Reserven der türkischen Zentralbank zu einem Problem werden. Die türkische Zentralbank versucht das operative Umfeld so günstig wie möglich zu halten. Die angekündigten „Tapering“-Pläne der wichtigen Zentralbanken, also die Abkehr von stützender Geld- und Zinspolitik, werden die Außenbilanzen der Türkei gefährden, da das Land stark von ausländischen Portfolio-Zuflüssen abhängig ist.

 

 

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