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Türkei rutscht in eine Finanzkrise „Kapitalkontrollen sind keine angemessene Lösung“

Paul Greer, Assistant Portfoliomanager Fixed Income bei Fidelity

Die Türkei steht vor wirtschaftlichen Herausforderungen, und alle sind gut bekannt: Eine überhitzte Wirtschaft, ein beträchtlicher externer Finanzierungsbedarf, ein übergroßes strukturelles Leistungsbilanzdefizit, eine anhaltend hohe Inflation im zweistelligen Bereich, niedrige Währungsreserven und eine Privatwirtschaft, die unter einer hohen Schuldenlast leidet. Als Folge davon hat sich die Anlegerstimmung bereits im gesamten vergangenen Jahr verschlechtert. Einen weiteren schweren Dämpfer erhielt die Stimmung nach den Präsidentschaftswahlen vom 24. Juni 2018, als der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Macht deutlich festigen konnte.

Die staatlichen Institutionen, die für Wirtschaft und Finanzen des Landes verantwortlich sind, scheinen die Kontrolle über die Währung verloren zu haben. Die Rhetorik der vergangenen Tage hat einen Mangel an Verantwortung erkennen lassen, um die Krise nachhaltig zu lösen. Ein Indiz hierfür ist der Leitzins der Zentralbank in Höhe von 17,5 Prozent. Das erscheint nur viel – angesichts einer Inflation, die demnächst bei 20 Prozent liegen dürfte, ist der aktuelle Leitzinssatz deutlich zu niedrig.

Angesichts der offensichtlichen Hilflosigkeit der Regierung ist es kein Wunder, dass sich ausländische Geldgeber beeilen, ihre Investments aus dem Land abzuziehen. Dabei bräuchte die Türkei jetzt dringend eine gegenteilige Entwicklung: Ausländisches Kapital, um die instabile Zahlungsbilanz auszugleichen.

Grafik: Die türkische Lira ist gegenüber dem US-Dollar eingebrochen

                                                                                 Quelle: Datastream, August 2018

Hilfe könnten einfache Lösungen bringen

Auch wenn das Land mit seinen 80 Millionen Einwohnern mit einer Vielzahl von fundamentalen Herausforderungen zu kämpfen hat, gibt es viele einfache Lösungen wie aus dem Lehrbuch. Die entsprechenden Maßnahmen sind durchaus in der Lage, die Abwärtsspirale von Anlegerstimmung und Kursverfall zu bremsen.

Ein erster wichtiger Schritt wäre eine aggressive Zinserhöhung der Zentralbank. Der Situation angemessen wäre eine Größenordnung von 1.000 Basispunkten; hier könnte das Vorgehen Argentiniens in einer ganz ähnlichen Lage als Vorbild dienen. Eine Zinserhöhung würde die Konjunktur verlangsamen und wahrscheinlich sogar zu einer Rezession führen. Der positive Effekt wäre jedoch, dass die starke Nachfrage nach Importen eingedämmt und infolgedessen das Leistungsbilanzdefizit verringert würde.

Ein weiterer entscheidender Schritt wäre, Schlüsselpositionen der Regierung mit pragmatischen Technokraten zu besetzen. Diese personelle Neuaufstellung würden die Märkte ohne Zweifel als wichtiges Signal für eine professionellere Wirtschafts- und Finanzpolitik werten – wodurch sofort die langfristigen Finanzierungskosten des Landes sinken würden. Ratsam wären auch strukturelle Reformen, die bessere Rahmenbedingungen für die verarbeitende Industrie und den Exportsektor schaffen. Dadurch würde die türkische Wirtschaft breiter diversifiziert und wäre nicht mehr so stark abhängig von Binnenkonsum und Bautätigkeit.