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Unternehmensberater Philip Kalus „Der europäische Fondsvertrieb hat bald 35 Prozent weniger Mitarbeiter“

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Weniger Fondsanalysten

Das Verbot von Rückvergütungen, in einigen europäischen Ländern schon heute der Fall und mit Inkrafttreten von Mifid II bald auch in ganz Europa Realität, bringt immer mehr Banken und andere Vertriebsschwergewichte dazu, Fondsselektion als Kostenfaktor zu betrachten. Dies gilt nicht nur für die klassische Fondsanalyse an sich, sondern auch für die rechtliche und administrative Prüfung, die technische Anbindung sowie die Abwicklung. Jeder einzelne Teil stellt einen Kostenblock dar.

Fondsempfehlungslisten und die Anzahl der von den Banken angebotenen Fondsanbieter werden in der Konsequenz reduziert. In ganz Europa lässt sich der Trend weg von offener hin zu geführter Architektur beobachten. Das wirtschaftliche Modell des Fondsvertriebs bei Banken verändert sich. 2016 kehrte das lange tot geglaubte hauseigene Fondsmanagement eindrucksvoll in die europäischen Bestseller-Listen zurück: Der Absatz von hauseigenen Fonds, ganz besonders in Südeuropa, erreichte neue Rekorde. Höhere Margen, kombiniert mit einer besseren Kontrolle der Vermögensgegenstände, werden diesen Trend unserer Meinung nach weiter verstärken.

Service wird wichtiger

Die Digitalisierung macht auch vor Fondsanalysten nicht halt. Dadurch verändert sich auch die Fondsanalyse an sich. Fondsdatenbanken von Drittanbietern zur quantitativen Analyse sind längst etabliert. Neu sind aber Internet-basierte Lösungen zur qualitativen Analyse von Fondsgesellschaften, Fondsmanagern, Investment-Prozessen, Risikomanagement et cetera. Informationen, die bisher den direkten Kontakt zur Fondsgesellschaft erforderten, werden zunehmend über Drittanbieter zur Verfügung gestellt. Die Notwendigkeit, dass Fondsanalysten mit Fondsgesellschaften in Kontakt treten müssen, verschiebt sich zunehmend hin zum Ende eines Analyseprozesses.

Im Fokus stehen dann weniger die Fonds an sich, deren Prüfung bereits erfolgt ist, sondern in erster Linie Aspekte der Kundenbetreuung. Die faktischen Unterschiede von Fonds, die eine Prüfung erfolgreich durchlaufen haben, sind oftmals marginal. Die finale Entscheidungsfindung zu Gunsten eines bestimmten Fonds wird immer mehr von Serviceaspekten bestimmt. Hier trennt sich oftmals die Spreu vom Weizen. Der Wettbewerb wird zunehmend auf der Ebene der Kundenbetreuung ausgetragen. Die Ansprüche führender Fondsanalysten in Europa an die Qualität im Kundenservice der Fondsgesellschaften, an die Tiefe der Informationen - oftmals in maßgeschneiderten Formaten - sowie an die Schnelligkeit in der Bearbeitung von Anfragen wachsen stetig.

Die gesamte Wertschöpfungskette im Fondsvertrieb befindet sich im Umbruch. Auf Basis der vorweg beschriebenen Veränderungen erwarten wir, dass sich die Anzahl von Vertriebsmitarbeitern in Europa  in den nächsten Jahren um mindestens 35 Prozent reduzieren wird. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die Zahl hoch qualifizierter Servicemitarbeiter überproportional zunehmen könnte. Spannende Zeiten.

Der Autor:
Philip Kalus ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsgesellschaft Accelerando Associates. Die Gesellschaft bietet Asset Managern Research und strategische Beratung zum Fondsvertrieb in Europa an.

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