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Urteil des OLG Hamm BU-Ansprüche bei „Raubbau an der eigenen Gesundheit“

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Der Sachverständige hatte ebenfalls überzeugend ausgeführt, dass sich durch die Dokumentation mehrerer ärztlicher Diagnosen und Behandlungen auch schon für die Zeit vor März 2008 das für ihn stimmige Bild einer mittelgradigen depressiven Episode ergeben habe.

Der Prognose stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin vorher beruflich tätig wurde, denn soweit sie bis zum 16. März 2008 weiter wie gewohnt arbeitete, sei dies unter „Raubbau an ihrer Gesundheit“ geschehen. Ab März 2008 sei sie zu einer Tätigkeit, die 50 Prozent des ursprünglichen Umfangs erreicht hätte, ohne Raubbau nicht in der Lage gewesen. Zu einem Raubbau an seiner Gesundheit sei der Versicherte jedoch gerade nicht verpflichtet. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit auch nicht „umorganisieren“ können, so dass sie trotz ihrer Erkrankung hätte weiter arbeiten können.

Nicht ersetzbare Fachkompetenz

Die durchgeführte Beweisaufnahme des OLG hat die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin bestätigt, sie habe in ihrem Unternehmen eine Art „Klammerfunktion“ mit Letztentscheidungskompetenz innegehabt, die wegen ihres umfassenden Überblicks über das Unternehmen unverzichtbar gewesen sei und nicht durch eine anderweitige Organisation hätte aufgefangen werden können.

So hatte insbesondere ein Zeuge, der ebenfalls eine herausgehobene Stellung innehat, bestätigt, die Klägerin sei aus seiner Sicht nicht austauschbar gewesen, weil sie diejenige gewesen sei, welche die Kompetenz zu abschließenden Entscheidungen hatte.

Der Sachverständige habe zudem einleuchtend dargelegt, dass die Überzeugungskraft der bereits im Juni 2007 durch den Hausarzt gestellten Diagnose nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass dieser kein Facharzt ist. Denn seine Diagnose sei nicht nur mehrfach bestätigt worden, sondern es werde auch deutlich, dass der Hausarzt sachkundig geurteilt habe.

Hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin „voraussichtlich dauernd“ zur weiteren Ausübung ihres Berufs außerstande sei, erfordert eine im Wege rückschauender Betrachtung anzustellende medizinische Prognose. Voraussetzung ist, dass ein Zustand erreicht ist, dessen Besserung zumindest bis zur Wiederherstellung der halben Arbeitskraft nicht mehr zu erwarten ist. Dass „voraussichtlich dauernd“, seien das auch nur drei Jahre, eine Besserung nicht zu erwarten war, hatte die Klägerin – anders als bezogen auf einen sechsmonatigen Prognosezeitraum – jedoch nicht bewiesen.

Zwar hatte der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass aufgrund der unzureichenden Wirkung des Medikaments Fluoxetin im März 2008 ein Fortbestand des Zustands der Klägerin für weitere sechs Monate zu erwarten war. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt jedoch von einer dauernd schlechten Prognose auszugehen gewesen wäre, vermochte er hingegen nicht festzustellen.

Hinweis für die Praxis

Das Urteil des OLG Hamm überzeugt im Ergebnis. Vielmehr: Es zeigt, dass sich das Gericht im Rahmen der Beweisaufnahme umfassend mit der gesundheitlichen sowie beruflichen Situation der Klägerin auseinandergesetzt hat. Dieses darf man zwar auch erwarten. Jedoch zeigen viele andere Fälle, dass dies nicht immer geschieht. Auch kommt es dabei auf die spezielle Expertise des gerichtlich bestellten medizinischen Gutachters an.

Auch an dieser Stelle können viele Probleme im Verfahren entstehen, wenn Gutachter zum einen wegen der geltend gemachten Zeiträume keine Aussagen tätigen können. Zum anderen jedoch auch, wenn die Tätigkeiten des Anspruchstellers vorher nicht genau vorgetragen wurden. Dieses erfordert viel Fingerspitzengefühl und Rechtskenntnisse im Versicherungsrecht, spezieller noch: „Berufsunfähigkeitsversicherungsrecht“.

Unzumutbares Weiterarbeiten

Stehen Tätigkeiten und die Gesundheit fest, so kann man zu dem Ergebnis kommen, dass der Versicherte zwar weitergearbeitet hat, jedoch eigentlich gar nicht hätten arbeiten können. Damit wäre ein Weiterarbeiten unzumutbar und löst Ansprüche gegen BU-Versicherungen aus. Dieses gilt es zu erkennen. Gerade Selbstständige erliegen dabei dem Phänomen, immer weiterzuarbeiten und den Zeitpunkt des „Ausstiegs“ zu überschreiten. Dieses ist zum einen gesundheitlich sehr gefährlich, zum anderen erkennen Versicherungen dieses im Rahmen ihrer Leistungsfallprüfung oft nicht. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist anwaltliche Unterstützung zwingend geboten.

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