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Vermögensverwalter Markus Richert „Spiel mit dem Untergang im Weißen Haus“

Markus Richert, Seniorberater bei Portfolio Concept Vermögensmanagement, blickt auf den internationalen Handel.
Markus Richert, Seniorberater bei Portfolio Concept Vermögensmanagement, blickt auf den internationalen Handel. | Foto: Portfolio Concept

Was haben halbstarke US-amerikanische Jugendliche aus den 50er Jahren und der aktuelle US-Präsident Donald Trump gemeinsam? Sie alle sind Teile eines Szenarios, das als „chicken game“ (Feigheitsspiel) in der ökonomischen Spieltheorie ausführlich analysiert worden ist. Vor allem der Ökonom und spätere Nobelpreisträger Thomas Schelling hat in seinem Hauptwerk „The Strategy of Conflict“ in den 60er Jahren die wesentlichen Forschungsgrundlagen gelegt. Derzeit findet das Spiel jedoch nicht in der theoretischen Umgebung eines volkswirtschaftlichen Lehrstuhls statt, sondern auf offener Weltbühne. Die Auswirkungen kann derzeit niemand abschätzen.

Das Spiel mit dem Untergang

Die Grundkonstellation des Spiels ist wahrscheinlich jedem bekannt. Angeblich basiert es auf einer in den 50er Jahren in den USA verbreiteten Mutprobe unter Jugendlichen. Zwei „Halbstarke“ sitzen je in einem Auto, lassen ihre Motoren aufheulen und rasen frontal aufeinander los. Wer zuerst ausweicht ist „the chicken“ (Feigling), beweist damit seine Angst und hat das Spiel verloren. Weicht keiner aus, haben beide Spieler zwar die Mutprobe bestanden, ziehen jedoch daraus keinen persönlichen Nutzen, weil sie durch den Zusammenprall vermutlich ihr Leben oder zumindest ihre Gesundheit verlieren.

Das Spiel mit dem Untergang wird in der Spieltheorie als ein Zweipersonenspiel mit je zwei Strategien (ausweichen, weiterfahren) modelliert. Das klassische Beispiel für ein chicken-game ist ein militärischer Konfrontationskurs. Nukleare Abschreckung basiert genau auf dieser Logik. Man versucht den Preis der Kollision so hoch zu schrauben, dass theoretisch niemand eine solche riskieren sollte. Viele sehen in der Kubakrise von 1962 ein typisches Beispiel für ein chicken game. In dieser Lesart hat Chruschtschow gegen Kennedy verloren, weil er statt der Kollision (3. Weltkrieg) ausgewichen ist, als er seine Flotte zurückrief.

Trump fährt die eigene Wirtschaft gegen die Wand
In diesem Sinne spielt Donald Trump heute mit Europäern, Chinesen, Iranern und anderen das chicken game. Er droht mit Handelskrieg und versichert, ein solcher sei „gut und leicht zu gewinnen”. Die beiden Hauptfiguren des gegenwärtig laufenden Spiels heißen Donald Trump, Präsident der USA, und Xi Jinping, Staatschef Chinas. Ihre Strategien sind Handelsbarrieren einführen oder es sein lassen.

Beide haben sich offensichtlich für Ersteres entschieden und beide geben dabei immer noch ein bisschen mehr Gas. Der wirtschaftliche Wert der angedrohten Maßnahmen erhöht sich laufend. Gibt Trump nicht nach und setzt China die angedrohten Maßnahmen um, müssten amerikanische Firmen auf einen Großteil des Handels mit China verzichten. Trump führe damit die eigene Wirtschaft gegen die Wand.

Die Kunst im chicken game ist es, möglichst glaubwürdig zu drohen, man werde bestimmt nicht als Erster ausweichen. Glücklicherweise gibt es in der Realität auch mehr als zwei Handlungsalternativen. So stehen die Spieler nicht einfach vor der Entscheidung weiterzufahren oder auszuweichen, sondern sie können zum Beispiel zu verschiedenen Zeitpunkten ausweichen. Außerdem haben sie vielleicht die Möglichkeit, Handlungen auszuführen, die das Verhalten des Gegners beeinflussen, indem sie beispielsweise versuchen, den Gegner davon zu überzeugen, dass sie selbst keinesfalls ausweichen werden.

Madman-Theory

Diese Variante wird durch die sogenannte Madman-Theory (Theorie vom Verrückten) simuliert. Wenn einer der Spieler vor der Fahrt eine Flasche Wodka leert, die Sonnenbrille aufsetzt und dann während der Fahrt das Lenkrad aus dem Fenster wirft, macht er dem anderen damit unmissverständlich klar, dass er nicht mehr ausweichen kann. Damit wird die Irrationalität eines Spielers zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor der Strategie.

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Der Ruf, ein rationaler Verhandlungspartner zu sein, eilt Donald Trump nicht unbedingt voraus. Ganz im Gegenteil, in seiner bisherigen Amtszeit scheint er alles dafür zu tun, um als nicht vorhersehbar oder als rational eingeschätzt zu werden. Während der Nordkoreakrise im Frühjahr dieses Jahres ließ er medienwirksam der Weltöffentlichkeit mitteilen, dass sein Nuklear-Knopf größer sei als jener von seinem nordkoreanischen Gegenspieler Kim Jong Un. Ein Verhalten und eine Ausdrucksweise, die eher an einen halbstarken Jugendlichen, als an den Präsidenten der stärksten Wirtschaftsnation der westlichen Welt erinnerte.

Der deutsche Spieltheoretiker und Nobelpreisträger Reinhard Selten hatte diesen Zusammenhang unter anderem in seinem „chain store game“ (Kaufhauskettenspiel) untersucht. Ein marktbeherrschender Supermarkt möchte sich potenzieller Konkurrenten erwehren, indem es diesen mit einem zerstörerischen Preiskrieg droht. Handelt es sich um ein rationales Unternehmen, ist die Drohung nicht glaubwürdig, weil es sich auch selbst schaden würde. Schon ein bisschen irrationales Verhalten kann sie aber glaubwürdig machen.

Trumps Zockermentalität

Auch wenn Donald Trump einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften hat, ist es eher unwahrscheinlich, dass er sich intensiver mit den unterschiedlichen spieltheoretischen Ansätzen beschäftigt hat. Politische Beobachter unterstellen ihm keinen großen Plan. Die Spielermentalität, die ihn in seinem bisherigen Leben zum Immobilienmilliardär hat werden lassen, hat Trump als Präsident nicht abgelegt. Er versteht Politik als großes Spiel. Dabei sieht Donald Trump den Handel nicht als Veranstaltung zum gegenseitigen Nutzen, sondern als Nullsummenspiel. Des einen Gewinn, ist des anderen Verlust.

Kurzfristig, da sind sich die meisten Ökonomen einig, haben die USA auch die besseren Karten. Die US-Wirtschaft hat eine geringe Exportabhängigkeit. Lediglich zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung hängen vom Export ab, allein in der EU sind es über 40 Prozent. Langfristig gibt es jedoch keine Gewinner in einem globalen Handelskrieg, da die großen Wirtschaftsnationen durch globale Lieferketten aneinander gebunden sind.

Administrativen Mühlen verschaffen Zeit

Die Märkte sind derzeit zusehends verunsichert. Für Anleger ist der drohende Handelskrieg der Hauptrisikofaktor für die Weltwirtschaft. Trumps permanente Drohungen machen die Märkte nervös. Auf der anderen Seite verschaffen die administrativen Mühlen allen Beteiligten Zeit. Bis die angedrohten Zölle in Kraft treten könnten, dürften noch einige Woche vergehen. Zeit genug für alle Beteiligten noch rechtzeitig auszuweichen und Zeit für Anleger die Rücksetzer im Markt zu nutzen oder ihr Portfolio robust aufzustellen. Sollte der von vielen befürchtete globale Handelskrieg ausbleiben, ist der Weg wieder frei für ein versöhnliches Börsenjahr 2018.

Autor Markus Richert, CFP und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement in Köln.

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