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Vermögensverwalter-Roundtable „Man sollte sich hüten, Kunden hohe Renditen vorzugaukeln“

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Herr Willert, Ihre Produkte tragen „Total Return“ im Namen. Fühlen Sie sich von der Kritik angesprochen?

Willert: Nein, unsere Fonds schlagen sich auch in dieser Marktphase sehr ordentlich. Es ist ohnehin zu klären, wie man Total Return definiert und zu Absolute Return abgrenzt. Es gibt hier keine festgeschriebene Begrifflichkeit. Wir definieren für uns Total Return so, dass wir Benchmark-unabhängig agieren und langfristig positive Erträge erreichen wollen. Je höher die Aktienquote, desto länger ist auch der Zeitraum, den man dem Produkt geben muss, um das Ziel zu erreichen. Die Kernstärke unserer Produkte ist, große Verluste zu vermeiden. Das halten wir für zentral: Verzeichne ich ein Minus von 33 Prozent, brauche ich ein Plus von 50 Prozent, bis ich mein Geld zurückhabe. Bei 50 Prozent minus sind dies plus 100 Prozent, für ein Minus von 90 Prozent wäre es ein Plus von 900 Prozent. Das ist in einem Anlegerleben fast nicht mehr zurückzuverdienen.

Erdmann: Es ist ja generell die Zielsetzung von VV-Fonds, Verluste zu reduzieren und an Aufschwüngen angemessen zu partizipieren. Das bringt spezielle Beschränkungen mit sich. Darüber hinaus ist aber ist die Frage zu stellen, inwiefern das Risiko-management zur obligatorischen Rendite-beschränkung führt. Viele Fonds werden nach dem Value-at-Risk Ansatz gemanagt: In fallenden Märkten steigt die Volatilität, sodass Positionen zu niedrigen Kursen aufgelöst werden. Ein kluger Kaufmann kauft doch eigentlich dann ein, wenn das Angebot am günstigsten ist.

Klein: Diese Renditebeschränkung müssen wir dem Kunden transparent machen. Aber eins ist auch sicher: Die Ausschläge am Markt werden tendenziell noch viel größer. Das liegt unter anderem daran, dass durch die Regulierung ein Marktteilnehmer, der diese Ausschläge geglättet hat, zunehmend seine Rolle verändert: die Investmentbanken, die gewisse Positionen auch mal für drei Stunden oder auch für mehrere Tage aufs eigene Buch nehmen können.

Erdmann: Kommt hinzu, dass heute mehr als 50 Prozent der Aufträge an den Börsen computergeneriert sind und automatisch ausgelöst werden. Der dritte die größeren Schwankungen hervorrufende Faktor ist, dass die passiven Investments stark zugelegt haben. Das verstärkt den Herdentrieb.

Was dann aber auch Kaufkurse bietet.

Willert: Ja, aber auf dem absoluten Tiefpunkt einsteigen zu wollen, kann auch zum Vabanquespiel werden. Die Geschehnisse auf dem einstigen Neuen Markt sind ein gutes Beispiel: Der fiel zunächst von 9.000 auf 7.000 Punkte, und alle haben gesagt, das sei eine Einstiegsgelegenheit. Bei 5.000 Punkten hieß es, so billig wird’s nie wieder, bei 3.000 Punkten änderten die Anleger ihre Ziele und wollten nurmehr ihr Geld zurück. Bei 1.000 Punkten herrschte totale Verzweiflung, bei zirka 350 Punkten hat man den Index geschlossen. Um es etwas zynisch zu sagen: Es gab viele vermeintliche Kaufgelegenheiten, bis das Ende des Geldes erreicht war.

Hess: Wir leben in einer Zeit, wo disruptive Techniken wie das Internet viel schneller ihre Wirkung entfalten. Alles wird dadurch viel schnelllebiger. Und einstige Konstanz ist keine mehr: Die VW-Aktie war vor drei Jahren noch eine sichere Bank, heute würde man das wohl nicht mehr so sehen. Das gilt auch fürs Arbeitsleben: Mittlerweile rechnet niemand mehr mit einem Job auf Lebenszeit. Das heißt aber auch, dass man ein sehr viel flexibleres Anlagemanagement braucht, gerade was den Investmenthorizont angeht. Die Möglichkeit kurzfristiger Verfügbarkeit ist somit ein Asset an sich geworden – aber eins, was sich eben nicht mehr verzinst.

Willert: Das sehe ich ähnlich. Die meisten privaten Investoren bringen für Buy-and-hold-Konzepte weder den Anlagehorizont noch das Risikoprofil mit. Es gibt keinen großen Aktienindex, der in den zurückliegenden 20 Jahren nicht einmal mindestens 60 Prozent an Wert verloren hat – und die Recovery-Zeiten sind enorm lang. Im September 2000 war der MSCI World in Euro auf seinem Allzeithoch. Wäre man da eingestiegen, läge man heute nach wie vor unter Wasser. Dabei ist noch nicht einmal die Inflation berücksichtigt. Das Beispiel zeigt auch die Grenzen der Diversifikation innerhalb von Assetklassen.

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