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Wachtendorf-Kolumne Fonds-Marketing: Wir können alles – außer Deutsch

Egon Wachtendorf, DAS-INVESTMENT-Kolumnist
Egon Wachtendorf, DAS-INVESTMENT-Kolumnist | Foto: Axel Baumhöfner

Eine ganz normal beginnende Bahnfahrt von Hamburg nach Bremen. Kurz vor Harburg dann die Durchsage, die jedwede Planung zunichtemacht: Wegen eines Personenschadens auf der Strecke muss der Zug leider über Hannover umgeleitet werden. Am Ende beträgt die Verspätung dreieinhalb Stunden, weil der Anschluss in Hannover nicht warten konnte und der nachfolgende ICE durch eine Signalstörung behindert wird. Ein rundum missratener Feiertags-Nachmittag also, hätte nicht zwischenzeitlich eine der vielen weiteren, stets zweisprachig gehaltenen und um Verständnis heischenden Durchsagen unfreiwillig für ein wenig Heiterkeit gesorgt: „We apologize for any convenience.“

Spätestens seit Erscheinen des Bestsellers „Senk ju vor träwelling“ gehört es zum Allgemeingut, dass die Kommunikation zwischen der Deutschen Bahn und ihren Kunden nicht immer optimal verläuft. Kritischen Beobachtern der Investment-Branche dürfte dieses Problem durchaus bekannt vorkommen. Sprachlich liegen nämlich zwischen ihren Vertretern und dem Publikum, das sie ansprechen wollen, mitunter Welten.

Da wird in Interviews, Marktkommentaren oder Verkaufsunterlagen munter diversifiziert statt ein Risiko gestreut, Alpha generiert statt Mehrwert erzielt oder eine Opportunität genutzt statt eine Chance ergriffen, um nur drei der häufigsten Phrasen zu nennen. Spätestens, wenn es ab dem zweiten Satz vor ohne Not eingestreuten Anglizismen wie Assets, Benchmark oder Bottom-up nur so wimmelt, wenden sich die meisten Adressaten ab. Ganz ohne Heiterkeit. Die käme höchstens auf, wenn ein Fondsanbieter den Mut aufbrächte, seine Dienstleistung mit dem Slogan „Wir können alles außer Deutsch“ zu vermarkten.

Ich frage mich immer wieder, warum die Branche so beharrlich an ihren Kunden vorbeiredet. Letztlich lande ich bei drei möglichen Erklärungen. Erstens: pure Gedankenlosigkeit. Träfe dies zu, wäre es hochgradig unprofessionell. Zweitens: der Versuch, Herrschaftswissen zu bewahren. Denkbar, aber ebenso arrogant wie töricht und im Endeffekt kaum minder amateurhaft.

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Die dritte und in meinen Augen wahrscheinlichste Erklärung lautet, dass viele Investment-Verantwortliche den Endanleger als Ansprechpartner längst abgeschrieben haben. Nach dem Motto „Fonds werden verkauft und nicht gekauft“ geht es einzig und allein darum, den zwischengeschalteten Vermittler – neudeutsch Intermediary – für das eigene Produkt zu begeistern. Dessen Kunde als der eigentliche Abnehmer der Botschaft stört da nur.

Wer so denkt, liegt jedoch gleich doppelt falsch. Denn zum einen gibt es nach wie vor eine Reihe von Selbstentscheidern, die es lohnt, mit klaren und verständlichen Worten anzusprechen. Zum anderen überfordert das Finanz-Kauderwelsch auch viele Vermittler. Manche – und das sind meist die qualifizierteren – lehnen es zudem ebenfalls ab, weil sie wissen, dass sie das bei ihrer Arbeit, Anleger von den Vorzügen eines Investmentfonds zu überzeugen, nicht weiterbringt.

Aus aktuellem Anlass noch der Appell, es im Investment-Alltag jenseits aller Anglizismen nicht mit einem Begriff zu übertreiben, der auf den ersten Blick völlig harmlos erscheint, es aber ähnlich wie der Personenschaden im Bahnverkehr in sich hat und darüber hinaus an eine ganz dunkle Epoche deutscher Geschichte erinnert: Selektion. Ein Fondsmanager, der zum Vorteil seiner Kunden interessante Aktien kauft, kommt definitiv sympathischer rüber als einer, der auf der Basis von fundamentalen und technischen Modellen fortlaufend die attraktivsten Anlageinstrumente selektiert. Nicht nur bei mir.

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