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Aktualisiert am 08.09.2017 - 13:05 Uhrin Sparen & PortfolioLesedauer: 2 Minuten

Wachtendorf-Kolumne Verluste durch Niedrigzins: Statistiken, die die Welt nicht braucht

Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS

Die Deutschen sind ein Volk der Dichter und Denker – und der Mathematiker. Stets wollen sie alles ausrechnen. Dank der Ökonomen der DZ Bank wissen wir deshalb nun ganz genau: Bis Ende 2014 hat die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank den durchschnittlichen Sparer pro Kopf bereits 1.400 Euro gekostet. In diesem Jahr dürften weitere 900 Euro hinzukommen. Bleibt der Zins bis zum Jahr 2020 unter seinem normalen Niveau, summiert sich der Verlust daraus auf 4.900 Euro, inklusive Zinseszins sogar auf 8.200 Euro. Selbstverständlich haben die DZ-Bank-Mitarbeiter hierbei nicht nur die Zinsverluste bei Anleihen, Tagesgeldkonten und Lebensversicherungen berücksichtigt, sondern – wie sich das für eine saubere Rechnung gehört – auch die Zinsersparnis, die Millionen von Kreditnehmern erfreut.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leser, aber ich kann über diese 8.200 Euro nur müde lächeln. Nicht nur, weil die von mir gehaltenen Aktienfonds allein in den vergangenen drei Monaten ein Vielfaches davon an Wert zugelegt haben. Nein, das wäre anmaßend, denn mir ist selbstverständlich bewusst, dass die wirtschaftliche Situation eines Finanzjournalisten, der sich seit 25 Jahren aktiv mit den Möglichkeiten von Investmentfonds auseinandersetzt, nicht im Entferntesten vergleichbar ist mit der einer 30-jährigen alleinerziehenden Altenpflegerin. Oder der eines 70-jährigen Rentners, dem von seiner letzten Ruhegelderhöhung netto gerade einmal 5,32 Euro übrig geblieben sind und der wegen der steigenden Lebenshaltungskosten als Nachtportier noch etwas hinzuverdienen muss.

Letztlich tun die Ökonomen der DZ-Bank aber wie jeder Statistiker genau das: Sie scheren alles und alle über einen Kamm, und am Ende kommt etwas heraus, das an der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen komplett vorbei geht. Hinzu kommt, dass in diesem Fall schon die Basis der Berechnungen mehr als fragwürdig ist: Als „normales Zinsniveau“ gilt der DZ-Bank zufolge, was Sparer zwischen 1999 und 2009 als Renditen erzielen konnten. Wer so argumentiert, hätte Mitte der 80er Jahre auch dem deutlich höheren Zinsniveau der 70er Jahre hinterherjammern müssen, als selbst bei einem simplen Sparbrief noch eine Zehn vor dem Komma stand.

Also, liebe Statistiker, Mathematiker und Ökonomen: Setzt keine Zahlen in die Welt, die niemandem etwas nutzen, sondern widmet euch lieber den wirklichen Problemen. Neben ganz vielen drängenden in der Sozialpolitik unter anderem diesem: Warum lassen auch Leute, die es sich vom Gehalt her locker leisten könnten, monatlich 300 oder sogar 500 Euro in einen Aktienfonds zu investieren, ihr Erspartes auf einem mit 0,15 Prozent verzinsten Tagesgeldkonto verschimmeln?

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