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Aktualisiert am 08.09.2017 - 12:47 Uhrin FondsLesedauer: 4 Minuten

Wachtendorf-Kolumne Von der Hausapotheke zum Multi-Asset-Fonds

Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS

Die Buchmesse in Frankfurt hat schon vor knapp drei Wochen ihre Pforten wieder geschlossen. Den meisten Besuchern wird sie in diesem Jahr vermutlich wegen des weltgrößten Bücher-Dominos in Erinnerung bleiben – eine Aktion, die dem erst 18-jährigen Initiator Patrick Sinner einen weiteren Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde beschert. Jede Menge Literatur gab es natürlich auch: Unter den mehr als 40.000 Neuerscheinungen wird wohl jeder in den kommenden Monaten seine eigenen Favoriten finden. Alle diese Bücher zu lesen oder auch nur wahrzunehmen, dürfte jedoch ein Ding der Unmöglichkeit sein.

Ähnliches gilt selbst für den deutlich überschaubareren Bereich der Wirtschaftstitel, für den die Messe seit 2009 gemeinsam mit dem „Handelsblatt“ und der Investmentbank Goldman Sachs den „Deutschen Wirtschaftsbuchpreis“ vergibt. Gewonnen hat ihn in diesem Jahr The Second Machine Age, weil dessen Autoren Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee der Jury zufolge dem Ziel des Preises, das Verständnis von Wirtschaft in der breiten Öffentlichkeit in beispielhafter Weise zu fördern, am nächsten kamen.

Ein Buch, das 2015 zwar nicht auf der Shortlist der Jury landete, aber ebenfalls in Frankfurt präsentiert wurde und in dieselbe Kerbe schlägt, ist Die finanzielle Hausapotheke von Werner Rosenberger. Ein auf den ersten Blick höchst banaler Titel, der jedoch durchaus Sprengkraft birgt: Schließlich lautet die Kernaussage des Autors, der mehr als 20 Jahre lang in leitender Position bei den Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse arbeitete, wie folgt: „Jeder Anleger soll nur Investitionen tätigen, die er versteht!“

Einer Aussage, der man instinktiv zustimmen möchte – bis man realisiert, dass ihre konsequente Umsetzung ähnlich utopisch ist wie der Versuch, sämtliche Neuerscheinungen eines Jahres zu lesen. Es sei denn, man nimmt in Kauf, dass mindestens 80 Prozent der Deutschen ihr komplettes Vermögen künftig ausschließlich auf Termingeldkonten bunkern oder in die eigene Immobilie investieren. Denn bereits beim so beliebten und sich eigentlich selbsterklärenden Sparbuch kommt es immer wieder zu Verständnisschwierigkeiten. Jeder Banklehrling, der im Rahmen seiner Ausbildung schon einmal einer etwas betagteren Rentnerin den Zweck eines Vorschusszinses klarzumachen versucht hat, kennt das Problem. Lebensversicherung, Bausparvertrag, Staatsanleihe, Investmentfonds? Die meisten Deutschen nutzen diese Produkte zwar seit Jahrzehnten. Deren Funktionsweise und vor allem die damit verbundenen Risiken bis ins Detail verstanden haben dürften aber die wenigsten von ihnen.

Also, einen Schritt zurück und das Ganze neu formuliert. Vielleicht „Jeder Anleger soll nur Investitionen tätigen, die es ihm ermöglichen, sie zu verstehen“? Das öffnet Türen, aber längst nicht alle. Beispiel Investmentfonds: Ein voll replizierender ETF, der jeden einzelnen Titel aus dem von ihm abgedeckten Index im Portfolio hält, dürfte diese Anforderung durchaus erfüllen. Ein nach klar definierten Kriterien arbeitender Value-Fonds, der auf jeglichen Einsatz von Derivaten verzichtet, ebenfalls. Aber ein Absolute-Return- oder Multi-Asset-Fonds? Die meisten Käufer eines solchen Produkts dürften mit der entsprechenden Übersetzungshilfe gerade noch begreifen, welches Grundprinzip sich dahinter verbirgt. Mehr geht im Zeitalter von Overlay-Management, Value at Risk und Smart Beta kaum.

Das Dilemma, in dem sowohl die Käufer als auch die Anbieter von Finanzprodukten stecken, ist offensichtlich; es aufzulösen, nicht ganz einfach. Vielleicht würde es schon helfen, wenn beide Seiten einen ersten Schritt aufeinander zugehen. Wenn also Anleger für die Auswahl eines sie im Idealfall über viele Jahre hinweg begleitenden Finanzprodukts genauso viel Zeit investieren wie für den Kauf eines neuen Autos. Und die Produktgeber im Gegenzug zumindest den Versuch unternehmen, ihr Tun so zu erklären, dass es ein Normalsterblicher auch ohne drei Semester Finanzökonomie versteht.

Der Rest ist – zwangsläufig – Vertrauen. Das allerdings muss nach allem, was vom Kunden nicht verstandene Anlageprodukte in den vergangenen zwei Jahrzehnten in deren Depots angerichtet haben, erst einmal wieder wachsen.

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