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Wallwitz-Ausblick: "Die USA kommen als erstes auf die Füße"

Georg Graf von Wallwitz, Eyb & Wallwitz
Georg Graf von Wallwitz, Eyb & Wallwitz
Wie soll man mit neuen Situationen umgehen, für die sich keine passende Regel findet? Dieses Problem taucht in der Ethik immer wieder auf und stellt eine große Anforderung an die Urteilskraft des Einzelnen dar.

Für den Umgang mit diesem Problem hat Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik die heute so genannte Lesbische Regel formuliert. Darin regelt er den Umgang mit dem immer wieder auftretenden Umstand, dass die allgemeinen Gesetze auf konkrete Situationen irgendwie nicht zutreffen.

Aristoteles empfiehlt für solche Fälle, es mit den Baumeistern von der Insel Lesbos zu halten, die ein bleiernes Richtmaß verwenden, welches sich „der Gestalt des Steines angleicht und nicht dieselbe Länge behält“. Wo die Umstände besonders sind, muss der Maßstab sich verändern, man kann nicht hoffen, dass sie sich ihm anpassen. Es ist besser, in einer konkreten Situation einen krummen, aber funktionierenden Maßstab zu haben, als einem Ideal zu folgen, das glatt und gerade ist, aber nutzlos.

Das zu Ende gehende Jahr ist darin bemerkenswert, wie gut sich die Finanzmärkte in die ungewöhnlichen Verhältnisse gefügt haben. Wir haben die niedrigsten Zinsen aller Zeiten (die längsten Zeitreihen gibt es für die Niederlande, seit 1517), Schulden wie im Krieg und ein Wirtschaftswachstum, das den Namen nicht verdient.

Die Nachrichtensplitter des Jahres lesen sich nicht gut: Die USA schulden den Chinesen mittlerweile 3 Billionen US-Dollar und machen wenig Anstalten, sie in gleicher Kaufkraft zurückzuzahlen. Japans Banken haben 900 Prozent ihres Eigenkapitals in heimische Staatsanleihen investiert (zum Vergleich: Bei Britischen Banken sind es 25 Prozent).

Das größte griechische Privatkonto bei der HSBC in Genf ist wohl der Familie des letzten sozialistischen Ministerpräsidenten Papandreou zuzuordnen. Immerhin 550 Millionen Euro in liquiden Mitteln. Das sieht alles nicht schön aus, aber wir haben uns daran gewöhnt, wie es scheint. Wer diese sehr realen Probleme ernst genommen hat, hat ein gutes Aktienjahr verpasst. In solchen Zeiten zeigt sich der Wert der Lesbischen Regel.

Die USA kommen als erste auf die Füße


Wir Europäer müssen immer wieder mit Bewunderung feststellen, wie es den Amerikanern gelingt, sich aus eigener Kraft aus ihren Problemen zu befreien.
Die Bush-Ära endete mit zwei großen Ungleichgewichten, die sich in den vorangegangenen 30 Jahren aufgebaut hatten. Die privaten Haushalte waren zu hoch verschuldet und die Leistungsbilanz eine Katastrophe. Beide Probleme haben heute viel von ihrem Schrecken verloren.

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