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Was nun, Eurozone?: „Mich ärgert die Scheinheiligkeit der deutschen Politik“

Friedhelm Busch
Friedhelm Busch
DAS INVESTMENT.com: Geht Griechenland trotz Rettungsaktion noch pleite?

Friedhelm Busch: Die Milliardenkredite der Euroländer sind im Grunde nur eine befristete Liquiditätshilfe. Sie bewahren Griechenland zwar vor einer sofortigen Zahlungsunfähigkeit, lösen aber kaum die grundlegenden Wirtschaftsprobleme des Landes. Die Pleite wird also nur aufgeschoben.

DAS INVESTMENT.com: Falls Griechenland pleitegeht, was passiert schlimmstenfalls? Euro-Aus für Griechenland? Der Euro zerbricht? Oder eine weltweite Finanzkrise?

Busch: Sollte sich in den kommenden Jahren die internationale Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft nicht grundlegend verbessern, hat das Land keine Chance im Euro-Raum zu überleben. Ein drastischer Schuldenschnitt und die Rückkehr zu einer nationalen Währung wären dann unausweichlich. Den Euro und die Finanzmärkte würde das aber kaum nachhaltig beeinträchtigen, selbst wenn sich die Portugiesen den Griechen anschließen sollten. Die wirklichen Gefahren für die Finanzwelt lauern im US-Dollar.

DAS INVESTMENT.com: Welche politische Entscheidung in der Eurokrise ärgert Sie am meisten?

Busch: Mich ärgert vor allem die Scheinheiligkeit der deutschen Politik. Medienwirksam fordert jetzt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble entschiedene Maßnahmen gegen künftige Stabilitätssünder im Euro-Raum. Schäuble weiß, dass es gerade die Deutschen waren, die unter dem damaligen Finanzminister Hans Eichel Arm in Arm mit den Franzosen die Maastricht-Kriterien ausgehebelt und damit den folgenden Regelverletzungen in der Europäischen Union Tür und Tor geöffnet haben.

DAS INVESTMENT.com: Ist Deutschland bisher Gewinner oder Verlierer der Eurokrise?

Busch: Es klingt absurd, aber gegenwärtig gehört Deutschland zu den Nutznießern der Eurokrise. Während die hochverschuldeten Euro-Staaten unter dem Misstrauen der Finanzmärkte leiden und mit steigenden Zinsen bestraft werden, profitieren die deutschen Staatsanleihen durch eine steigende Nachfrage vom Vertrauen der internationalen Finanzinvestoren. Die starke Nachfrage führt zu höheren Kursen und folglich zu sinkenden Renditen. Der deutsche Staat kann sich somit zu relativ niedrigen Zinsen weiterhin günstig verschulden. Noch!

DAS INVESTMENT.com: Sollten Banken mit zur Kasse gebeten werden?

Busch: Selbstverständlich sollten sich die Kreditgeber Griechenlands an der zwangsläufigen Sanierung des Landes beteiligen. Es gehört zum Wesen des Kreditgeschäftes, dass Ausfallrisiken über die Höhe der Zinsen berücksichtigt werden. Je größer die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, desto höher die Zinsen. Kommt es im Falle einer Sanierung zu einer Umschuldung, also zu einer Reduzierung der Schulden, werden diese Kredite in den Bilanzen der Banken oder Versicherungen wertberichtigt und mindern dementsprechend deren Bilanzgewinn. Im Fall einer Pleite des Schuldners kommt es zu einem totalen Forderungsausfall, der dann von den Kreditgebern vollkommen abgeschrieben werden muss.

DAS INVESTMENT.com: Was würde bei einer Umschuldung Griechenlands oder einer Wiedereinführung der Drachme mit dem DAX passieren?

Busch: Möglich wären im ersten Augenblick Panikverkäufe bei Finanztiteln. Nach meiner Meinung würde sich aber sehr schnell die Einsicht durchsetzen, dass Griechenland für die internationale Wirtschaft nur von untergeordneter Bedeutung ist. Ein Ausscheiden des Landes aus der Eurozone könnte also wieder Ruhe ins internationale Währungsgeschäft bringen. Zumal dieses Beispiel disziplinierend auf andere Stabilitätssünder wirken könnte. Davon würde der Dax profitieren.

DAS INVESTMENT.com: Was raten Sie Anlegern?

Busch: Für den kurzfristigen Anleger kann es in den nächsten Tagen durchaus reizvoll sein, in Staatsanleihen der angeschlagenen Euroländer zu investieren. Denn schließlich haben die europäischen Politiker den Stabilitätssündern einen großzügigen Freifahrtschein ausgestellt. Auf lange Sicht aber kann das nicht funktionieren. Wer sich also weniger von der Spekulation aufs schnelle Geld leiten lässt und eher an einer vernünftigen langfristigen Vermögensanlage interessiert ist, der sollte Staatsanleihen grundsätzlich meiden. Stattdessen sollten Anleger auf Aktien der Unternehmen setzen, die das produzieren, was wir auch in Zukunft zum Leben brauchen, unabhängig von Staatsverschuldung, Inflation oder gar Währungsreform: Nämlich Nahrungsmittel im weitesten Sinne oder Rohstoffe.

DAS INVESTMENT.com: Haben Sie Verständnis für die Krawalle in Athen?

Busch: Ich habe kein Verständnis für die Demonstrationen in Griechenland. Schließlich hat die griechische Bevölkerung von der hemmungslosen Schuldenpolitik des Landes profitiert und ihr bei den Wahlen mehrheitlich zugestimmt.

DAS INVESTMENT.com: Sind die Marktturbulenzen um Italien berechtigt?

Busch: Zwar ist die Staatsverschuldung Italiens erschreckend hoch, dennoch ist keine Panik angebracht. Die italienische Wirtschaft ist zumindest im Norden des Landes stark genug, diese Schuldenlast zu tragen. Außerdem glaube ich nach der griechischen Schuldenkatastrophe an eine allmähliche Rückkehr zur Vernunft in ganz Europa. Wenn auch nicht unbedingt bei den Politikern, so doch bei der Bevölkerung.

DAS INVESTMENT.com: Ihr nächster Urlaub: Süd- oder Nordeuropa?

Busch: Meine Urlaubspläne hängen vor allem von meinem Gesundheitszustand ab und weniger von den Ängsten über ausufernde Staatsschulden.

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