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Welchen Weg wählt Griechenland?

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Es ist allerdings möglich, dass die EZB diese hochgradig politische Entscheidung nicht treffen möchte und sie wieder an die Politik zurückspielt. Man stelle sich das Ganze wie einen Optionenbaum vor, den man von Punkt 1 bis 3 abarbeiten kann.
  1. Kommt es in Griechenland in den Tagen nach dem 17. Juni zur Bildung einer stabilen Regierung, die zu den Auflagen des Memorandums steht, dann wird seitens der Troika und der Eurozone weiterhin alles unternommen werden, die Bedingungen ebenfalls einzuhalten und Griechenland unverändert wie ein Mitglied der Eurozone zu behandeln. (An dieser Stelle sei erwähnt, dass dennoch gewisse Nachverhandlungen über das Memorandum zunehmend notwendig scheinen.)

    Kommt es allerdings zu einer Regierungsbildung, die das Memorandum ablehnt und/oder zumindest neu verhandeln möchte, so liegt der Ball zunächst bei der Troika.

  2. Im Fall einer Anti-Memorandum-Regierungsbildung muss die Troika darüber entscheiden, ob sie die neuerlichen Tranchen überweist. Nachdem neben Griechenland auch Irland und Portugal Troika-Programme laufen haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Troika „hart“ bleibt, groß.

    Dies auch deshalb, weil das Verhalten des IWF regelgebunden ist. Besonderes Gewicht hat hier die Finanzierung des Primärdefizits sowie die Rekapitalisierung des Bankenapparats. Sollten diese Zahlungen ausbleiben, dann müsste die griechische Regierung entweder Zahlungen aus Verbindlichkeiten einstellen (also in weiterer Folge auch gegenüber öffentlich Bediensteten) oder durch Ausgabe von Schuldscheinen ihre Verbindlichkeiten bedienen.

    Inhalt dieser Schuldscheine wäre wahrscheinlich das Versprechen der Regierung, den Wert in Euro zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen. Der Wert dieser Schuldscheine ist dann eine Funktion der Glaubwürdigkeit der Fiskalpolitik. Es ist sehr wahrscheinlich, dass – im Umfeld der für Griechenland weiterhin geschlossenen Kapitalmärkte – der Rückgriff auf die griechische Notenbank zur Finanzierung des Defizits kaum das Vertrauen der Marktteilnehmer besitzen wird. Dies noch viel weniger, wenn in diesem Fall Inflationserwartungen sprunghaft ansteigen.

    Die griechische Regierung kann aber in Erwartung eines solchen Szenarios das Memorandum doch noch akzeptieren. Wenn das nach wie vor nicht der Fall ist, dann ist die EZB am Zug.

  3. Kommt es trotz allem nicht zu einer Einigung mit der Troika bezüglich des Memorandums, dann entscheidet letztendlich die EZB, ob sie im Rahmen ihrer Liquiditätsoperationen – Refinanzierungsgeschäfte beziehungsweise Emergency Lending Assistance (ELA) über die nationalen Notenbanken mit Billigung des EZB-Direktoriums – die griechischen Geschäftsbanken weiterhin mit EUR-Liquidität versorgt.

    Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre der Bedarf der griechischen Banken an EUR-Liquidität enorm hoch. Für die ELA gibt es allerdings strenge Voraussetzungen, vor allem hinsichtlich der Solvabilität des Bankensektors. Sollten also keine Troika/EFSF-Gelder zur Rekapitalisierung des griechischen Bankensektors mehr fließen, dann könnte auch die EZB die ELA kaum mehr durchführen.

    Aber auch in dieser Phase besteht für die griechische Regierung immer noch die Möglichkeit, einzulenken. Tut sie das nicht, dann würde die EZB wohl ihre Operationen einstellen oder die EU-Politik um eine endgültige Entscheidung ersuchen. Eine solche Entscheidung würde dann den endgültigen Austritt Griechenlands aus der Eurozone bedeuten und Griechenland müsste sich dem Thema „neue Währung“ widmen. Dies wäre alles andere als banal und nicht nur für die Eurozone, sondern vor allem auch für Griechenland mit enormen Kosten verbunden.
Siehe hierzu den Exkurs: Griechenland führt eine neue Währung ein

Egal wie die Regierung in Griechenland aussehen wird: Die Wahrscheinlichkeit, dass bald wieder Verhandlungen mit der Troika aufgenommen werden müssen, steigt. Gründe dafür sind der lähmende fiskalische Anpassungsprozess, eine Wirtschaft, die stärker schrumpft als erwartet, sowie verzögerte Privatisierungserlöse. Eine Regierung, die das Memorandum befürwortet und grundsätzlich zu den Auflagen steht, ist hierfür allerdings Voraussetzung.   
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