LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 2 Minuten

„Wer in Zinsanlagen bleibt, der finanziert die Staatsentschuldung mit“

Vermögensverwalter Gerhard Selig
Vermögensverwalter Gerhard Selig
Gerhard Selig ist Gründer der  Gerhard Selig Vermögensstrategien Konstanz und Partner der DWPT Deutsche Wertpapiertreuhand GmbH

Schon Johann Wolfgang von Goethe beschrieb in Faust II die Folgen einer aus den Fugen geratenen Geldpolitik. Zwar kann sich der Staat in Goethes Werk zunächst seiner Schulden entledigen, während die private Konsumnachfrage stark steigt und den wirtschaftlichen Aufschwung befeuert. Im weiteren Verlauf jedoch artet das Treiben aber in eine rapide Geldentwertung aus. Was hier Teil eines deutschen Literaturklassikers ist, wurde vor vierzig Jahren nach dem 2. Weltkrieg in den USA bittere Wahrheit.

Durch die Verteidigungsausgaben während des Krieges und den Folgen der sogenannten Großen Depression der 1930er Jahre hatten die Vereinigten Staaten einen großen Schuldenberg angehäuft. Die Staatsverschuldung lag Mitte der vierziger Jahre bei 122 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.  

Um diesen wieder loszuwerden, hielt der Staat die Finanzierungskosten durch geringe Zinsen künstlich niedrig. Zwischen 1945 und 1980 lag die Realverzinsung der Staatsanleihen in zwei Dritteln aller Fälle unter einem Prozent. Dabei bedarf es noch nicht einmal einer außergewöhnlich hohen Inflationsrate.

Von 122 auf 30 Prozent

Niedrig gehaltene Anleiherenditen reichen aus, damit die Relation von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt fällt. Mit dieser Vorgehensweise drückten die Amerikaner binnen 30 Jahren ihre Schuldenquote auf rund 30 Prozent.

Diese Methode ging viel sanfter über die Bühne als heute ein Schuldenschnitt à la Griechenland. Darüber hinaus war die Geldentwertung beim Steuerzahler einfacher durchzusetzen als eine Ausgabenkürzung oder gar Steuererhöhung.

Dabei wurde nur eines übersehen: Nicht nur Schulden verloren an Wert. Gleiches galt auch für das Guthaben von Sparern. Die Inflation fraß das Vermögen langsam aber sicher auf. Der Begriff der finanziellen Repression oder kalten Enteignung war geboren, geprägt von den beiden Ökonomen Ronald McKinnon und Edward Shaw.

Kalte Enteignung auch in Europa

Heute scheint sich die Geschichte in Europa zu wiederholen. Die Europäische Zentralbank senkte den Leitzins vor wenigen Monaten auf ein Rekordtief von 0,75 Prozent.

Darüber hinaus gab EZB-Chef Mario Draghi im September bekannt, dass seine Notenbank künftig uneingeschränkt Staatsanleihen verschuldeter Euro-Staaten aufkauft. Diese Eingriffe sorgen dafür, dass die Kapitalmarktzinsen - nicht nur in Deutschland - auf ein extrem niedriges Niveau zurückgingen. Damit ist die kalte Enteignung auch beim deutschen Anleger angekommen.

Welche Lehren ziehen jetzt die Privatanleger aus der Geschichte: Wer in Zinsanlagen bleibt, der finanziert die Staatsentschuldung mit. Wer in Produktivkapital und Sachwerte investiert, kann sich schützen. Den Lauf der Geschichte können wir nicht aufhalten, unsere Vermögenswerte entsprechend umschichten schon. Das ist das Gebot der Stunde.

Denn „niemand kann mit Sicherheit sagen, was für Deutschland und Europa in einer solchen Krise tatsächlich am besten ist“, erklärte Andreas Vosskuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts bei der Urteilsverkündung zu den Eilanträgen gegen die Einführung des Euro-Rettungsfonds ESM. Oder, um mit Goethes Faust zu sprechen: „Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst!“

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion