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„Wir werden in Kürze einen Rückgang der Risikoprämien auf europäische Staatsanleihen erleben“

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Großbritannien hat sich isoliert


Das Ergebnis des Gipfels war insofern ironisch, als dass das größte EU-Land, das nicht Mitglied der EWU ist, sich weigerte, den neuen EU-Vertrag zu unterstützen. Vordergründig ist die möglicherweise striktere Regulierung von Finanzdienstleistungen der Grund für das britische Veto. Um weitere mit Steuergeldern finanzierte Bankenrettungen zu vermeiden, macht es natürlich Sinn, die Geschäfte der Banken stärker zu kontrollieren. Und wo finden diese überwiegend statt? In London. Und welches Land profitiert am meisten von den Aktivitäten in Londons Finanzzentrum? Großbritannien. Damit hat die britische Regierung das Land potenziell von der künftigen Entwicklung der anderen 26 EU-Mitglieder isoliert. Das mag auf kurze Sicht von geringer Relevanz sein, doch schon die nächste Generation der Briten könnte sich schmerzhaft der Isolation von einem Staatenverbund gewahr werden, der die Vorteile einer weitaus stärkeren und tieferen fiskalischen Integration und wirtschaftlichen Zusammenarbeit genießt. Überdies könnte dies ganz allgemein Folgen für die Beziehung Großbritanniens zur EU haben und unter Umständen zu einem Ausstieg des Inselreichs führen. Dabei wäre Großbritannien im Hinblick auf die Gesetze und Verordnungen am einheitlichen Markt sowie die Finanzaufsicht sicherlich benachteiligt.

Hat Großbritannien einen Trend ausgelöst?


Wer weiß, ob Großbritannien als Gewinner oder Verlierer aus dieser Situation hervorgehen wird? Unter Umständen hat Großbritannien mit seiner Haltung einen Trend ausgelöst: Gleichgesinnte Länder werden sich jetzt möglicherweise fragen, ob es Sinn macht, immer stärker in einen Staatenverbund integriert zu sein und damit einen Teil seiner staatlichen Souveränität abzugeben. Die City of London könnte durchaus von einer Flucht der Finanzdienstleister aus dem immer stärker regulierten Euroraum profitieren. Es könnte sich aber auch auf weltpolitischer Bühne isolieren.

Man stelle sich einmal vor, dass man heute von einer Marsreise zur Erde zurückkehrt. Was würde man dann von einem Land halten, das einerseits einen regelbasierten fiskalischen Rahmen ablehnt, während seine Zentralbank fleißig Geld in die Wirtschaft pumpt, um Staatsanleihen aufzukaufen? Reicht der Inflationszuschlag bzw. der Aufschlag für das Angebotsrisiko bei dreißigjährigen Gilts, die mit 3,19 Prozent rentieren? Das sind zwar 60 Bp. über der Bundesanleihe gleicher Laufzeit, aber ist das genug, wenn Europa sein Ziel haushaltspolitischer Stabilität erreicht?

Die größten Risiken sind kurzfristig politischer Natur

Kurzfristig sind die größten Risiken für Großbritannien politischer Natur. Direkt nach Camerons Rückkehr aus Brüssel zeigten sich Risse in der Koalition. Die Liberaldemokraten sind traditionell europafreundlicher als die Konservativen, denen eher die Geschicke der „City“, des Londoner Finanzdistrikts, am Herzen liegen. Das ist ein tiefgreifender Unterschied. Da die britische Wirtschaft in diesem Winter wahrscheinlich eine technische Rezession erleben wird, könnten sich weitere Risse zeigen, wenn der Druck auf den Schatzkanzler zur Lockerung der Zinszügel steigt. Eine geschwächte Koalition wäre für Gilts und Sterling sicherlich ungünstig.

Volatilität und Ungewissheit werden an den europäischen Anleihemärkten noch eine Weile anhalten, jedenfalls solange, bis die neuen Vereinbarungen umgesetzt wurden. Positiv ist, dass die EZB ihre Zinsanhebungen inzwischen wieder zurückgeführt hat und den Banken reichlich Mittel zur Verfügung stellt. Das mag zwar den Schuldenabbauprozess verlangsamen, aber es versetzt die Banken in die Lage, sowohl die Realwirtschaft als auch die Staatsanleihenmärkte mit Krediten zu versorgen. Wenn bei der Anlegerschaft also der Eindruck Fuß fasst, dass Europa sich – wenn auch stockend – in die richtige Richtung entwickelt, könnte sich bald eine Wende zum Positiven für die Finanzmärkte abzeichnen.

Welches sind die besten Bond-Optionen?

Momentan spricht sicherlich nicht viel für den Kauf von Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie, das wird sich aber ändern. Bis dahin bleiben Staatsanleihen von Kernländern sowie Investment-Grade-Unternehmensanleihen die besten Bond-Käufe im Euroraum. Weltweit haben die Entspannung der Liquiditätslage sowie bessere US-Konjunkturdaten zahlreiche Recovery Trades ausgelöst, die vor allem auf Inflationsschutz und hohe Renditen fokussieren. Dabei stehen vor allem in den USA die Zeichen auf Wachstum. In diversen – aber nicht allen – Segmenten des Anleihemarktes sind die Renditen hoch. Ist das wirklich ein zwingendes Zeichen für Zahlungsausfälle?

Neue Ära für Großbritannien

Damit beginnt also eine neue Ära für Großbritannien als europäischem Player. Nicht nur haben wir unser Veto in die Waagschale geworfen, sondern auch unsere beiden (derzeitigen) Top-Mannschaften haben beim Fußball in der vergangenen Woche ihren eigenen Exit hingelegt. Ebenso wie Großbritannien nicht mehr in der Spitzenliga spielt, haben auch Manchester United und Manchester City ihre Plätze in der Champions League eingebüßt (jedenfalls für dieses Jahr) und müssen sich mit der Europa League begnügen. United konnte zumindest am Austragungsort des Finales kicken (das Nationalstadion im rumänischen Bukarest) und ausnahmsweise werden die „Reds“ es diesmal einer anderen Mannschaft überlassen, von Barcelona an die Wand gespielt zu werden.“

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