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Wo bleibt die Inflation?

Marc-Oliver Lux
Marc-Oliver Lux
Seit der großen Geldentwertung 1923 - vor genau 90 Jahren - sitzt die Angst vor Inflation tief in der Psyche der Deutschen. Nun fluten die Notenbanken die Märkte mit Geld – aber bisher behält es seinen Wert. Zumindest wenn man der Statistik Glauben schenken mag. Wie kann das sein? Und wie lange bleibt das so?

Es sind sonderbare Zeiten für Zentralbanken. Seitdem 2008 zunächst die Banken die Welt in die Finanzkrise rissen und diese dann in Europa nahtlos in eine Währungskrise überging, ist in der Welt der Notenbanker nichts mehr, wie es war. Insgesamt haben sich die Notenbank-Bilanzsummen der Industriestaaten von 3,3 Billionen Dollar Anfang 2007 auf knapp 10 Billionen Dollar verdreifacht. Die EZB etwa kaufte bis 2012 für mehr als 220 Milliarden Euro Anleihen der Krisenstaaten Griechenland, Portugal, Irland, Italien und Spanien – und ist laut ihres Präsidenten Mario Draghi bereit, notfalls unbegrenzt zu kaufen. Die Kollegen von der amerikanische FED kaufen monatlich Wertpapiere an den Märkten im Wert von bis zu 85 Milliarden Dollar. Gleichzeitig geben die Notenbanken den Banken gegen teils fragwürdige Sicherheiten langfristigen Kredit zum Nullzins um das Finanzsystem zu stabilisieren. Sie erfinden martialisch klingende Werkzeuge – wie die „Dicke Bertha“ – einen Billionen schweren Kredit für Geschäftsbanken zum Nullzins auf die für Notenbanker ungewöhnlich lange Laufzeit von drei Jahren um Europas Banken am Leben zu halten. Wie eine Flut schwappt das Geld der Zentralbanken über die Märkte.

Die gute Nachricht: Bisher ist es gelungen, die große Katastrophe zu verhindern. Die Kehrseite zeigt sich vor allem in Deutschland, das Vertrauen schwindet.
Speziell die Deutschen sind vorbelastet. Zwei Mal haben sie im vergangenen Jahrhundert erfahren, was billiges Geld anrichten kann: 1923 und 1948 entwerteten Hyperinflationen die Vermögen. Aus dieser Vergangenheit haben die Deutschen eine ökonomische Lehre verinnerlicht, dass die Kaufkraft des Papiergelds nichts weiter als ein Versprechen ist; und dass dieses Versprechen ein leeres Versprechen sein kann, wenn die Hüter des Geldes nicht achtsam sind.

Vor 90 Jahren erlebten die Deutschen den Höhepunkt der Hyperinflation, die in einer radikalen Währungsreform mündete, mit dem Verlust aller nicht in Sachwerten, soliden Aktien oder Immobilien angelegten Guthaben. Um die Lasten des Ersten Weltkriegs und die Reparationszahlungen zu finanzieren, hatte die Reichsbank in rasantem Tempo immer mehr Geld gedruckt und Staatsanleihen gekauft. Die Geldmenge explodierte, der Wert der Mark schmolz dahin. Bis zum Jahr 1922 war das Zwanzigfache der Geldmenge der Vorkriegszeit in Umlauf. Im Oktober 1923 lag die Inflationsrate bei 40 Prozent - pro Tag. Kurz nach dem Krieg kostete ein Brief 20 Pfennig Porto, im Oktober 1923 waren es zehn Millionen, 14 Tage später dann 100 Millionen Mark. Die durchaus willkommene Kehrseite: Die Schulden des Deutschen Reiches von 174 Milliarden Mark waren, in Preisen von 1914, auf 16 Pfennig geschrumpft.

Droht uns das wieder? Es gibt Erklärungen, warum sich die Geschichte zumindest nicht eins zu eins wiederholen muss.