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Aktualisiert am 01.04.2020 - 12:38 Uhrin MärkteLesedauer: 9 Minuten

Zurück in Brasilien Sollte man nun wieder in den führenden Markt Lateinamerikas investieren?

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Aktienkursbewertungen

Angesichts dieser bekannten Herausforderungen sind neue negative Schlagzeilen aus dieser Richtung weniger wahrscheinlich. Der abschließende Faktor in unseren Erwägungen zur Positionierung in Brasilien ist die Bewertung. In den letzten Wochen sanken die Gewinne, aber die Märkte legten zu. Wir haben eine Neubewertung Brasiliens nach oben auf ein KGV von 12,5 erlebt - gegenüber einem langfristigen Durchschnitt von 10,5. Man könnte meinen, dass dies absolut betrachtet für einen Markt noch vergleichsweise preiswert ist, der viele Wachstumsunternehmen guter Qualität enthält, vor allem, da die entwickelten Märkte und andere beliebte Emerging Markets neue Höchststände erreichen. Eine temporäre Neubewertung ist bei Wendepunkten stets zu erwarten, zum Beispiel wenn der Markt allmählich eine positive Gewinndynamik für die nächsten Jahre einpreist, bevor die kurzfristigen Wachstumsdaten dies unterstützen, vor allem bei langfristig sinkenden Zinsen. Die dennoch vergleichsweise relativ hohen Bewertungen zeigen jedoch, dass eine sorgfältige Einzeltitelauswahl erforderlich ist, um nicht zu teuer einzukaufen und um einen Puffer gegenüber anhaltenden Risiken zu haben.

Unsere unbereinigte 4-Prozent-Untergewichtung in Brasilien reflektiert unsere Bedenken hinsichtlich der Bewertung und der makroökonomischen Probleme, die das Land noch immer mittelfristig belasten. Diese Untergewichtung wird jedoch durch den Verzicht auf die zwei Index-Schwergewichte Petrobras und Vale mehr als ausgeglichen. Zusammen stellen sie 9 Prozent des Index dar. Wenn wir diese beiden Unternehmen nicht berücksichtigen, sind wir in Brasilien sogar 5 Prozent übergewichtet. Sie wirken sich offensichtlich stark auf unsere unbereinigte Ländergewichtung aus, aber die Gründe sind sehr unternehmensspezifisch.

Obwohl Petrobras inzwischen Ergebnisse veröffentlicht hat, gibt es aus fundamentaler Sicht noch immer sehr wenig Argumente, die eine Positionierung in diesem Konzern stützen. Bei einem EV/EBITDA von fast 9 und einem viel gepriesenen Förderwachstum, das nun nur noch bei 2 - 3 Prozent liegt, einem negativen freien Cashflow für mindestens vier weitere Jahre, einem Verhältnis von Nettoverschuldung / EBITDA von 6 und einer Bilanz, die stark dem Risiko einer weiterhin schwachen Währung ausgesetzt ist, besteht noch immer eine 50 / 50 Chance auf eine verwässernde Aktienemission oder eine Umwandlung von Schulden in Eigenkapital während des nächsten Jahres.

Vale ist ein solides Unternehmen mit sinnvollen Aktivitäten, aber da andere große Eisenerzproduzenten das neue Angebot früher und zu geringeren Kosten als Vale anbieten, besteht wenig Hoffnung auf eine nachhaltige Preiserholung für den wichtigsten Rohstoff des Unternehmens. Gewinne und Cashflows dürften in den nächsten drei Jahren kaum wachsen; die Verschuldung wird zunehmen und die Dividenden wurden bereits gesenkt. Beide Konzerne planen den Verkauf von Vermögenswerten, um den Finanzierungsdruck zu mindern, aber sie versuchen, ihre unrentablen Vermögenswerte zu einer Zeit zu verkaufen, in der die meisten potenziellen Käufer darauf aus sind, ihre eigenen Investitionen zu reduzieren. Die starke Rally der beiden Titel im April resultiert mehr aus technischen und Positionierungs-Gründen. In den nächsten Monaten dürften aber die fundamentalen Aspekte dominieren.

In Qualitätsunternehmen investieren

Unvermeidlich hängen beide Aktien von nicht beeinflussbaren Faktoren wie den Währungs- und Rohstoffpreisentwicklungen ab. Unsere Beteiligungen in Brasilien sind mehr auf Unternehmen konzentriert, die ein robustes Wachstum im Inland generieren und ihr Schicksal eher selbst bestimmen können. Alle unsere großen Beteiligungen generieren Erträge, die gut über ihren Kapitalkosten liegen und erzielen selbst bei nachlassender Konjunktur steigende Gewinne. Die Unternehmen geringerer Qualität, die in diesem Jahr operativ unter Druck stehen, aber kurzfristig gefragt sein werden, da wir einen Wendepunkt ansteuern, sind für uns aus der Bewertungsperspektive noch immer nicht interessant.

Auch wenn wir berücksichtigen, dass die Erholung wohl schrittweise verlaufen wird, mit einem BIP-Wachstum von ungefähr 1 Prozent im Jahr 2016 und 2 Prozent im Folgejahr. Da die Hälfte unseres Lateinamerika-Portfolios in diesem Land investiert ist, stehen wir bereit um von der erwarteten Wiederkehr Brasiliens zu profitieren, auch wenn man bedenken sollte, dass das Beta unserer Beteiligungen am unteren Ende der historischen Bandbreite angesiedelt ist. Wir meiden Unternehmen, die von günstigen Staatskrediten oder Subventionen für sich selbst oder ihre Kunden abhängig geworden sind, da es dem Finanzminister in diesen Bereichen leicht fällt, seine Kosten zu senken.

Wir werden häufig gefragt, wie die Bewertungen aussehen, wenn wir die zyklischen Rohstoffunternehmen mit ihren traditionell niedrigen KGV-Werten ignorierten. Allerdings werden Konzerne wie Petrobras und Vale heute zu derart niedrigen Gewinnen gehandelt, dass ihre Bewertungen durchaus nicht preiswert sind. Viele unserer Kernbeteiligungen erlebten eine Abwertung aufgrund makroökonomischer Befürchtungen und schlossen so die Lücke zwischen den beiden Gruppen. Das Markt-KGV kann leicht über dem Durchschnitt liegen, aber die Tatsache, dass Rohstoffwerte im Index nun kleiner sind, zeigt, dass andere Wachstumswerte guter Qualität und Konsumtitel nun zu niedrigeren KGV-Werten gehandelt werden als in der letzten Dekade. Tatsächlich ist ein KGV von 15 für die Unternehmen hoher Qualität in unserem Portfolio, die eine Eigenkapitalrentabilität von weit über 10 Prozent und ein solides zweistelliges Gewinnwachstum generieren, für uns absolut betrachtet attraktiv.

Brasilien ist in globalen Fonds schwach vertreten, verfügt jedoch über eine Vielfalt von liquiden, gutgeführten Unternehmen, sowie über eine Mittelschicht von 100 Millionen Menschen mit einer ausgeprägten Konsumneigung, die für internationale Unternehmen sehr interessant sind. Private-Equity-Unternehmen mit einer längerfristigen Ausrichtung sind im Land seit einiger Zeit sehr aktiv.