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Zwischen Euphorie und Ernüchterung

Alfred Ernst
Alfred Ernst
Der Job eines Notenbankchefs ist kein Zuckerschlecken. Jedes Wort wird von der Öffentlichkeit auf die Goldwaage gelegt. Der Amtsinhaber wird umjubelt wie ein Star, solange die Geld- und Zinspolitik den Gusto der AnlegerInnen trifft. Und er oder sie fällt von einem auf den anderen Tag in Ungnade, wenn dieser (wohlgemerkt ständig wechselnde) Geschmack nicht mehr getroffen wird.

Bernanke auf Greenspans Spuren: Vom Star zum Buhmann

Dieses Wechselbad erlebte schon Alan Greenspan, quasi der Erfinder der lockeren US-Geldpolitik als Allheilmittel. Als der frühere Notenbankchef im Dezember 1996 im Zusammenhang mit den haussierenden Aktiennotierungen die (in der Folge weltberühmt gewordene) „irrationale Überschwänglichkeit“ (irrational exuberance) thematisierte, fielen die Aktien weltweit um einige Prozente und Greenspan (zumindest temporär bei den Anlegern) in Ungnade.

Der Schrecken war allerdings nur kurz. Bereits Ende des Jahres hatten sich die Märkte erholt, die Hausse dauerte in den folgenden Jahren an und beschleunigte sich sogar noch, wenn man die damalige Entwicklung des Nasdaq Index (Stichwort Technologie-Blase) als Maßstab nimmt. Den amtierenden Vorsitzenden des Federal Reserve, Ben Bernanke, ereilt nun dasselbe Schicksal. Zwar hat er nichts anderes getan als zu erwähnen, was allen völlig klar sein musste: Das Fed wird nicht ewig im bisherigen Umfang monatlich für 85 Milliarden Dollar Staatsanleihen und Hypothekarpapiere kaufen. Trotzdem gilt er jetzt als Spielverderber.

Das mit dem Wort „Tapering“ umschriebene, langsame Zurückfahren der gigantischen Liquiditätszufuhr hat zu teilweise beträchtlichen Kursrückschlägen in nahezu allen Anlageklassen geführt. Besonders hart hat es Gold und Silber erwischt, welche im vergangenen Quartal 22 beziehungsweise 35 Prozent eingebüßt haben. Aber auch Aktien und Obligationen jeglicher Couleur bekamen die Angst vor weniger Liquidität zum Teil sehr deutlich zu spüren.

Positive Entwicklungen - negative Marktreaktionen

Gold notiert heute rund 37Prozent unter seinem Höchstkurs von 2011, Silber ist seither um 62Prozent getaucht. Bei den Edelmetallen kommt allerdings dazu, dass diese Kurseinbrüche zu einem großen Teil einen weiteren Hintergrund haben. Die Edelmetalle scheinen zu sagen: „Die Kernschmelze im globalen Finanzsystem findet nicht statt, die Welt ist gerettet. Die Anlegerinnen und Anleger können den sicheren Hafen verlassen.“ Auch das ist doch eigentlich positiv.

Der Plan von Bernanke & Co. zeugt von einer optimistischen Lagebeurteilung, illustriert er doch eine mittelfristig günstigere Einschätzung der Konjunktur durch die Währungshüter. Tapering wird stattfinden, wenn, wie vom Fed erwartet, die Arbeitslosigkeit weiter im bisherigen Tempo ab- und das Bruttonationaleinkommen zunimmt. Ob die Schleusenwärter bereits später im Jahr zur Tat schreiten, bleibt abzuwarten.

Noch bewegt sich die Arbeitslosenquote in den USA bei 7,6 Prozent und damit weit über der von der Zentralbank definierten Zielgröße von 6,5 Prozent, bei deren Unterschreiten auch Erhöhungen der kurzfristigen Zinssätze wieder auf den Radarschirm kommen. In Punkto Bruttoinlandsprodukt-Wachstum erwarten die US-Notenbanker für 2013 etwa 2,5 Prozent, der Internationale Währungsfonds rechnet eher mit 2 Prozent.

Alles in allem scheint das Schließen der Geldschleusen, geschweige denn eine Zinserhöhung, nicht unmittelbar bevor zu stehen, schon gar nicht in Europa. Die Reaktion der Märkte, welche das Kind mit dem Bad ausgeschüttet haben, scheint daher etwas übertrieben. Einen Erfolg kann das Wort Tapering indes schon heute buchen: Es wird ziemlich sicher einen Platz in der „Hall of fame“ der famosen Wortschöpfungen amerikanischer Notenbanker finden, Seite an Seite mit „irrational exuberance“.

BIP-Wachstum, Inflation und Zinsen bleiben (noch) tief
Doch zurück zu Wirtschaft und Börsen: Schaut man sich die Wachstumserwartungen der vom britischen Wirtschaftsmagazin „The Economist“ befragten Ökonomen an, besteht vorderhand ebenfalls keine Gefahr, dass die Notenbanken den Geldhahn überstürzt zudrehen. Die Erwartungen haben sich jüngst sogar wieder leicht abgekühlt.

Laut Urteil der Experten verharrt Euroland 2013 in der Rezession, wobei Deutschland eine Ausnahme darstellt. In den USA und Japan könnte die wirtschaftliche Expansion mit plus 2 Prozent beziehungsweise plus 1,6 Prozent gar relativ ordentlich ausfallen. Für 2014 prognostizieren die Wirtschaftsweisen überall grüne Zahlen. Und die gute Nachricht: Inflation ist fast nirgendwo ein Problem.

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