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in Märkte verstehen, Chancen nutzenLesedauer: 5 Minuten
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Lieferketten und Geldpolitik 2 Themen bestimmen die kommenden Monate

Volle Parks (hier in Frankfurt/Main), leere Geschäfte
Volle Parks (hier in Frankfurt/Main), leere Geschäfte: Die Ertragsaussichten für Europa, das am stärksten von den Folgen des Ukraine-Kriegs betroffen ist, haben sich im Vergleich zu den USA und Japan eingetrübt. | Foto: Imago Images / Ralph Peters
Ann-Katrin Petersen, BlackRock

Es war ohne Frage ein holpriger Jahresauftakt für die Börsen. Nach der fulminanten Wertentwicklung globaler Aktien im Zuge des kraftvollen wirtschaftlichen Neustarts hatte sich zwar ein herausfordernderes Marktumfeld abgezeichnet – bedingt durch die erwartete Rücknahme der pandemiebedingten Lockerung der Geld- und Fiskalpolitik, mögliche Überraschungen von der Coronavirus-Front und unberechenbare geopolitischen Risiken.

Dass sich allerdings schon gleich zu Beginn des Jahres 2022 die entsprechenden Herausforderungen als so beträchtlich entpuppen würden – erheblicher Zinsanstieg, erneute scharfe Lockdown-Maßnahmen in Chinas Millionenstädten und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine – damit haben wohl die wenigsten gerechnet. Der „Sound“ an den Märkten könnte aktuell sicher konstruktiver sein.

Zwei große Themenblöcke dürften auch in den kommenden Monaten eine wichtige Rolle für Chancen und Risiken an den Kapitalmärkten spielen: Angebotsknappheiten und die Kehrtwende der Geldpolitik.

Anhaltende Knappheiten – mit der Inflation leben

Verstopfte Häfen wie etwa in Shanghai, wo unzählige Containerschiffe vor Anker liegen, lassen erahnen: Die globalen Wertschöpfungsketten laufen auch über zwei Jahre nach Ausbruch der Coronavirus-Pandemie noch nicht geschmeidig. Die russische Invasion hat bereits bestehende Lieferprobleme und Engpässe verschärft, nicht nur auf den Energie- und Nahrungsmittelmärkten.

Ob pandemiebedingt oder kriegsbedingt – Angebotsknappheiten sind der gemeinsame Nenner für gebremstes Wirtschaftswachstum einerseits und Inflationsdruck andererseits. So fällt es Unternehmen schwerer, mit der Produktion hinterherzukommen, um die kräftige Nachfrage im wirtschaftlichen Neustart zu bedienen, weil es an Vorprodukten, aber auch Arbeitskräften mangelt. Inputfaktoren sind zudem teurer geworden. Je nach Preissetzungsmacht der Unternehmen werden diese Kosten auf die Verbraucher überwälzt.

Gerade auf dem europäischen Kontinent schwächen die Beeinträchtigungen im Außenhandel, drastisch gestiegene Energiepreise und eine erhöhte Unsicherheit infolge des Krieges die eigentlich angelegte kräftige Konjunkturerholung.

Darüber hinaus ist das Bestreben, Energiesicherheit und -unabhängigkeit zu gewährleisten, sowie generell die Unabhängigkeit und Resilienz der Lieferketten zu erhöhen, verstärkt in das Zentrum der politischen und unternehmerischen Aufmerksamkeit gerückt, zusätzlich zur grünen Transformation der Wirtschaft. Diese Neuverkabelung der Welt könnte dazu führen, dass in mittelfristiger Sicht die Aufwärtsrisiken für die Inflation überwiegen, neben anderweitigen strukturellen Faktoren wie der demografischen Entwicklung.

Geldpolitik: Zügige Normalisierung, aber keine Vollbremsung

In den USA und im Euroraum haben die Inflationsraten die höchsten Werte seit Beginn der 1980er-Jahre erreicht, weit oberhalb der Preisstabilitätsmarken der US-Notenbank Fed und Europäischen Zentralbank (EZB). Selbst wenn Öl- und Gaspreise nicht noch einmal kräftig anziehen und die Gesamtinflationsraten auf absehbare Zeit ihren Gipfel erreichen, ist nicht mit einem zügigen Rückgang der Teuerung zu rechnen. Gleichzeitig verstärken die jüngst verschärften globalen Lieferprobleme den unterliegenden Preisauftrieb (Kerninflation). Damit steigt der Druck, die Abkehr von der ultra-expansiven Geldpolitik beschleunigt voranzutreiben.

Zwar ist die Teuerungsdynamik vor allem auf Angebotsknappheiten zurückzuführen und liegt damit außerhalb des direkten Einflussbereichs der Notenbanken. Solange jedoch die Sorge vor sich verselbständigenden Inflationserwartungen und Zweitrundeneffekten, etwa einer Lohn-Preis-Spirale, kursiert, werden die Falken in den geldpolitischen Entscheidungsgremien der Fed und EZB die Oberhand behalten. 

Gerade die US-Notenbank Fed stemmt sich mit allen Mitteln – straffe Zinspolitik, zügige Bilanzabschmelzung, falkenhafte Forward Guidance – gegen das Risiko erhöhter Inflationserwartungen. Obwohl sich bereits der steilste Leitzinsanstiegspfad seit Beginn der modernen Geldpolitik in den 1970er-Jahren abzeichnet, schienen sich Fed-Notenbanker unlängst in ihren Forderungen beträchtlicher Zinsschritte geradezu zu überbieten. Woher die Eile? Laut einer Analyse der Fed von St. Louis war die Geldpolitik in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage im Schlussquartal 2021 so expansiv ausgerichtet wie selten im vergangenen halben Jahrhundert. In den kommenden Monaten könnte bei den Anhebungsschritten gelten: „50 sind die neuen 25 Basispunkte“.

Doch auch im Euroraum, dessen Konjunktur empfindlicher durch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs getroffen wird als die USA, räumt die EZB der Bekämpfung von Inflationsrisiken inzwischen oberste Priorität ein. Ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik – es ist nun die Fiskalpolitik, der es obliegen wird, Abwärtsrisiken für die Konjunktur abzufedern.

Staatsanleihen: Anhaltender Gegenwind

Die ruckartige Neubewertung der geldpolitischen Erwartungen hat deutliche Spuren an den Rentenmärkten hinterlassen. So wurden trotz der geopolitischen Unsicherheit klassische „sichere Häfen“ im Staatsanleihesegment wie US-Staatsanleihen und deutsche Bundesanleihen in den ersten Monaten des Jahres nicht gesucht, sondern vornehmlich gemieden.

In der kurzen Frist scheint angesichts des bereits ausgeprägten „Repricings“ der geldpolitischen Erwartungen das Kursrückschlagspotenzial bei Kernstaatsanleihen begrenzt. Allerdings dürfte das Segment unserer Einschätzung nach in einem Umfeld erhöhter Inflationsrisiken aus ganzheitlicher Portfolioperspektive fortgesetzt Diversifikationseigenschaften einbüßen. Attraktivere Chancen ergeben sich bei inflationsgeschützten Staatsanleihen und ausgewählten Schwellenländeranleihen in lokaler Währung.

Aktienmärkte: Niedrige Realrenditen stützen

Für den Ausblick an den Aktienmärkten ist nach dem Einstieg in den geldpolitischen Ausstieg aus unserer Sicht entscheidend, ob es bei einem „Frontloading“, also größeren Schritten zu Beginn des Zinserhöhungsprozesses bleibt, oder ob mit einer „Vollbremsung“, also einem Leitzinsniveau deutlich über „neutral“, zu rechnen ist.

Unserer Einschätzung nach werden die Zentralbanken dies- und jenseits des Atlantiks zwar zügig ihre Geldpolitik normalisieren, aber keine Vollbremsung hinlegen. So ist durchaus denkbar, dass die US-Notenbank im kommenden Jahr eine Verschnaufpause einlegt, um die Wirkung ihrer strafferen Zins- und Bilanzpolitik auf die Realwirtschaft zu eruieren. Dies sollte die Realrenditen trotz des jüngsten Anstiegs niedrig halten und die Aktienbewertungen stützen.

In einem anspruchsvollen Marktregime bleibt es für Anleger dabei wichtig, auf jene Regionen, Sektoren und Unternehmen zu setzen, die mit den genannten zahlreichen Unwägbarkeiten am besten zurechtkommen – sei es die Aussicht auf anhaltenden kostenseitigen Margendruck für Unternehmen, eine gedämpfte Kaufkraft der Konsumenten durch hohe Preise, eine zwischenzeitlich invertierte Zinskurve in den USA und generell erhöhte Abwärtsrisiken für die globale Konjunktur.

So haben sich innerhalb des Aktienuniversums die Ertragsaussichten für Europa, das am stärksten von den Folgen des Ukraine-Kriegs betroffen ist, im Vergleich zu den USA und Japan auf Sicht der nächsten sechs bis zwölf Monate eingetrübt.

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