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25 Jahre ETFs in Deutschland: Geschichte der Billigfonds

Es war nicht der optimale Zeitpunkt für eine finanzielle Revolution. Als die Deutsche Börse am 11. April 2000 als erste europäische Börse den Handel mit Exchange Traded Funds einführte, lag der Zusammenbruch des Neuen Marktes gerade wenige Wochen zurück. Die ersten beiden ETFs auf den Core Euro Stoxx 50 und den Stoxx Europe 50 von Merrill Lynch, heute besser bekannt als iShares, betraten einen ...
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Es war nicht der optimale Zeitpunkt für eine finanzielle Revolution. Als die Deutsche Börse am 11. April 2000 als erste europäische Börse den Handel mit Exchange Traded Funds einführte, lag der Zusammenbruch des Neuen Marktes gerade wenige Wochen zurück. Die ersten beiden ETFs auf den Core Euro Stoxx 50 und den Stoxx Europe 50 von Merrill Lynch, heute besser bekannt als iShares, betraten einen Markt, der von Turbulenzen geprägt war. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die Finanzkrise 2008/2009 sollten folgen – wahrlich keine einfache Zeit für die Einführung eines neuen Anlageinstruments.
Vom theoretischen Konzept zum Marktdurchbruch
Die konzeptionellen Grundlagen für passive Investments reichen weit zurück. Bereits 1900 hatte der französische Mathematiker Louis Bachalier an der Pariser Universität Sorbonne festgestellt: „Das Auf und Ab an der Börse ist so willkürlich wie der Schlingerkurs eines Besoffenen“. Der US-Ökonom Harry Markowitz, der in den 1950er Jahren die moderne Portfoliotheorie begründete und dafür 1990 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, gilt als akademischer Vater der Indexfonds.
Die praktische Umsetzung erfolgte jedoch erst Jahrzehnte später. In den USA startete 1993 mit dem SPDR S&P 500 ETF der erste ETF der Welt. Europa – und insbesondere Deutschland – folgte erst im Jahr 2000. Ein Grund für diese Verzögerung lag im Widerstand der aktiven Fondsindustrie, die passive Anlagen als Angriff auf ihr Geschäftsmodell betrachtete.
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Ein entscheidender Vorteil für den Finanzplatz Frankfurt war das bereits etablierte Xetra-Handelssystem mit einer Mindestordergröße von nur einem Anteil – „ideal für ETFs“, wie der damalige Projektleiter Jan Altmann, betonte. Diese technische Infrastruktur erwies sich als wesentlicher Wettbewerbsvorteil für den deutschen Markt gegenüber anderen europäischen Finanzplätzen: London folgte erst im Mai 2000, Paris und die Schweiz noch später.
Eine rasante Entwicklung vom Nischenprodukt zum Milliardenmarkt
Trotz des schwierigen Starts entwickelte sich Deutschland schnell zum führenden ETF-Markt in Europa. Die Hypovereinsbank erkannte das Potenzial und gründete den ETF-Anbieter Indexchange, der Anfang 2001 einen Dax-ETF auf den Markt brachte. Weitere wichtige Meilensteine folgten: 2002 lancierte Union Investment den weltweit ersten MSCI-World-ETF, später führte iShares den ersten Anleihen-ETF ein, 2004 kam der erste Gold-ETC auf den Markt.
Die Zahlen zur Entwicklung sprechen eine eindeutige Sprache: Während im Jahr 2014 in Deutschland etwa 200.000 ETF-Sparpläne ausgeführt wurden, stieg diese Zahl bis Ende 2023 auf rund 7,1 Millionen und bis Ende 2024 weiter auf etwa 9,5 Millionen. Das bei teilnehmenden Banken in ETFs investierte Volumen lag Ende Dezember 2024 bei 148,5 Milliarden Euro – ein Anstieg um 33,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Der europäische ETF-Markt insgesamt hat in 25 Jahren ein enormes Wachstum erlebt. Das verwaltete Vermögen stieg von rund 57 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 auf knapp 2,2 Billionen Euro Ende 2024. Allein im Jahr 2024 flossen europäischen ETFs netto rund 250 Milliarden Euro frisches Kapital zu – der höchste Jahreszufluss seit Bestehen des Marktes.
Widerstand und Wandel
Ein wichtiger Grund für die Führungsrolle Deutschlands war die föderale Struktur mit vielen Regionalbörsen, die eigene Preismodelle entwickelten. Diese zahlten Rückvergütungen an Broker („Payment for Order Flow“), was das Geschäftsmodell der Neobroker ermöglichte und den kostengünstigen Handel mit ETFs förderte.
Auch regulatorische Rahmenbedingungen spielten eine wichtige Rolle. Die Ucits-Richtlinien der EU legten den Grundstein dafür, dass ETFs grenzüberschreitend vertrieben werden konnten. Die im Jahr 2002 eingeführte Ucits-III-Richtlinie erwies sich als bedeutender Katalysator, da sie die Flexibilität von ETFs erheblich erweiterte.
Der Weg zum Erfolg war für ETFs nicht ohne Hindernisse. In Deutschland gab es lange Zeit aktiven Widerstand aus der traditionellen Fondsindustrie. Aktive Fonds waren sehr lukrativ für die Banken: Der Ausgabeaufschlag betrug damals drei bis fünf Prozent – eine Größenordnung, die heute bei ETFs undenkbar ist.
Auch innerhalb der Deutschen Börse wurde das Thema ETFs anfangs eher stiefmütterlich behandelt, denn die Börse gehörte damals großen Banken, die wenig Interesse an einer kostengünstigen Alternative zu aktiv verwalteten Fonds hatten.
2011 kam es zu einer Welle der Skepsis gegenüber synthetischen ETFs. Kritiker warnten vor einem höheren Kontrahentenrisiko, obwohl Sicherheitsmechanismen existierten, die sich bereits in der Finanzkrise 2008/09 bewährt hatten. Die Vorwürfe führten dennoch dazu, dass die Zahl synthetischer ETFs zurückging. Im Gegenzug wurden physische ETFs hinterfragt, weil sie Wertpapierleihe betrieben.
Innovationen und Trends
In einem Vierteljahrhundert haben ETFs zahlreiche Innovationsschübe erlebt. Nach einfachen Index-ETFs in den Nullerjahren kamen ab 2007-2010 vermehrt „Smart Beta“-Konzepte auf. Um 2013 erlebte der Markt eine Welle an Themen-ETFs, die gezielt auf Megatrends oder Sektorthemen setzten.
Seit etwa 2016/17 hat das Thema Nachhaltigkeit die ETF-Welt erobert. Heute ist Nachhaltigkeit fast Mainstream: Über 900 ETFs – mehr als 40 Prozent aller Produkte auf Xetra – bilden nachhaltige Indizes oder Strategien ab. Ihr verwaltetes Vermögen beträgt zusammen rund 380 Milliarden Euro.
Nun rücken seit wenigen Jahren aktive ETFs in den Fokus. Seit Anfang 2024 kamen mehr als 100 neue aktive ETFs an die Börse, sodass heute schon fast 230 von ihnen auf Xetra handelbar sind.
Steuerliche Vereinfachung als Katalysator
Für Anleger ist die steuerliche Behandlung von ETFs ein wichtiges Kriterium – insbesondere in Deutschland, wo bis 2017 komplizierte Regeln galten. Das Investmentsteuerreformgesetz 2018 brachte eine grundlegende Veränderung: Seit dem 1. Januar 2018 werden in- und ausländische Fonds einheitlich besteuert, und die Unterscheidung zwischen thesaurierend und ausschüttend ist weitgehend aufgehoben. Die Besteuerung wurde dadurch wesentlich vereinfacht.
Marktstruktur und internationale Einordnung
In Deutschland und Europa insgesamt hält iShares mehr als 40 Prozent Marktanteil am ETF-Vermögen. Dieser Vorsprung geht unter anderem auf den First-Mover-Advantage zurück: Blackrock übernahm 2006 die ETF-Sparte von Barclays (Barclays Global Investors), zu der auch die deutsche Indexchange gehörte.
Auf den Plätzen zwei und drei folgen in Europa mittlerweile Amundi ETF (inklusive der übernommenen Société Générale-Tochter Lyxor) und DWS Xtrackers. Amundi festigte seine Position durch die Übernahme von Lyxor im Jahr 2021 und kommt nun auf rund 13 Prozent Marktanteil in Europa. Xtrackers, die ETF-Marke der Deutsche-Bank-Tochter DWS, hält etwa 10 bis 11 Prozent Marktanteil.
Weitere wichtige Player in Deutschland sind UBS ETF, Deka ETF (seit etwa 2017 mit eigenem Angebot für die Sparkassen), State Street SPDR sowie Vanguard. Vanguard als US-Gigant betrat den europäischen Markt zwar relativ spät (2018 eröffnete Vanguard eine Niederlassung in Deutschland), wächst aber stark. „Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert bieten ETFs Anlegern hierzulande die Möglichkeit, ihre finanziellen Ziele mit Transparenz, Flexibilität und Kosteneffizienz zu erreichen. Für Vanguard ist dieses Thema von größter Bedeutung, und wir sind stolz darauf, Teil dieser erfolgreichen Entwicklung zu sein“, sagt Sebastian Külps, Leiter Deutschland und Nordeuropa bei Vanguard. „Wir sind entschlossen, weiterhin eine tragende Rolle in dem Prozess zu spielen und innovative Lösungen anzubieten, die dazu beitragen, eine bessere finanzielle Zukunft für alle zu gestalten.“
Obwohl Deutschland ein Treiber der ETF-Entwicklung in Europa war, dominieren die USA den globalen ETF-Markt nach wie vor. Ende 2024 erreichte das in US-ETFs verwaltete Vermögen über 10 Billionen US-Dollar – das sind rund 70 Prozent des weltweiten ETF-Marktes. Europa kommt mit etwa 2,2 Billionen Euro auf etwa 15 bis 20 Prozent des Weltmarktes.
In den USA sind ETFs inzwischen Mainstream in fast allen Anlegerkreisen. In Europa beträgt der Anteil passiver Vehikel am Fondsvermögen nur etwa 20 Prozent, während in den USA bereits rund 45 Prozent erreicht wurden. Die Europäer investieren traditionell noch viel in aktiv gemanagte Fonds, oft vertrieben durch Banken und Versicherungen.
Ein Blick in die Zukunft
Nach 25 Jahren ETFs in Deutschland lässt sich resümieren: Was an jenem 11. April 2000 in turbulenten Börsenzeiten begann, hat den Anlagemarkt tiefgreifend transformiert. Die Kombination aus technologischer Innovation, steigender Kostensensibilität der Anleger, regulatorischen Verbesserungen und dem Boom der ETF-Sparpläne hat Deutschland zu einem führenden ETF-Markt in Europa gemacht. Was als Nischenprodukt für institutionelle Investoren begann, ist heute ein zentrales Element der Geldanlage für Millionen von Deutschen.
Und obwohl der Zeitpunkt für die Einführung dieser Revolution kaum ungünstiger hätte gewählt werden können, haben ETFs alle Krisen überstanden und sind heute fester Bestandteil der Anlagelandschaft. Die nächsten 25 Jahre werden zeigen, wie sich dieses Erfolgsmodell weiterentwickeln wird – die Grundlagen für eine weiterhin positive Entwicklung sind jedenfalls gelegt.



