08.02.2022

Eric Wiese im Interview „30 Positionen im Fonds-Depot haben mit systematischem Investment nicht viel zu tun“

Vermögensverwalter Eric Wiese ist kein Freund von Market Timing
Vermögensverwalter Eric Wiese ist kein Freund von Market Timing
© Montage: der fonds
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Externe Inhalte anpassen

An dieser Stelle finden Sie externen Inhalt, der unseren Artikel ergänzt. Sie können sich die externen Inhalte mit einem Klick anzeigen lassen. Die eingebundene externe Seite setzt, wenn Sie den Inhalt einblenden, selbstständig Cookies, worauf wir keinen Einfluss haben.

Externen Inhalt einmal anzeigen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt und Cookies von diesen Drittplattformen gesetzt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Eric Wiese arbeitet seit mehreren Jahrzehnten in der Finanzbranche. Als Geschäftsführer der Hamburger Vermögen verwaltet er mehr als zwei Milliarden Euro. Dementsprechend weiß er, auf welche Kennzahlen eines Fonds es ankommt und welche Fehler viele Privatanleger:innen beim Investieren machen. Lesen Sie hier das gesamte Gespräch zwischen Peter Ehlers, Herausgeber von derfonds.com und Host des Podcasts „Think. Or Sink.", und Eric Wiese.

Eric, Kennzahlen sind wichtig bei der Auswahl von Aktien und Fonds. Nach welchen Kennzahlen sollten sich Privatanleger:innen bei der Erstellung ihres Depots die Fonds aussuchen? Und was machen Anleger:innen aus deiner Sicht als professioneller Vermögensverwalter häufig falsch?   

Eric Wiese: Semi-professionelle Leute sind sehr emotionsgesteuert. Denen flattert mal ein Artikel aus irgendeiner Gazette aus England auf den Tisch oder irgendein heißer Fonds-Tipp. Den kaufen die dann auch gerne in ihr Depot hinein. 

Klassisch sind auch Rennlisten, die viele Zeitschriften aus einem Universum von Fonds erstellen. Da ist in erster Linie die Performance das Hauptkriterium. Die zeigen die Top-20 der internationalen Fonds der letzten 5-Jahre und dann kaufen sich viele ein oder zwei davon ins Depot. Das führt immer dazu, dass die Depots wahnsinnig groß werden, rein von der Anzahl. 30, 40 Positionen in so einem Fonds-Depot sind keine Seltenheit. Das hat dann mit systematischem Investment allerdings auch nicht mehr so viel zu tun. 

Dann kommen wir mal zu den richtigen Kennzahlen. Es gibt die Wertentwicklung über 1-, 3- und 5-Jahre, die Volatilität und den Maximum Drawdown. Eine eher ausgeklammerte Kennzahl ist die Sharpe Ratio, die im Prinzip eine schnelle Orientierung zum Risiko-Gewinn-Verhältnis gibt. Kannst du dazu noch etwas ins Detail gehen? 

Wiese: Bei der Sharpe Ratio werden die beiden Faktoren Rendite und Risiko ins Verhältnis gesetzt. Ein Beispiel: Die Rendite liegt bei 8 Prozent und das Risiko – in diesem Fall die Volatilität – liegt auch bei 8 Prozent. Ergibt eine Sharpe Ratio von 8 durch 8, also 1. Alles was über 1 liegt ist richtig gut, alles was unter 1 liegt wird tendenziell schlechter. Es gibt sogar negatives Sharpe Ratio. Das ist der Fall, wenn es eine negative Rendite in dem betrachteten Zeitraum gab. Generell gilt: Je mehr über 1, desto besser. 

Welche von den eben genannten fünf Kennzahlen ist deiner Einschätzung nach am wichtigsten? 

Wiese: Am Ende zählt die Rendite. Wir legen ja alle Geld an, um unser Geld zu mehren, und da muss am Ende eine vernünftige Rendite stehen. Deswegen ist für mich die 5-Jahres-Rendite die wichtigste Kennzahl, wenn man nur eine nehmen will. Die bildet auch einen längeren Zeitraum ab. In einem Jahr kann ein Fonds mal gut sein oder schlecht, hatte vielleicht auch einfach nur Glück und mal die richtige Ecke erwischt. Man sollte deshalb unbedingt auf einen längeren Zeitraum schauen.  

Die wichtigste Kennzahl ist für dich also die durchschnittliche Rendite über fünf Jahre. Wenn du alle fünf Kennzahlen in ein Modell packen würdest, wie würde das aussehen?  

Wiese: Die Kunst besteht darin, alles auf einen Nenner zu bringen, sodass man einen Fonds wirklich mit fünf Kennzahlen bewerten kann. Da wird dann eine ganze Liste davon erstellt. Das heißt dann Balanced Scorecard bei den Profis. Man könnte es auch gewichtete Rennliste nennen. Da werden alle Daten aus einer Datenbank herausgezogen und in eine Excel-Tabelle gepackt und entsprechend durchsortiert. Man kann das natürlich auch mit einer Software machen.

Privatanleger:innen haben solche Tools nicht. Die können zum Beispiel bei derfonds.com auf den Fonds-Explorer, dort die Kennzahlen heraussuchen und sich in eine Excel-Tabelle packen – also die 1-, 3- und 5-Jahres-Performance, die Volatilität, maximalen Drawdown und die Sharpe Ratio. Wie würde man das gewichten? 

Wiese: Für eine Gewichtung werden maximal 100 Punkte vergeben, man würde also jeder einzelnen Kennzahl eine gewisse Punktzahl zuordnen. Die 5-Jahres-Renditen würden wir dementsprechend etwas übergewichten, denen würde ich von 100 Punkten schon einmal 30 geben, den 3-Jahres-Renditen 20 Punkte und der 1-Jahres-Rendite 10 Punkte. Den beiden anderen Kriterien – der Volatilität und den maximalem Drawdown würde ich jeweils 20 Punkte geben. Die Sharpe Ratio lassen wir an dieser Stelle einmal außen vor, das ist ja nur ein mögliches Beispiel. Und die Gesamtpunktzahl sorgt am Ende anhand unserer gewichteten Kriterien für eine Rangfolge der Fonds. 

Hier kannst du „Think. Or Sink.“ auf Spotify hören

Hier kannst du „Think. Or Sink.“ auf Apple Podcasts hören

Das Ergebnis ist ein rein relativer Wert. Der bedeutet nicht, dass man einen Fonds mit einer Punktzahl von etwa unter 80 nicht mehr kaufen sollte. Was wären deine finalen Auswahlkriterien? Wo guckst du nochmal genau hin? 

Neugierig geworden?

Dann abonniere unseren Newsletter „Clever anlegen“!
Das Wichtigste zum Investieren, 3x wöchentlich, direkt in dein E-Mail-Postfach.

Wiese: Am Ende würde ich mich an die Liste halten. Da kommen dann vielleicht 20 von 100 Fonds heraus, die man nun näher betrachtet. Und dann entscheiden die weichen Faktoren: Man schaut sich etwa den Fondsmanager genauer an und findet heraus, wie lange der schon dabei ist. Man prüft, ob das eine vernünftige Fondsgesellschaft ist, die man schon kennt oder eher eine exotische Fondsgesellschaft aus einem Zwergenstaat. Auch das Alter des Fonds ist ein Thema. Ich würde immer empfehlen, dass der Fonds mindestens drei Jahre alt ist und ein gewisses Volumen hat. Das wären die weichen Kriterien.  

Sind Handelbarkeit oder Kosten auch wichtige Faktoren für dich? 

Wiese: Kosten sind natürlich ein Faktor. Wobei richtig gute Fonds etwas kosten, aber sie machen auch eine tolle Performance. Das steht schon etwas im Verhältnis.  

Das Fonds-Volumen ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Wenn der Fonds zu klein ist, macht er keine Rendite, wird womöglich geschlossen oder der Fondsmanager wird abgezogen.

Wiese: Ich würde immer ein Minimum von insgesamt 50 Millionen als Fondsvolumen empfehlen. 

Zurück zu den harten Kennzahlen: Gibt es einen Wert, wo du sagst, da sollte man reagieren, also etwa unbedingt ein- oder aussteigen? 

Wiese: Auf Basis der Kennzahlen ist das relativ schwierig. Die ändern sich zwar, aber nur wenig. Ich würde immer empfehlen, im Laufe des Investments Stop-Loss-Marken zu setzen für Fonds. Das heißt, wenn er um einen gewissen Prozentsatz gefallen ist, dass man dann tatsächlich verkauft. Das ist immer etwas abhängig von der Volatilität des Fonds, sollte also angepasst sein. Wenn der Fonds eine Vola von 15 hat, dann würde ich vielleicht eine Stop-Loss-Marke auch bei 15 setzen. Dann ist sozusagen das Maximum, was er langfristig an Verlust einfahren kann, erreicht und dann kann man mal aussteigen. Wobei ich grundsätzlich ein Gegner des Market Timings bin. Ich bin immer dafür, langfristig investiert zu bleiben. Denn das Problem an einer Stop-Loss-Marke ist, dass man dann neben dem Markt steht. Der kann weiter fallen, aber er kann auch weiter steigen – und man selbst steht daneben und hat nur Verluste eingefahren. Deshalb bin ich dafür, investiert zu bleiben. 

Was ist eine eher kuriose Kennzahl? 

Wiese: Die Cashburn-Rate aus den 90ern und 2000ern, aus den Zeiten der Dotcom-Blase. Damals haben die Unternehmen Geld bekommen und dann ging es darum, dieses möglichst schnell wieder zu verbrennen. Eine schwachsinnige Kennzahl, die sich als Rohrkrepierer herausgestellt hat. 

Ein Fonds wird immer erst richtig ernst genommen, wenn er seit drei Jahren besteht. Woran liegt das? Warum sind diese drei Jahre so wichtig?

Wiese: Man hat davor keinen Vergleichswert. Ein Fonds kommt als Newcomer auf den Markt und sagt er ist der Beste, Tollste und Schönste. Dass hier mehr Rendite geholt wird als bei jedem anderen. Aber das muss man erst einmal beweisen. Und da haben längerfristige Zahlen eine höhere Aussagekraft. Nach drei Jahren kann man über einen Fonds sagen: Er kann es oder er kann es nicht. 

Wie hat dir der Artikel gefallen?

Danke für deine Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Auch interessant
ETF der Woche No-Name-Indizes: Wie du mit dem billigsten Welt-ETF langfristig sparen kannst
Günstig, günstiger, Prime All Country World ETF. Der französische Vermögensverwalter Amundi hat ...
Hohe Risikoaufschläge, lange Duration Anleihen: Schwellenländer bleiben stark
Anleihen standen in der Vergangenheit nur selten im Fokus der Öffentlichkeit. Doch ...
Kurz reingehört „Bitcoin ist nicht nur eine Währung, es ist eine besondere Szene“
Warum junge Amerikaner in Krypto investieren und warum sie selbst bullish für ...
Mehr zum Thema
David Wenicker
iShares-Manager im Interview „Es ist wichtig, in Megatrends wie Clean Energy langfristig zu investieren“
Mit den iBonds traf iShares 2023 einen Nerv – auf einmal waren ...
Collage mit Celine Nadolny und Seiltänzer
Celine Nadolny Kolumne „Mein finanzielles Polster reicht mittlerweile über ein Jahr“
Celine Nadolny von „Book of Finance“ beschäftigt mittlerweile einige Mitarbeitende. Damit wächst ...
Endrit Çela (links) und Michael Duarte (v.l.)
Die Investmentbabos im Interview „Besonders gefährlich sind Begriffe wie die Wahrheit, mit Sicherheit oder ich weiß es“
Die Investmentbabos Michael Duarte und Endrit Çela plaudern in ihrem Podcast über ...
Jetzt Newsletter abonnieren
Hier findest du uns