Doppelbesteuerung der Renten 4 Fragen und Antworten zum BFH-Urteil
Am 31.5.2021 hat der BFH zwei Urteile vom 19.5.2021 in Sachen doppelte Rentenbesteuerung bekannt gegeben. Auch wenn die Kläger aufgrund ihres noch relativ hohen steuerfreien Rentenanteils keine Doppelbesteuerung nachweisen konnten, geht das oberste deutsche Finanzgericht davon aus, dass eine unzulässige Doppelbesteuerung für spätere Rentnerjahrgänge immer wahrscheinlicher werden wird, da der steuerfreie Anteil der Rente sich bis 2040 kontinuierlich bis auf Null verringert. Was das konkret für derzeitige und künftige Rentner bedeutet, erklärt der Bund der Steuerzahler.
Was hat der Bundesfinanzhof genau entschieden?
Der Bundesfinanzhof hat erstmals eine Rechenformel zur Bestimmung einer Doppelbesteuerung vorgelegt. Dabei hat das Gericht klargestellt, dass bestimmte Rechengrößen im Steuerrecht, etwa der Grundfreibetrag, der der Absicherung des steuerfreien Existenzminimums dient, nicht zu Ungunsten der Senioren berücksichtigt werden dürfen.
Die bisherige Rechenweise der Finanzverwaltung, nach der es keine Doppelbesteuerung gibt, wurde damit gekippt. Zwar wurden die Revisionen in den beiden konkreten Fällen zurückgewiesen, weil das Gericht hier rechnerisch keine Zweifachbesteuerung ermitteln konnte, in der Sache sind die beiden Entscheidungen aber wegweisend für zukünftige Rentnerjahrgänge.
Wer kann betroffen sein?
Das Gericht hat einige Parameter genannt, wann eine Doppelbesteuerung vorliegt. Bereits gegenwärtig können Senioren betroffen sein:
Hallo, Herr Kaiser!
- die erst kürzlich in Rente gegangen sind,
- (ehemalige) Selbstständige, die keine steuerfreien Arbeitgeberanteile erhalten haben,
- Männer, die wegen ihrer statistisch kürzeren Lebensdauer häufiger tangiert sind,
- unverheiratete Senioren.
Dabei müssen prinzipiell mehrere der genannten Voraussetzungen vorliegen, aber nicht zwingend alle vier erfüllt sein. Das heißt, es können zum Beispiel auch unverheiratete Frauen, die nach einer Freiberuflertätigkeit erst kürzlich in Rente gingen, doppelt belastet sein. Dies hängt stets von der individuellen Erwerbs- und Rentenbiografie ab. Ehemalige Arbeitnehmer sind momentan eher nicht betroffen.
Gegenwärtig noch berufstätige Personen können aktuell ebenfalls nichts unternehmen, da sie noch keine Rente erhalten. Dennoch sind die Urteile vor allem für sie entscheidend: Denn sie könnte die Doppelbesteuerung treffen, wenn der Gesetzgeber jetzt nicht handelt. Deshalb ist das Urteil auch als Aufforderung an den Gesetzgeber zu verstehen, die bestehenden Regeln zu überarbeiten, um eine Zweifachbesteuerung von vorneherein zu vermeiden.
Wir als Bund der Steuerzahler (BdSt) schlagen zum Beispiel vor, die Übergangsfrist zu verlängern. Statt im Jahr 2040 sollte der Systemwechsel erst 2070 vollständig vollzogen werden. Zudem sollten Ren-tenerhöhungen nicht wie bislang zu 100 Prozent in die Besteuerung einbezogen werden.
Was können Senioren jetzt tun?
Es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung in Kürze auf die Urteile reagieren wird und Details zur praktischen Anwendung veröffentlicht. Erste Handlungstipps:
- Senioren, die bereits Einspruch eingelegt hatten, sollten nun die Reaktion des Finanzamtes abwarten.
- Wer erst kürzlich seinen Steuerbescheid bekam und zu der Fallgruppe (siehe oben) gehört und deshalb eine Doppelbesteuerung vermutet, kann gegen seinen Steuerbescheid Einspruch einlegen. Das ist nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides möglich. Ein Einspruch gegen bestandskräftige ältere Bescheides ist unzulässig.
- Diejenigen, die noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben haben, sollten eventuell noch etwas abwarten. Bald wird die Rechtslage sicherlich klarer sein. Übrigens: Der Bundestag hat beschlossen, dass die Steuererklärungen für das Jahr 2020 erst Ende Oktober 2021 beim Finanzamt eintreffen müssen. Es lohnt sich also gegebenenfalls noch etwas abzuwarten, was sich tut.
Wie geht es weiter?
Die Urteilsgründe müssen jetzt sehr sorgfältig analysiert werden. Es ist demnächst eine Reaktion der Finanzverwaltung zu erwarten. Zudem werden sicherlich auch die Kläger prüfen, ob sie gegen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs weiter zum Bundesverfassungsgericht ziehen und dort Verfassungsbeschwerde erheben. Ein Knackpunkt könnte dabei die Berücksichtigung von Hinterbliebenen bei der Besteuerung sein. Eventuell benachteiligt dies Ehen.