Exklusive Studien-Ergebnisse 5 Erfolgsfaktoren für KI-Einsatz im Versicherungsvertrieb
Wo kann Künstliche Intelligenz (KI) im Vertrieb von Versicherungen eingesetzt werden? Und wo wird sie bereits eingesetzt? Diese Fragen stellte Torben Tietz, geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung MSR Consulting Group, Führungskräften deutscher Versicherungsunternehmen sowie Vertriebsleiter bei Maklervertrieben.
Viele der Befragten konnten oder wollten keine Auskünfte zu diesem Thema erteilen, bemängelt Tietz gegenüber DAS INVESTMENT. Mit den restlichen 15, die Rede und Antwort stehen wollten, führte der Unternehmensberater längere Interviews durch. Die Ergebnisse sowie seine Erfahrungen aus Workshops bei Maklervertrieben stellte Tietz in einem Vortrag im Rahmen der diesjährigen DKM vor.
Das Ergebnis: Alle Befragten haben sich mit dem Thema ChatGPT bereits beschäftigt. Der erste Kontakt erfolgte dabei häufig im Rahmen der privaten Nutzung von KI. Außerdem waren sich alle Befragten einig, dass das Thema von den Versicherern aufgegriffen werden muss.
Erste Versicherer mit speziellen KI-Teams
In den Unternehmen haben sich Marketing-Leiter häufig mit KI bereits auseinandergesetzt, hauptsächlich um Marketingmaterial zu optimieren. Doch auch in den Führungsetagen sei das disruptive Potenzial von Chat GPT für den Vertrieb mittlerweile erkannt worden, sagt Tietz. Das Thema werde als hochrelevant erachtet. Doch nicht überall: Wie bereits erwähnt, gestaltete sich die Suche nach einem auskunftsfähigen Ansprechpartner in vielen Unternehmen schwierig.
Die gleichen Unterschiede stellt Tietz auch bei der Umsetzung fest: „Während erste Unternehmen bereits dezidierte Teams geschaffen haben, die das Thema mit entsprechenden personellen Kapazitäten vorantreiben, stehen andere noch am Anfang und haben noch kaum oder keine entsprechenden personellen Kapazitäten“.
KI vor allem in der Kundenansprache
Als bevorzugtes Einsatzfeld von KI nennen die meisten Befragten die Kundenansprache. Sie würden gerne ChatGPT einsetzen, um Texte, E-Mails und Social-Media-Beiträge zu erzeugen. Einige der befragten Unternehmen nutzen es bereits: In der automatisierten Kundenkommunikation heben sich laut Tietz Finanzvertriebe besonders positiv hervor.
Auch für zeitaufwändige Sortieraufgaben, zum Beispiel zum Sortieren des E-Mail-Postfachs, ist KI nach Auffassung der meisten Umfrageteilnehmer besonders gut geeignet. Eine weitere zeit- und arbeitsintensive Aufgabe von Maklern ist der Vergleich von Bedingungswerken einzelner Policen, um für den Kunden das beste, auf ihn abgestimmte Produkt herauszupicken. Überraschenderweise würden hier etwas weniger Makler auf KI-Unterstützung zurückgreifen als bei den beiden anderen Aufgaben (siehe Grafik).
„Brainstorming mit der Maschine“
Ein weiteres Einsatzfeld von KI wäre laut Tietz das „Brainstorming mit der Maschine“. Dabei nimmt man die unsystematisch gesammelten Informationen über den Kunden aus E-Mails, Gesprächsnotizen, Beratungsprotokollen, Anmerkungen Dritter und übersetzt diese in nützliche Informationen zum Beispiel für die Lead-Generierung sowie für Beratung und Betreuung. Auch bei der Einarbeitung neuer branchenfremder Mitarbeiter könnte KI sehr hilfreich sein.
Hallo, Herr Kaiser!
„Die ersten Anwendungen von ChatGPT werden zu Hygienefaktoren, die eigentliche Disruption kommt noch“, ist Tietz überzeugt. Zu den Hygienefaktoren zählen er und die von ihm befragten Führungskräfte die Optimierung von Marketingmaterialien, die wohl schon sehr bald kommen und schnell in allen Häusern adaptiert werden würde. Außerdem werden Endkunden ChatGPT und Co. zunehmend auch nutzen und das damit generierte Wissen bei den Gesprächspartnern voraussetzen – analog zu „Dr. Google“ in der Medizin.
Assistenzsysteme können Redeanteil des Beraters messen
Wer sich durch ChatGPT Wettbewerbsvorteile verschaffen will, wird es auch in der Kundenberatung anwenden müssen, zum Beispiel in Form von Assistenzsystemen, die die vom Kunden erhaltenen Informationen auswerten und daraus eine Art Leitfaden fürs Beratungsgespräch erstellen. Außerdem können sie den Redeanteil des Beraters genau messen und ihn gegebenenfalls schon während des Gesprächs darauf hinweisen, den Kunden mehr zu Wort kommen zu lassen. Darüber hinaus kann KI Kundeninformationen automatisch in die Kundendatenbank übertragen und vertrieblich nicht relevante Dienstleistungen wie zum Beispiel Adressänderungen übernehmen.
In vielen Versicherungsunternehmen sind die ersten Pilotanwendungen bereits gestartet. Als Beispiel nennt der Berater vier Tätigkeitsfelder:
- Marketing: Optimierung von Texten, Marketingmaterialien, Produktinformationen, Social Media Posts.
- Automatisierte Kundenkommunikation: Einbindung in das CRM – ChatGPT verfasst individuelle Schreiben an Kunden
- Unterstützung von Sanierungsentscheidungen: Zusammenfassung aller relevanten Informationen mittels KI, um optimale Datengrundlage zu schaffen
- Bearbeitung von Maklermandaten: KI übernimmt „Fleißarbeit“, effiziente Bearbeitung vieler wiederkehrende Standardtätigkeiten.
Als Musterbeispiel für eine erfolgreiche KI-Anwendung im Versicherungsvertrieb nennt Tietz den Mailhelfer von DVAG. Der KI-basierte Textgenerator verschickt individuelle Geburtstagsgrüße sowie Mails mit der Bitte um Empfehlungen. Dabei werden alle Schreiben persönlich und individuell gestaltet, lobt Tietz. Denn ChatGPT berücksichtigt Berufe, Hobbys und sonstige Interessen der Kunden. Außerdem kann der Berater den Schreibstil selbst bestimmen. Seit dem Start der Anwendung wurde sie von 5.800 Beratern genutzt, die damit insgesamt rund 20.000 E-Mails erstellt haben.
Freiraum für Versuch und Irrtum
Damit der KI-Einsatz im Unternehmen zum Erfolg wird, nennt Tietz fünf Erfolgsfaktoren:
- Top-Down: Das Thema wird vom Vorstand vorangetrieben.
- Bottom-Up: Enthusiasten erhalten Freiraum vom Vorstand.
- Start mit kleinen, schnell wirksamen Aktivitäten: Zunächst mit Pilotprojekten in einem begrenzten Bereich/ zu einem konkreten Thema starten, um schnell in erste Umsetzung mit messbarer Wirkung zu kommen; Themen ohne Datenschutzimplikationen.
- Experimentieren und offene Fehlerkultur: Erfahrungen ausprobieren und kommunizieren. Eine offene Fehlerkultur fördern, in der Fehler als Gelegenheit zur Verbesserung angesehen werden.
- Akzeptanz sicherstellen: Die Akzeptanz von KI-Tools im Vertrieb ist entscheidend. Es ist wichtig, möglichst viele Menschen mitzunehmen und ihnen beizubringen, wie sie diese Technologien nutzen können.
Kann KI künftig nun auch selbst Versicherungen verkaufen und damit den Vermittler überflüssig machen? Eigentlich schon, meint Tietz. Es gebe Policen, zum Beispiel in der Sachversicherung, die ChatGPT sehr wohl verkaufen könnte. Allerdings habe Versicherung sehr viel mit Vertrauen zu tun, sagt der Unternehmensberater. Bei komplexen Themen, wo es auf das Verständnis der individuellen Situation des Kunden ankommt, werde der Vermittler als Vertrauensperson des Kunden bleiben, ist er überzeugt.