Performance-Sieger im ersten Halbjahr 5 Fakten: Was Anleger über Indiens Aktienmarkt wissen sollten
Indische Aktien haben im Performance-Ranking des Analysehauses Scope im ersten Halbjahr sogar globale Technologie-Fonds geschlagen – und Analysten erwarten, dass die Wirtschaft des bevölkerungsreichsten Landes der Welt in kommenden Jahren weiter kräftig wächst. Was den Markt besonders macht, erklären wir in fünf Fakten.
Indiens Wirtschaft wächst – steht aber vor Herausforderungen
Die Wirtschaft in Indien brummt – für dieses Jahr sagt der Internationale Währungsfonds ein Wirtschaftswachstum von 6,8 Prozent voraus. In nur wenigen Jahren könnte das Land zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Analysten von Morgan Stanley Research erwarten bis 2034 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 8,1 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag das BIP im bevölkerungsreichsten Land der Erde bei knapp 3,6 Billionen Dollar. „Indien gehört zu den wenigen Märkten weltweit, bei denen das Wachstum sehr klar absehbar ist“, sagt Abhay Laijawala, Leiter Offshore-Investitionen beim Asset Manager Robeco.
Das Land steht allerdings auch vor Problemen. Nach Schätzungen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) leben zehn Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit – insbesondere bei Jugendlichen – ist hoch. Die starke Vermögensungleichheit im Land unterstreiche, wie wichtig es sei, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, meint Dina Ting, Leiterin des Global Index Portfolio Managements bei Franklin Templeton. Indiens Premierminister Narendra Modi will gegensteuern und hat jüngst einen 24-Milliarden-Dollar-Wirtschaftsplan angekündigt. Mit dem Geld sollen unter anderem Praktikumsstellen geschaffen werden. Außerdem plant Modi, die Steuern für ausländische Unternehmen zu senken. Das soll für einen Schub bei Direktinvestitionen sorgen.
Indien ist nur bedingt mit anderen Schwellenländern vergleichbar
Indien hat – gemessen an der Marktkapitalisierung – den viertgrößten Aktienmarkt der Welt. Das sei nur bedingt mit anderen Schwellenländern vergleichbar, meint Colin Croft, Investmentmanager bei Jupiter Asset Management. Der Aktienmarkt „ist sehr breit und tief gefächert, mit einer großen Vielfalt an Sektoren“, so Croft. Damit unterscheide sich Indien stark von anderen Märkten, die etwa auf Rohstoffe oder Technologie konzentriert seien. Eine weitere Besonderheit: „Im Vergleich zu anderen Märkten, die von unberechenbaren internationalen Anlegern abhängig sind, verfügt Indien über eine bedeutende inländische Anlegerbasis“, sagt Croft. Die Investoren aus dem eigenen Land hätten in den vergangenen Jahren die Verkäufe ausländischer Anleger oft ausgleichen können. Das habe die Schwankungen an den Märkten geringgehalten.
Als größte Demokratie der Welt habe Indien im Vergleich zu anderen Schwellenländern zudem strukturelle Vorteile. Die Wirtschaft basiere auf soliden marktwirtschaftlichen Grundlagen, was massive staatliche Fehlinvestitionen verhindere. So konnte das Land „hohe Wachstumsraten aufrechterhalten, die sich in steigenden Unternehmensgewinnen und letztlich in überdurchschnittlichen Renditen für die Anleger niedergeschlagen haben“, analysiert der Fondslenker des Jupiter India Select.
Indien-Fonds investieren in Banken statt Tech
Während in vielen Aktienmärkten der westlichen Welt Tech-Firmen die Kurse treiben, setzen erfolgreiche Indien-Fonds stark auf die Finanzbranche. „Banken haben oft eine hohe Gewichtung in Schwellenländerfonds“, sagt Fondsmanager Croft. Die Erklärung: Viele Menschen hätten noch keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen, auch die Verschuldung sei in der Regel viel niedriger als in den USA und Europa. „Im Gegensatz dazu haben die Banken in Indien viel mehr Spielraum, um ihren Kreditbestand und ihre Erträge zu steigern, da sie Kredite an Unternehmen und Haushalte vergeben, die noch relativ wenig Schulden haben“, so der Indien-Experte.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Allerdings werde die Wirtschaft vielschichtiger und an dem dynamischen Kapitalmarkt des Landes gebe es stets neue Börsennotierungen, ergänzt Abhay Laijawala von Robeco. „Das wird Anlegern künftig eine viel größere Auswahl an Investitionen in einer Vielzahl von Branchen ermöglichen.“
Indiens Unternehmen setzen auf die Binnenwirtschaft
Erfolg im eigenen Land statt Export: Unternehmen, die auf die indische Binnenwirtschaft setzen – darunter Reise- und Tourismusunternehmen, Versicherer und Immobilienentwickler – könnten ihre Erträge stärker steigern als mehr auf den Export ausgerichtete Firmen wie IT-Dienstleister, so Colin Croft. Der Indien-Experte von Jupiter Asset Management sieht großen Nachholbedarf bei der Gesundheitsversorgung. „Das derzeitige Niveau der Gesundheitsausgaben in Indien ist mit etwa 3 Prozent des BIP niedrig – verglichen mit mehr als 10 Prozent in großen EU-Ländern“. Davon könnten besonders private Krankenhausketten profitieren, meint Croft.
Auch Kristian Heugh, Fondsmanager bei Morgan Stanley Investment Management, rechnet mit stark steigenden Ausgaben für Nahrungsmittel, Gesundheit, Reisen sowie Luxusgüter. Ein Grund sei der wachsende Wohlstand: Der Anteil der Menschen mit einem Einkommen von mehr als 8.000 US-Dollar pro Jahr steige und könnte im Jahr 2031 bereits bei mehr als 50 Prozent liegen, so die Prognose von Morgan Stanley Research.
Indische Aktien sind hoch bewertet – zu Recht?
„Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25x und einem Kurs-Buchwert von 4,3 gilt Indien als einer der teuersten Märkte der Welt“, sagt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Diese hohen Bewertungen könnten darauf hindeuten, dass viele positive Erwartungen bereits in den Aktienkursen eingepreist seien.
Colin Croft von Jupiter Asset Management sieht die Bewertungen allerdings durch ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum der Unternehmen gerechtfertigt. So gebe es zwar einzelne überbewertete Branchen, insgesamt sei jedoch davon auszugehen, dass die positive Dynamik anhält. Das bestätigten die Prognosen, die in den kommenden Jahren von einem Wirtschaftswachstum von mehr als 6 Prozent ausgehen.
„Auch wenn die Bewertungen teuer sind, bleiben die indischen Märkte aufgrund des langanhaltenden Gewinnwachstums und der Aussicht auf einen langfristigen Zinseszinseffekt attraktiv“, sagt auch Abhay Laijawala von Robeco. Die Regierung setze auf wirtschaftliche Stabilität, das sei die wichtigste Grundlage für den indischen Bullenmarkt.