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5 Kernpunkte Was ist aktuell am Anleihemarkt los?

Nach Ankündigung einer weiteren Zinssenkung verlässt Fed-Chef Jerome Powell die Pressekonferenz: Die internationalen Notenbanken versuchen der Krise Herr zu werden.
Nach Ankündigung einer weiteren Zinssenkung verlässt Fed-Chef Jerome Powell die Pressekonferenz: Die internationalen Notenbanken versuchen der Krise Herr zu werden. | Foto: imago images / UPI Photo
Andrew Wilson
Foto: GSAM

Liquiditätsprobleme am Anleihemarkt haben die aktuelle Krise um eine weitere Dimension erweitert, wodurch sich die bestehenden Sorgen der Anleger über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs und des Ölpreiseinbruchs noch verschlimmern. Wir haben sozusagen die Temperatur des Markts gemessen und sind der Ansicht, dass die Anleihemärkte noch mitten in der Krise stecken. Die Währungshüter haben ihre Maßnahmen jedoch aufgestockt – und wir sehen erste Anzeichen einer Verbesserung der Liquidität.

Um die Anleihemärkte richtig zu stabilisieren, müssen die US-Notenbank (Fed) und andere Zentralbanken unseres Erachtens ihre Bilanzen noch viel mehr ausweiten. Wir rechnen zudem damit, dass die Fiskalpolitik dabei eine größere Rolle übernehmen wird. Wir werden das Zusammenspiel von Zentralbanken und Fiskalpolitik genau beobachten, um den Ausblick für das Wirtschaftswachstum und die Inflation abschätzen zu können.

Im Mittelpunkt dieses Zusammenspiels stehen die Märkte für Unternehmensanleihen, denn die Bewertungen werden durch Zentralbankmaßnahmen zur Bereitstellung von Liquidität an den Anleihemärkten sowie durch fiskalpolitische Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft beeinflusst. Wir rechnen mit Gelegenheiten in den Bereichen des Anleihemarkts, die am ehesten von geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen profitieren. Wir sind geduldig und werden die Risiken und Chancen in diesem unsicheren Umfeld sachlich beurteilen. Hier unsere Einschätzungen:

1. Die Liquidität am Anleihemarkt ist nach wie vor problematisch, beginnt sich aber zu verbessern

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Die Liquiditätssituation am Anleihemarkt ist nach wie vor schwierig, weil Rentenwerte massiv verkauft werden. Wir sind der Ansicht, dass diese Verkäufe in erster Linie durch Umschichtungen verursacht werden – von Anlegern, die Zinspapiere verkaufen und Aktien kaufen, um ihre Portfolios bei einem Ausverkauf am Aktienmarkt anzupassen. Hinzu kommen Anleger, die Zinspapiere verkaufen, weil sie Liquidität benötigen. Die Bilanzen von Broker-Dealern sind daher mit Wertpapieren so vollgestopft, dass sie nicht mehr so gut in der Lage sind, am Anleihemarkt zwischen Käufern und Verkäufern zu vermitteln.

Weltweit haben die Zentralbanken rasch auf die Liquiditätsprobleme am Anleihemarkt reagiert. Wir sehen, dass sich die Liquidität zu verbessern beginnt. Die Fed hat besonders aggressiv reagiert und Lösungen bereitgestellt, die zuletzt nach der Finanzkrise 2008 genutzt wurden, um den Druck von den Bilanzen der Händler zu nehmen. Dadurch hat der Liquiditätsdruck am Markt für US-Staatsanleihen bereits nachgelassen – wenngleich die Liquidität in anderen Bereichen des Markts nach wie vor sehr problematisch ist. Um den Markt wirklich zu stabilisieren, müssen die Fed und andere Zentralbanken unseres Erachtens wahrscheinlich noch viel mehr tun, um ihre Bilanzen auszuweiten. Es wird dauern, bis diese Maßnahmen ihre volle Wirkung zeigen.

2. Gegen die Auswirkungen des Virus auf das Wirtschaftswachstum sind fiskalpolitische Maßnahmen erforderlich

Die globale gesamtwirtschaftliche Aktivität ist aufgrund der einschneidenden Maßnahmen international zur Eindämmung des Virus ganz plötzlich und wie nie zuvor ins Stocken geraten. Die Zentralbanken haben die Zinsen bereits drastisch gesenkt, scheinen aber keinen Spielraum für weitere Reduzierungen zu haben. In Europa und Japan, wo die Leitzinsen bereits negativ sind, haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan (BoJ) offensichtlich beschlossen, dass es ineffektiv wäre, die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich zu senken. Auch die Fed wird unserer Ansicht nach keine negativen Zinsen einführen. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Zentralbanken grundsätzlich mit ihren Leitzinssenkungen durch sind – und fiskalpolitische Maßnahmen benötigt werden, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus zu bekämpfen.